Mann schaut während des Trainings auf sein Smartphone, auf dem eine Gesundheitsapp installiert ist (Quelle: imago/Westend61)
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App statt Arzt? - Was Gesundheits-Apps können - und was nicht

Ob Dating, Wohnungssuche oder Sport - für alles gibt es die passende App. Auch im Gesundheits-Bereich kann man inzwischen aus mehreren hunderttausend Apps auswählen. Aber was können die Apps wirklich und woran erkennt man, wie seriös sie sind?

Gesundheits-Apps können helfen Erkrankungen vorzubeugen, zu erkennen oder medizinische Behandlungen zu ergänzen. Es gibt Schrittzähler, Apps zur Rauchentwöhnung und Anwendungen, die pflegende Angehörige unterstützen sollen - das Angebot ist groß. Was jedoch bisher fehlt, ist eine staatliche Prüfstelle für solche Apps.

Der Google-Play-Store beispielsweise unterscheidet zwischen den Kategorien "Medizin" und "Gesundheit & Fitness". Egal welcher Kategorie eine App zugeordnet ist, sie gilt nur dann als Medizinprodukt, wenn der Hersteller seiner Software selbst einen medizinischen Zweck zuweist. Nur dann muss die Anwendung, entsprechend des Medizinproduktgesetzes, ein sogenanntes Konformitätsverfahren durchlaufen. Anschließend erhält sie eine CE-Kennzeichnung, noch bevor sie auf den Markt kommt. Anders als man vermuten könnte, sagt dies jedoch nichts über die Qualität oder den Nutzen einer App aus.

Das Kleingedruckte: Benutzen auf eigene Gefahr

Grundsätzlich gilt: Neben einem möglichen Risiko bezüglich des eigenen Datenschutzes, können die Anbieter im Zweifelsfall nicht haftbar gemacht werden, falls Messungen oder Diagnosen fehlerhaft sind. Anbieter sichern sich durch entsprechende Hinweise, wie "For entertainment purposes only", im Haftungsausschluss ab. Wer also beispielsweise mithilfe von Handy und App seinen Blutdruck misst oder orthopädische Übungen macht, tut dies auf eigene Gefahr.

Die Risiken dabei können vielfältig sein, betont Professor Alexander Beck, Präsident des Kongresses der Orthopäden und Unfallchirurgen (DKOU): "Werden diese App-basierten Anwendungen ohne fachmännische Begleitung durch einen Physiotherapeuten ausgeführt, können sich Beschwerden noch weiter verstärken". Derzeit könnten Orthopäden und Unfallchirurgen daher keine Empfehlung für orthopädische Apps aussprechen, so Beck weiter. Mediziner aus anderen Bereichen dürften das ähnlich sehen.

Aus Becks Sicht könnten Apps derzeit daher höchstens eine unterstützende Funktion einnehmen. Zum Beispiel dann, wenn Patienten von Ärzten oder Therapeuten bereits passende Übungen gezeigt bekommen hätten oder wenn es darum gehe, die allgemeine Fitness zu verbessern.

Positive Bewertungen gleich gute App?

Wer nach einer passenden Gesundheits-App für sich sucht, entscheidet meist nach guten Bewertungen und Kommentaren sowie der Downloadzahl. Leider ist es für Anbieter sehr leicht, diese Kriterien zu manipulieren. Obgleich es illegal ist, können Hersteller positive Bewertungen und Kommentare einfach kaufen. Negative Kommentare dagegen könnten auch von einem Konkurrenten stammen.

Auf solche Bewertungen ist daher nur sehr bedingt Verlass. Worauf sollte man also achten? Statt sich nur auf anonyme Kommentare im App-Store zu verlassen, ist es empfehlenswert, die eigene Ärztin, Verwandte, Freunde oder andere Betroffene zu fragen, ob sie schon Erfahrungen mit einer App gesammelt haben und, warum sie die Anwendung empfehlen können - oder eben nicht. Ergänzend dazu, hilft die folgende Checkliste aus einer Studie des Universitätsklinikums Freiburg, eine App zu finden, die weder die eigene Gesundheit noch die eigene Privatsphäre gefährdet.

App-Checkliste

Was kann die App?

Es ist wichtig, die Funktionen und den Nutzen abzuwägen, den man aus einer App erzielt, sprich: Brauche ich die App wirklich?

Funktioniert die App, wie sie es verspricht und ankündigt?

Eine gute App sollte intuitiv verständlich und einfach anwendbar sein. Mit anderen Worten: Eine gute App lässt sich nicht falsch anwenden, weil die Entwickler mögliche Anwendungsfehler bereits im Entwicklungsprozess erkannt und gebannt haben.

Kann ich die App uneingeschränkt nutzen?

Ist die App in der eigenen Muttersprache verfügbar, beziehen sich mögliche Gesundheitsinformationen auf das Land, in dem man lebt, braucht die App immer einen Internetzugang, ist sie mit dem eigenen Smartphone kompatibel?

Was oder wie muss ich für die App zahlen?

Werden Anzeigen in der App geschaltet, die eigenen Daten zu Marktforschungszwecken genutzt, ist die App nur temporär kostenfrei als Testversion verfügbar, sind bestimmte Funktionen nur gegen Bezahlung nutzbar?
 
Kann ich dem Anbieter der App vertrauen?

Was weiß man über den Anbieter und seine Motive? Gibt es wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirksamkeit der App? Gibt es regelmäßige Updates? Ist der Anbieter für Rückfragen, bei Fehlern oder für Anregungen einfach erreichbar? Wird offengelegt, wie die App finanziert wurde (z.B. über Sponsoren oder Kooperationspartner)?

Kann ich der App meine persönlichen Gesundheitsdaten anvertrauen?

Fragt der Anbieter nur Daten ab, die für die Funktion der App notwendig sind und macht transparent, wofür diese verwendet werden? Werden die Daten an Dritte weitergegeben? Gibt es Sicherheitsvorkehrungen, wie Identifizierungsverfahren via Passwort und Nutzername? Werden die Gesundheitsdaten verschlüsselt auf dem Gerät gespeichert, damit sie auch bei Verlust oder Diebsstahl gesichert sind? Wie lange werden die Daten gespeichert? Werden die Daten nur verschlüsselt über eine sichere Verbindung versendet?

Beitrag von Ariane Böhm

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