Seniorenpaar steht kochend am Herd (Bild: imago images/Westend61)
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Interview l Prof. Dr. Andreas Michalsen - "Je pflanzlicher die Ernährung, desto länger das Leben!"

"Im Prinzip hat man etwa um die 60 die Würfel in der Hand und kann nun entscheidend mitsteuern, ob man mit 80 auch noch genügend gesund ist", sagt Ernährungsspezialist Prof. Dr. Andreas Michalsen, Chef der Abteilung Naturheilkunde am Immanuel-Krankenhaus Berlin.

Wir altern ständig und schleichend - eine sehr lange Zeit ohne es in einem negativen Sinn zu merken. Doch es gibt wichtige Wendepunkte beim Altern, sagt Andreas Michalsen: "Mit etwa 60 kommt ja der Moment, in dem wir merken, dass wir älter werden. Das muss noch nicht gravierend sein, vielleicht klopft das Alter erst vorsichtig an. Trotzdem können wir es nicht einfach wegdrücken. Wir sollten uns dem besser bewusst stellen.
 
Um die 60 oder 65 ist biografisch betrachtet die Zeit, in der es mehr Möglichkeiten gibt, das Leben zu gestalten, weil die extrem aktiven Phasen in Beruf und Familie oft schon abgeschlossen sind. Das ist also ein gutes Zeitfenster, um sich selbst zu sagen: Jetzt ändere ich etwas. Denn wir müssen nun tatsächlich etwas ändern.

Wenn wir nichts tun und einfach so weitermachen wie bisher, dann steigt das Risiko für Bluthochdruck, Diabetes, Arthrose und Osteoporose. Im Prinzip hat man etwa um die 60 die Würfel in der Hand und kann nun entscheidend mitsteuern, ob man mit 80 auch noch genügend gesund ist", so der Fachaarzt für Innere Medizin mit speziellen Fachgebieten Naturheilkunde und Ernährung.

Warum nehmen wir im Alter zu?

"Ein Problem ist die Gewichtszunahme. Da höre in meiner Praxis oft von Patienten: Früher hab ich nie zugenommen, jetzt esse ich weniger und nehme trotzdem zu. Das hat einen einfachen Grund. Der Körper braucht nun weniger Energie. Wenn wir weiter so essen wie vorher, werden wir übergewichtig und die Wahrscheinlichkeit einer Herzkreislauf- oder Zuckererkrankung steigt.
Jeder kann da sein eigenes Schicksal in die Hand nehmen. Die Ernährung steht für mich da an oberster Stelle. Je pflanzlicher die Ernährung, desto länger das Leben. Darauf verweisen immer mehr Studien."

Tipp 1: Inhaltsstoffe bremsen oder beschleunigen Alterung

"Eine vollwertige, möglichst vielseitige, pflanzliche Ernährung ist mein wichtigster Anti-Aging-Tipp. Es kommt darauf an, weniger von den Lebensmitteln zu essen, die nicht gut für den Körper sind. Man weiß aus experimentellen Studien, dass das tierische Eiweiß Alterungsprozesse beschleunigt, also sollte man es reduzieren. Ob man dann gänzlich vegan lebt, ist auch eine ethische Entscheidung. Aber in jedem Fall sollten Milchprodukte, Eier, Fleisch und auch Fisch stark reduziert werden.
 
Auf Gifte sollte man nun ganz verzichten, also das Rauchen einstellen und den Alkoholkonsum so weit wie möglich herunter fahren. Weniger Zucker, weniger Süßigkeiten - das ist sicher auch von Vorteil.
 
Nun heißt es: die Nahrungsmittel vermehrt auf den Speiseplan setzen, die Moleküle enthalten, die nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft das Altern verlangsamen können, zum Beispiel Polyphenole, Lycopine oder andere sekundäre Pflanzenstoffe. Sie sind in Gemüse, Gewürzen und in sehr aromatischen Früchten enthalten.
Auch Spermidin gehört gehört zu den vielversprechenden Favoriten. Das ist in Weizenkeimen, Soja, Erbsen oder Pilzen enthalten - in der pflanzlichen Ernährung kommt es häufig vor.

Bluthochdruck-Superfoods

Bei Bluthochdruck oder zu dessen Vorbeugung empfehle ich Bluthochruck-Superfoods: Dazu gehört Rote Beete, Leinsamen und Leinöl, fruchtiges natives Olivenöl - überhaupt hochwertige Öle -, Nüsse und Saaten, dunkle Schokolade, Hibiskustee, Heidelbeeren und grüner Tee.
 
Eine schwierige Frage ist oft die der Eiweißzufuhr: Wir brauchen wir mit 60 mehr Protein als mit 30 oder 40. Allerdings weiß man auch, dass zu viel tierisches Protein die Gefäßalterung fördert. Die Lösung ist: bewusst sehr viel pflanzliches Protein zu essen.
Da sind wir in Deutschland nicht die Weltmeister, es geht da vor allem um Hülsenfrüchte, wie Linsen und Bohnen. Die werden überall auf der Welt viel gegessen, nur hier nicht. Auch Soja ist bei uns vergleichweise immer noch wenig verbreitet.
 
Da sollte man sich also jetzt unbedingt einen proteinreichen Speiseplan mit Erbsen, Bohnen, Tofu und viel Vollkorngetreide zusammen stellen.

