Interview l Equipment für die Regelblutung - Tasse statt Tampon: Für wen taugt die Menstruationstasse?

Sie heißen Mooncup, Bloodmilla, LadyCup oder MyLily - Menstruationstassen gibt’s schon gut ein halbes Jahrhundert, aber Themen wie Nachhaltigkeit und Müllvermeidung haben sie zu Trendprodukten gemacht. Die wiederverwendbaren Becher aus Kunststoffen machen besonders dem Tampon Konkurrenz. Für wen die Tasse taugt und für wen nicht, hat die rbb Praxis mit Gynäkologin Dr. Sybille Görlitz-Novakovic aus Berlin-Charlottenburg besprochen.

Menstruationstassen kommen oft spielerisch bunt daher in Sachen Optik - tatsächlich muss die Nutzerin aber einiges wissen, um sie anwenden zu können. Beispielsweise die richtige Größe - die hängt von der Länge der Scheide, bzw. Lage des Muttermundes, dem Körperbau, den Beckenbodenmuskeln, dem Alter und eventueller Mutterschaft ab. Um sie zu ermitteln ist schon mal Ertasten gefragt.
 
Zum Einführen wird die weiche Tasse dann gefaltet - das Netz macht da viele gute (Video-) Vorschläge zum Nachahmen. Und beim Entleeren hilft es auch, wenn man beim Anblick von Blut nicht gleich umkippt. Welche Vorteile haben Menstruationstassen? Was sollte bei der Benutzung beachtet werden? Und wer sollte sie aus medizinischer Sicht meiden oder besonders vorsichtig sein?

Frau Dr. Görlitz-Novakovic, die Menstruationstassen gibt es ja schon sehr lange, erleben aber gerade einen kleinen Hype - wie macht sich das aus Ihrer Erfahrung bemerkbar in der Praxis?
 
Naja, es ist eine ganz  bestimmte Altersgruppe, die sich für die Menstruationstasse interessiert: Das sind in der Regel die Patientinnen in den 20ern und 30ern. Da gibt es auch mal jüngere und mal ältere, aber es ist eine Generation, die schon ein bisschen mit ihrem Körper vertraut ist und vor allem sind es in der Regel Patientinnen, die ein Alter haben, in dem man sich viel Gedanken über Nachhaltigkeit macht. Das ist für mein Empfinden so ein Hauptpunkt, warum man sich für die Menstruationstasse entscheidet, das kommt immer im Gespräch.

Welche Fragen kommen da auf?
 
Also in der Regel sind das Patientinnen, die von sich aus schon sehr gut informiert sind - die reden mit ihren Freunden darüber, die lesen viel im Internet und tatsächlich ist es so, dass sie viel über Nachhaltigkeit und Müllvermeidung nachdenken und dann auf die Idee kommen, etwas dazu beizutragen.
 
Und tatsächlich ist es so - ich habe mich auch viel umgesehen - da gibt es so viele gute Anleitungen, da braucht es gar nicht so viele Fragen an den Frauenarzt. Welche Größe brauche ich? Wie falte ich die zusammen? Das ist großartig, was da das Internet bietet. Und dann ist es eher so, dass die Patientinnen mir das von allein erzählen. Und rund 80 Prozent sagen mir dann: Ich wollte das für mich mal ausprobieren und sehe da einen großen Vorteil.

Welche Vorteile Beschreiben denn Ihre Patientinnen?
 
Ich höre, dass sie seltener gewechselt werden muss - sie hält wirklich viele Stunden aus, die Menstruationstasse. Dann gibt es Patientinnen, die finden, sie haben weniger Beschwerden während der Regel, anders als beim Tampon. Medizinisch kann ich das allerdings nicht erklären - ich meine: Beides ist ein Fremdköper, Tasse oder Tampon.

Gibt es auch medizinisch Gründe, aus denen Sie die Tasse empfehlen?
 
Das was mir einleuchtet - und da empfehle ich die Menstruationstasse auch von mir aus - wenn jemand eher ein Problem mit der Haut hat, generell eine sehr trockene Haut hat und zu Jucken neigt. Denn der Tampon saugt jede Flüssigkeit weg, nicht nur Blut. Das sind oft Patientinnen, die auch ein Fremdkörpergefühl mit dem Tampon haben. Für diese Patientinnen ist die Menstruationstasse oft besser, weil die ja eine Art kleines Auffangreservoir ist, was aber nicht die Schleimhäute trocken saugt. Jemandem mit Hautproblematik empfehle ich die deshalb auch von alleine.
 
Und was ich auch interessant finde: Die Patientinnen berichten mir darüber, dass sie ein anderes Körpergefühl haben durch die Tasse: Sie sehen z.B., wie viel Blut sie verlieren - aber das ist natürlich nur was für Menschen, die sehr bewusst mit sich und ihrem Körper sind.

