Hausarzt beim Hausbesuch (Quelle: imago/photothek)
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Ärztemangel in Brandenburg - Raus aufs Land

Seit Jahren fehlen Ärzte in den ländlichen Gebieten Brandenburgs. Auf einen Termin beim Augen- oder Hautarzt warten die Brandenburger oft viele Wochen oder sie müssen in die nächste Stadt fahren. Wie es dazu kommen konnte, was der aktuelle Stand in der ärztlichen Versorgung ist und was man in Brandenburg zukünftig dagegen tun will, darüber hat die rbb Praxis mit Andreas Schwark gesprochen.

Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburgs sieht als Hausarzt in Bernau selbst Patienten.

Herr Schwark, wie ist der Ärztemangel überhaupt entstanden? Vor 25 Jahren hatten junge Mediziner Schwierigkeiten, eine Facharztausbildung zu bekommen – heute fehlen diese Ärzte.

Von einem Ärztemangel können wir mit Blick auf die Zahlen nicht sprechen! Seit 2010 ist die Zahl der ambulant tätigen Ärzte in Brandenburg um knapp 12 Prozent gestiegen.

Aber wenn die Patienten auf Termine warten müssen, stimmt doch was nicht.

Die Patienten werden älter, haben oft Mehrfacherkrankungen und sind somit behandlungsintensiver. Und es wird immer mehr ambulant behandelt.

Dann gibt es am Ende doch zu wenige Ärzte für den bestehenden Bedarf?

Das stimmt punktuell. In manchen Arztgruppen und manchen Regionen fehlen uns Ärzte.

Wo sind denn die vielen Mediziner? Immerhin gehört das Studium zu den beliebtesten Ausbildungen überhaupt.

Die Anzahl der Studienplätze ist nach der Wende bundesweit um etwa 20 Prozent gestiegen. Wir brauchen aber noch mehr Studienplätze, um noch mehr Ärzte auszubilden; geeignete Bewerber gibt es in der Tat genug. Nach dem Studium wartet allerdings das nächste Problem: Die Facharzt-Ausbildung lastet zu einseitig auf den Krankenhäusern. Deshalb bilden wir in Brandenburg seit vielen Jahren angehende Fachärzte im ambulanten Bereich aus. Dabei unterstützen uns rund 200 niedergelassene Ärzte, beispielsweise aus der Allgemeinmedizin aber auch der Augenheilkunde sowie der Kinder- und Jugendmedizin.

Im Mai 2018 hat die KV Brandenburg aktuelle Daten veröffentlicht. Demzufolge nimmt die Zahl der Praxen leicht ab, insgesamt gibt es aber mehr Ärzte. Wie ist das zu erklären?

Der medizinische Nachwuchs will heute zwar zu 100 Prozent arbeiten – aber nur 8 Stunden am Tag. Viele junge Kollegen wollen auch erst mal schauen, ob die ambulante Arbeit etwas für sie ist. Sie scheuen die Investitionen in die eigene Praxis – und arbeiten lieber als Angestellte.

Hand aufs Herz – wie viele Ärzte fehlen denn nun aktuell in Brandenburg? Und welche Disziplin wird besonders dringend benötigt?

Derzeit haben wir in Brandenburg 46 offene Sitze, das entspricht grob gesagt einem Prozent. Ein Großteil davon sind Hausärzte. In bestimmten Regionen suchen wir aber auch dringend Haut-, Augen-, Kinder-, Frauen- und HNO-Ärzte.

Haben wir den Peak schon erreicht – oder müssen die Patienten bald noch weiter bis zum nächsten Arzt fahren? Immerhin ist ein Viertel Ihrer Kollegen 60 Jahre und älter.

