Rauchende Schornsteine über den Dächern von Berlin (Quelle: imago/Reiner Zensen)
Bild: imago/Reiner Zensen

Gesundheitsgefahren durch Umweltbelastung - Stickoxide - unsichtbarer Feind in unserer Luft

Berlin gilt als eine der grünsten Hauptstädte - und doch ist die Berliner Luft so ungesund wie schon lange nicht mehr. Der Grund: Stickstoffdioxid. Die Hauptstadt gehört zu den Orten, an denen die EU-Grenzwerte so deutlich überschritten werden wie sonst nirgends, warnt das Umweltbundesamt. Auch Brandenburg erreicht Höchstwerte. Eine Gefahr für die Gesundheit. 

Rund 400.000 Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr an Herz-Kreislauferkrankungen oder Atemwegserkrankungen, so die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Was kaum jemand ahnt: Diese Zahl könnte im Zusammenhang mit sogenannten Stickoxiden (NOx) stehen. Sie gelangen durch Verbrennungsprozesse in die Luft - also zum Beispiel beim Heizen, bei der Verbrennung von Abfällen und ganz besonders beim Autofahren. Das betrifft besonders Dieselmotoren, bei denen die wichtigsten Stickoxidverbindungen, Stickstofmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2) in hohem Maße in die Luft geschleudert werden.

Berlin gehört zu den 14 Messstationen in Deutschland, an denen das Umweltbundesamt mit über 60 Mikrogramm pro Quadratmeter die höchsten Werte und häufigsten Überschreitungen des EU-Grenzwertes für Stickoxide messen konnte - und das nicht erst bei den aktuellen Messungen 2015, sondern seit mehreren Jahren. Tatsächlich ist Stickstoffdioxid vor allem ein städtisches Problem - und das auch in Brandenburg. Auch in Potsdam werden die Grenzwerte von 40 Mikrogramm im Jahresmittel immer wieder überschritten.

Wenn atmen gefährlich wird

Vor allem das Stickstoffdioxid ist für die Gesundheit gefährlich. Das Risiko z.B. für Asthmatiker einen Anfall zu bekommen verstärkt sich deutlich bei höheren Stickstoffkonzentrationen in der Luft - das gilt besonders für Menschen mit allergischem Asthma. Der Grund: Die kleinen Molekülverbindungen gelangen tief in die Lunge, bis zu den Lungenbläschen. Dort fördern sie Entzündungsprozesse, wie sie zum Beispiel auch durch Allergene ausgelöst werden. Auch ganz natürlicherweise werden in den tiefen Atemwegen bei Entzündungen Stickoxide freigesetzt. Lungenexperten nutzen deshalb schon seit langem NO-Messungen der Atemluft, um die Wirkung von Therapien gegen Asthma auf ihre Wirkung hin zu prüfen. Stickoxide aus der Luft können diese asthmaauslösenden Entzündungen aber unabhängig von Allergenen hervorrufen oder verstärken. Im schlimmsten Fall sterben Lungenzellen ab.
 
Europäische Studien, wie zum Beispiel 2006 in Griechenland, konnten außerdem nachweisen: Insbesondere ein höherer Stickstoffdioxid-Anteil in der Atemluft führt zu einer höheren Sterberate durch Herz-Kreislauferkrankungen und Atemwegserkrankungen. Die Forscher verglichen dazu Daten von rund 60 Millionen Europäern aus verschiedenen Jahren. Ergebnis: In Gegenden, in denen Menschen oft oder sogar dauerhaft hohen Stickstoffdioxidwerten ausgesetzt sind, war die Sterberate um 0,4 Prozent erhöht. Bei 100 Mikrogramm Stickstoffdioxid in der Luft steigt die Sterberate sogar um vier Prozent an.

Betroffen sind davon besonders Städte und Ballungsgebiete - hier ist die Verkehrsdichte hoch, gerade auch in Berlin. Zweites Studienergebnis: Auch Menschen, die den Gasverbindungen nur wenige Tage ausgesetzt waren, starben häufiger an Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen. Vor allem ab einer Belastung von sechs Tagen am Stück steige die Lebensgefahr rapide, so die Forscher. Gefährdet sind also nicht nur Asthmatiker, sondern alle Menschen, die stark stickstoffhaltiger Luft ausgesetzt sind.

Gift aus dem Auspuff

Besonders bei der Verbrennung von Benzin und Diesel werden Stickstoffoxide freigesetzt. Schon mehrfach hat die europäische, wie auch die deutsche Politik mit der Herabsetzung von Grenzwerten versucht, auf diese Gasquelle Einfluss zu nehmen: 2010/11 wurde im Zuge der Umstellung von der Euro5- auf die Euro6-Norm der Grenzwert von 80 auf 60 Mikrogramm Stickoxide herabgesetzt. Ursprünglich war sogar eine Senkung auf 40 Mikrogramm geplant - was auch der gesundheitlichen aktuellen Verträglichkeitsgrenze entsprechen würde. Dazu kam es aber nie.

In anderen europäischen Ländern reagierte man - bislang erfolgreich - mit der sogenannten Citymaut auf die Abgasballung in den Großstädten. Zum Beispiel konnten in den Citymautstädten London und Stockholm die Abgasbelastungen durch Autos um 13 bis 20 Prozent gesenkt werden. Auch die mit den Stickoxiden zusammenhängende Feinstaubbelastung ging zurück.

Atemluft ist schwer zu schützen

In Berlin soll der Luftreinhalteplan für eine Senkung der Belastung sorgen - der aktuelle gilt noch bis 2017, dann werden die bisherigen Maßnahmen überprüft. Bisher konnte man den Grenzwertüberschreitungen damit jedoch nicht Herr werden. Zu den Maßnahmen gehören zum Beispiel LKW- und Busleitpläne, die Förderung emissionsarmer Fahrzeuge oder auch die Pflanzung von Laubbäumen. Diese Bäume und auch viele Pflanzen können die Stickstoffoxide nämlich aufnehmen und vor allem in den Blättern verwerten bzw. einlagern.
 
Selbst kann man sich kaum vor den Gasverbindungen schützen - zwar können Masken das Einatmen von Feinstaub und Stickstoffoxiden bedingt verhindern, diese müssten dann aber überall und ständig getragen werden, was kaum umsetzbar ist. Einen guten Beitrag für die Gesundheit kann trotzdem weiter jeder leisten, der soweit möglich auf das Auto verzichtet. Und das gilt in mehrfacher Hinsicht: Denn wer öfter mal läuft oder das Rad für die vielen kleinen Wege nutzt, tut seinem Körper eben auch durch Bewegung Gutes.

Beitrag von Lucia Hennerici