Tipp 2: Fasten gegen Alterungsprozesse

Meine zweite Anti-Aging-Empfehlung ist, das Fasten in den Alltag zu integrieren. Es kann Intervallfasten sein, also d.h. täglich eine 14 – 16-stündige Essenspause einzulegen oder auch Heilfasten-Tage, an denen man nicht mehr als 500 Kalorien pro Tag zu sich nimmt.
 
Fasten ist der stärkste Stimulus, um Alterungsprozesse aufzuhalten. Wenn wir weniger essen, können wir Altern verlangsamen. Es ist heute auch verstanden, woran das liegt:
Einige Substanzen, die ungünstig sind für das Altern, wie z.B. mTOR oder das IGF-1 werden beim Fasten gebremst. Andere, die günstig sind für die Zellreinigung - die Sirtuine - werden vermehrt produziert.

Tipp 3: Schlaf als Vitalitätsquelle

"An dritter Stelle meiner Anti-Aging-Tipps steht der Schlaf. Je älter man wird, desto früher sollte man ins Bett gehen, d.h. vor 24 Uhr. Und man sollte drei Stunden vor dem Schlafengehen nichts mehr essen.
 
Der Schlaf ist eine Wunderquelle für die Vitalität aller Körperzellen. Damit man gut schläft und keine Schlafstörungen hat, ist Stressreduktion ganz wichtig. Das ist mein:

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Tipp 4: Den Stress 'entspannen'

Tun Sie bewusst etwas zur Entspannung. Kurzzeitiger Stress schadet uns nicht. Aber oft wird es zu viel. Diese Überaktivierung, die dann entsteht - schneller Herzschlag, hoher Blutdruck, hohe Muskelspannung - die macht uns krank, begünstigt Herzinfarkt, Schlaganfall und Rückenschmerzen. Das Herz altert auch schneller, ebenso die Gefäße.
 
Yoga, Meditation oder autogenes Training können da sehr hilfreich sein, auch und gerade im Rentenalter. Viele Menschen denken, der Stress entsteht durch die viele Arbeit und wenn sie in Rente gehen, hört das auf.
Aber: wir alle haben unsere Muster und die können wir auch in die Rente mitnehmen. Und auf einmal macht man sich Stress, wo man sich eigentlich keinen machen müsste. Aus diesem Muster raus zu kommen ist nicht einfach. Da kann Therapie hilfreich sein oder eine Meditationsform, die uns raus bringt aus den Gewohnheiten.
 
Auch für die mentale Gesundheit ist Stressreduktion sehr wichtig. Studien zeigen, dass wir damit der Entstehung von Demenz vorbeugen können."

Tipp 5: Geschmeidig halten mit Bewegung

"Meine fünfte Empfehlung ist Bewegung. Wenn wir nichts tun, dann kommt es zum Muskelabbau im Alter und dann ist natürlich die Wahrscheinlichkeit groß, dass eine Osteoporose entsteht, dass dann Stürze wahrscheinlicher werden, womöglich auch ein Oberschenkelhalsbruch und dass wir eine Prothese am Hüftgelenk brauchen.
 
Auch da ist es wichtig und sehr lohnenswert zu sagen: Da schau ich jetzt nicht ohnmächtig zu. Wichtig ist zum einen Ausdauertraining: drei mal pro Woche möglichst 45 Minuten. Es muss nicht joggen sein, es reicht ein flotter Spaziergang möglichst draußen in der Natur.
 
Darüber hinaus sollte jeder ab 60 auch ganz gezielt auf seinen Muskelbesatz achten. Das ist die Phase im Leben, wo es gut ist, überall in der Wohnung ein paar Hanteln oder Thera-Bänder verteilt zu haben. Dehnung und Krafttraining sind sehr wichtig für die Gesunderhaltung.
 
Und dann kommt noch ein weiterer Übungsbereich dazu. Menschen, die im Alter nur joggen oder nur Krafttraining machen, wirken oft ein wenig starr im Bewegungsmuster, denn auch Koordination und Geschmeidigkeit nehmen im Alter ab. Ob Tanzen, Tai Chi, Seilhüpfen und andere kreative Bewegungen sind jetzt wichtig, um den Körper geschmeidig zu halten.

Altern muss nicht mit Krankheit verbunden sein

Für alle fünf Anti-Aging Tipps gilt: Man muss aber nicht immer 100 Prozent erfüllen. Wenn man 90 Prozent schafft, bestehen schon sehr gute Chancen, gesund zu altern.
 
Natürlich kann man Alterung nicht komplett aufhalten. Die Evolution hat vorgesehen, dass wir uns insgesamt als Spezies weiterentwickeln. Und wenn wir dann unsere Kinder in die Welt gesetzt und groß gezogen haben, dann fährt das Körperprogramm runter. Aber das muss nicht automatisch mit Krankheit verbunden sein.
 
Bevölkerungsstudien zeigen: Indigene Völker, die sich genügend bewegen und gesund ernähren, die bekommen die meisten Alterserkrankungen gar nicht - weder mit 80 noch mit 90. Es ist also eine Frage des Lebensstils - und den hat jeder in der Hand."

Das Interview führte Angelika Wörthmüller

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