Es wird wohl noch eine Weile so weiter gehen. Wir haben bereits die Altersgrenze aufgehoben, ab der Ärzte nicht mehr arbeiten dürfen. Deshalb können wir nur schätzen, wann ein Arzt seine Praxis abgeben wird. Wir gehen davon aus, dass wir bis 2020 knapp 120 neue Hausärzte brauchen, um das bestehende Versorgungsniveau zu halten. Um das zu puffern, fördern wir intensiv den Nachwuchs. Mit Erfolg! Von den rund 40 jungen Kollegen, die 2017 ihre Facharztprüfung in Allgemeinmedizin abgelegt haben, sind 30 ambulant im Land Brandenburg tätig, davon nur einer in Potsdam und der Rest übers Land verteilt.

Warum bekommen Sie Ihre Stellen nicht besetzt?

Aus zwei Gründen: Die Leute wollen zwar ein Wochenendhaus auf dem Land, leben möchten sie aber in der Stadt. Ärzte, die in die Niederlassung gehen, sind im Schnitt Mitte 40 und haben Familie. Der Partner will einen guten Job, es geht um Schulen für die Kinder, Freizeitmöglichkeiten und öffentlichen Nahverkehr. Das Land und die Kommunen müssen hier für attraktive Lebensbedingungen sorgen. Das zweite Problem ist Budgetierung der Vergütung unserer ärztlichen Arbeit. Wir müssen dem Nachwuchs ehrlich sagen: Ihr arbeitet mehr im ambulanten Bereich, bekommt das aber teilweise nicht bezahlt. Die Politik muss endlich die Budgets abschaffen – und zwar zuerst in den ländlichen Regionen.

Welche Anreize bieten Sie Ärzten aktuell, damit sie zu Ihnen nach Brandenburg kommen?

Im vergangenen Jahr sind über 7,5 Millionen Euro in die Unterstützung junger Kollegen und Medizinstudenten geflossen. Wir fördern beispielsweise Famulaturen und Praktika oder unterstützen Ärzte finanziell, die sich in der Weiterbildung zum Facharzt befinden. Kollegen bestimmter Fachrichtungen, die sich in Förderregionen niederlassen, erhalten einen Zuschuss von bis zu 55.000 Euro, der hälftig aus den Honoraren der ambulant tätigen Ärzte und von den Krankenkassen finanziert wird. Wichtig ist, dass wir die jungen Ärzte individuell fördern und das Geld nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilen.

Müssten Sie nicht noch viel früher ansetzen, um die jungen Leute aufs Land zu bekommen?

In der Tat, frühe Förderung, am besten schon während der Ausbildung, ist der beste Weg, um den medizinischen Nachwuchs davon zu überzeugen, wie attraktiv es ist in Brandenburg ambulant tätig zu sein. Dafür kooperieren wir eng mit der Medizinischen Hochschule Brandenburg und der Berliner Charité, bieten Seminare und Vorlesungen an und laden die Studenten zu uns nach Brandenburg ein. 

Wie wird es zukünftig außerhalb von Berlins Stadtgrenzen weiter gehen?

Das, was wir bislang tun – individuelle und frühe Förderung – werden wir konsequent weitermachen. Wenn sich die Ärztezahlen auch zukünftig so positiv entwickeln wie in den vergangenen Jahren, müssen wir uns keine grundsätzlichen Sorgen machen. Auf Grund der Komplexität der ambulanten medizinischen Versorgung kann es natürlich immer wieder zu nicht vorhersehbaren, lokalen Engpässen kommen. Darauf müssen wir dann gemeinsam mit den Ärzten vor Ort und der Politik reagieren.

Es gibt immer noch viele Mediziner, die am Ende andere Berufe gewählt haben – auch weil sie keinen passenden Platz für die Facharztausbildung bekommen haben. Welche Chance haben sie, in die Medizin zurückzukehren?

Unsere Erfahrung zeigt, dass sich nur wenige Ex-Mediziner für die kurative ärztliche Tätigkeit begeistern können, wenn sie erst mal einen anderen Job angenommen haben, beispielsweise in der Pharmaindustrie, als Consultant oder Medizinjournalist. Aber wer zurückkommen möchte, ist natürlich herzlich willkommen!

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schwark!
Das Interview führte Constanze Löffler.

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