Gibt es eine Gruppe, bei der Sie zur Vorsicht raten würden?
 
Naja, grundsätzlich muss man sagen: Der Tampon ist auch nicht schlecht und meine Generation, in den 40ern, denkt oft: Never change a winning Team. Die suchen gar nicht nach einer Alternative. Aber ein Punkt ist: Man muss die Menstruationstasse gut sauber machen und das ist vielen zu mühsam, gerade wenn sie unterwegs sind, im Zug usw., dazu gibt es viele Patientinnen, die Blut eher ekelig finden und die wollen nicht damit in einer Tasse hantieren. Das ist eine Typsache.

Medizinisch - gibt es Gründe eher abzuraten?
 
Das muss man im Zweifel ausprobieren: Wenn jemand sehr eng gebaut ist, dann kann es so sein, dass die kleine Tasse sich unangenehm anfühlt.
 
Was tatsächlich oft diskutiert wird, ist die Kombination aus Spirale und Menstruationstasse. Da gibt es weder auf den Beipackzetteln der Spiralen, noch der Menstruationstassen irgendwelche Einschränkungen, aber aus der Erfahrung heraus muss man sagen: Beim Entnehmen der Tasse, die vor dem Eingang der Gebärmutter liegt, muss man ja mit dem Finger den Sog, den Unterdruck, lösen. Und am Eingang der Gebärmutter hängt auch der kleine Faden der Spirale. Wenn das blöd laufen sollte oder der Faden sich verheddert oder man den Sog schlecht löst, kann man sich beim Entfernen der Menstruationstasse die Spirale gleich mit rausziehen.
 
Ich habe mehrere Patientinnen, denen das passiert ist. In vielen Foren wird einfach oft gesagt, das würde nicht passieren - es geht theoretisch auch beides, Tasse und Spirale, aber man muss eben aufpassen, denn wenn man sich mit der Tasse die Spirale rauszieht, ist das extrem ärgerlich. Die Spirale kostet ja auch einiges, ein paar hundert Euro, das Einsetzen ist auch nicht wahnsinnig angenehm - darum rate ich den Frauen, dass sie sehr vorsichtig sein müssen.

Die Hygiene ist bei den Tassen ja ein wichtiges Thema, gerade weil sie immer wieder eingesetzt werden. Gibt es Gruppen von Patientinnen, für die das problematisch sein könnte?
 
Es gibt viele genaue Anleitungen, wie man das tun muss. Viele meiner Patientinnen haben auch mehrere zum Wechseln. Aber wenn das jetzt jemand wäre, der zu Genitalinfektionen neigt, dann ist es möglicherweise nicht das Richtige, eine Menstruationstasse zu empfehlen.

Gerade wenn Patientinnen sich online informieren findet sich schnell der Begriff des Toxischen Schocksyndroms (TSS), also einer Infektion mit den Keimen Staphylococcus aureus oder Streptokokkus pyogenes, die sehr selten auftritt, wenn z.B. der Tampon extrem lange, über Tage, getragen wird. Wie  schätzen Sie die Gefahr bei der Tasse ein?
 
Also ich kenne keine Studien, die nahelegen, dass die Menstruationstasse da ein größeres Risiko wäre, als der Tampon. Letztlich meine ich: Es ist ähnlich. Im Blut können sich auch Bakterien sammeln und das ist immer eine Frage der Hygiene. ich schätze: Wenn eine Patientin fünf Tage die Tasse nicht wechseln würde, weil sie vielleicht so wenig Blutungen hat, dass das in die Menstrautionstasse passt, dann kann ich mir auch vorstellen, dass sich da etwas entwickelt. Man muss einfach eine bestimmte Hygiene einhalten.

Nun hat man ja auch naturgemäß große Pausen zwischen den Regelblutungen. Wie ist das hygienisch mit der Lagerung?
 
Wenn die Menstruationstasse gut gereinigt ist und sauber gelagert wird, ist das kein Problem. Das Mundstück einer Nuckelflasche z.B. ist ja aus ähnlichem Material und auch das kann man ja nach der Reinigung einen Monat in die Schublade legen.
 
Nun behaupten Hersteller, dass die Tassen Jahre lang angewendet werden können - ich frage mich, habe in der Hinsicht aber keine eigene Erfahrung, ob es dann irgendwann dazu kommt, dass die Tasse einen Geruch annimmt. Bei älteren Patientinnen ist das manchmal beim Scheidenpessar der Fall, das aus ähnlichem Material ist. Aber meine Patientinnen berichten davon jedenfalls nichts.
 
[Anm. d. Red.: Das hier gemeinte Scheidenpessar wird zur Linderung von Beschwerden bei Scheiden- oder Gebärmutterabsenkung verwendet. Einige Modelle werden nach sechs bis acht Wochen gewechselt.]

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Görlitz-Novakovic.
Das Interview führte Lucia Hennerici

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