Wasserflaschen aus Plastik (Bild: imago images/blickwinkel)
Bild: imago images/blickwinkel

Erforschung des Langzeitrisikos - Wasser aus Plastikflaschen: Harmlos oder gefährlich?

Flaschen aus Plastik sind leicht, handlich und es gibt sie in jedem Supermarkt. Aber: Das wars mit den Vorteilen, denn wer aus Plastikflaschen trinkt, nimmt nicht nur Mineralwasser zu sich, sondern oft auch Mikroplastik. Schlecht für die Umwelt – und auch für unseren Körper?

Mikroplastik, das sind winzige Kunststoff-Teilchen, oft kleiner als ein rotes Blutkörperchen. Sie lösen sich beim Autofahren vom Reifen, beim Waschen von Klamotten oder können beim Trinken aus Plastik-Flaschen in unseren Körper gelangen. Auch in Bier, Honig und Meersalz konnten Forscherinnen und Forscher übrigens bereits Mikroplastik feststellen. Wir essen und trinken also Plastik.

Als esse man eine Kreditkarte pro Woche

Aber wie viel Gramm Mikroplastik nimmt ein Mensch in einer Woche durch Essen und Trinken zu sich? Durchschnittlich fünf Gramm, also etwa das Gewicht einer Kreditkarte, schätzt ein Team von Forscherinnen und Forschern der University of Newcastle in Australien. Die Ergebnisse basieren auf einer Studie, die von der Umweltschutzorganisatin WWF beauftragt wurde.

Danach gebe es allerdings starke Unterschiede bezüglich der Mikroplastikmenge – je nach Wohnort, Alter, Größe und dem Lifestyle einer Person. Europäisches Trinkwasser enthalte z.B. deutlich weniger Mikroplastik als indisches oder amerikanisches.

Frage der Flasche: Einweg- oder Mehrweg?

Wasser gibt es in Einweg- und Mehrweg-Plastik- und aus Glasflaschen. In Sachen Umweltbilanz liegen Glas-Mehrwegflaschen vorn – vorausgesetzt das Wasser kommt aus einem Brunnen aus der Region. Wie sieht es mit den Mikroplastikwerten aus?

Die Lebensmittelchemikerin Darena Schymanski von der Universität Münster hat im Jahr 2018 in Kooperation mit dem Chemischen Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher Lippe 38 Mineralwasser aus Mehrweg- und Einwegflaschen aus PET, aus Glasflaschen und Getränkekartons auf Mikroplastik untersucht. In jeder ihrer Proben fand sie Kunststoff-Partikel.

Abrieb durch Nutzung oder Lagerung?

Die meisten Partikel fand sie in Kunststoff-Mehrwegflaschen; in Einwegflaschen und Getränkekartons waren es deutlich weniger. Die Forscherin vermutet, dass es sich bei den Mehrweg-PET-Flaschen um einen Abrieb oder ein Herauslösen von winzigen Stückchen der Flaschen und Deckel handele.

Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) vermutet, dass bei der "Reinigung und Wiederbefüllung der Mehrwegflaschen" die Kontaminierung mit Mikroplastik erfolgen könne. Daneben kann auch die UV-Strahlung, von z.B. Sonnenlicht, die Zersetzung von Plastik(-flaschen) fördern.

Hintergrund

Was ist Mikroplastik?

Es gibt keine allgemeingültige Definition. In der Regel sind Kunststoffe oder Polymere gemeint. Sie lassen sich unterteilen in hitzesensible Thermoplaste (z. B. Polyethylen, Polypropylen, Poly-vinylchlorid), stabile Duroplaste (z. B. Kunstharze und Polyurethane) und Elastomere (z. B. Gummi und Kautschuk). Oft gilt eine Partikelgröße unterhalb von fünf mm als Obergrenze und 100 nm oder 1 μm als Untergrenze.
Quelle: Umweltbundesamt

Einweg oder Mehrweg: Testergebnisse unterschiedlich

"In 27 von 61 Wässern aus PET-Plastikflaschen fand das Labor antimonhaltiges Mikroplastik. Das sind gut 44 Prozent" so das Ergebnis von Ökotest.

Die Zeitschrift Ökotest untersuchte im Mai 2020 ebenfalls Mineralwasser aus Flaschen – mit einer anderen Methode und einem anderen Ergebnis: Die Menge an Mikroplastik war in stillen Wässern aus PET-Einwegflaschen am höchsten.

Zwar fanden sich auch bei Wasser aus PET-Mehrwegflaschen in knapp der Hälfte der untersuchten Proben Mikroplastik-Partikel, allerdings in geringerer Konzentration als bei den Einwegflaschen. Aufgrund der geringen Menge untersuchter PET-Mehrwegflaschen räumt Ökotest ein, dass hier weiterer Forschungsbedarf bestehe.

Insgesamt waren die festgestellten Partikelzahlen bei der Forscherin Darena Schymanski deutlich geringer als bei der Untersuchung von Ökotest, was vermutlich an den verschiedenen Methoden liegt.

Mikroplastik auch in Glasflaschen?

Auch in einigen Glasflaschen war die Menge an Mikroplastik relativ hoch – zumindest bei der Untersuchung von Darena Schymanski: "Woher das Mikroplastik aus den Glasflaschen stammt, können wir bisher nur ahnen. Hier wäre eine Stufenkontrolle der Prozesse vom Brunnen bis zur Abfüllung sinnvoll, um Eintragsquellen auszumachen", so die Forscherin zu ihren Ergebnissen in einem Interview der Uni Münster.

Und bei Ökotest? "Mineralwasser aus Glasflaschen war erwartungsgemäß frei von antimonhaltigen Partikeln. Denn Glas enthält kein Antimon. Andere Mikroplastikpartikel können aber theoretisch auch in Mineralwasser in Glasflaschen vorkommen, etwa aus den Deckeln oder aus Rohren, durch die das Wasser in der Produktion läuft", heißt es von Ökotest – diese anderen Mikroplastik-Partikel wurden von der gewählten Untersuchungsmethode allerdings nicht berücksichtigt. Die unterschiedlichen Ergebnisse von Ökotest und der Universität Münster hängen daher auch mit den jeweils gewählten Untersuchungsmethoden zusammen.

Lieber aus der Leitung

Obwohl der Name etwas anderes suggeriert: Nur wenige Mineralwässer sind reich an Mineralstoffen. Wer sich z.B. vegan ernährt und mittels Wasser Calcium zu sich nehmen möchte, sollte auf einen Wert von über 150 mg pro Liter achten, rät die Verbraucherzentrale Brandenburg. Aber auch Gemüse - z.B. Grünkohl oder Brokkoli, Rucola-Salat, Mandeln und Haselnüsse - ist reich an Calcium.

Leitungswasser ist als Durstlöscher eine gute und günstige Alternative zu Mineralwasser. Das Wasser aus dem Hahn ist schadstoffarm und wird ständig kontrolliert, oft sogar täglich. Frei von Mikroplastik ist Leitungswasser zwar auch nicht, aber Wissenschaftler fanden darin bisher deutlich weniger Kunststoffpartikel als im abgefüllten Trinkwasser.

Was macht Mikroplastik mit uns?

Woher das Mikroplastik im Trinkwasser genau stammt, gilt als noch nicht ausreichend erforscht. Menschen können Plastikpartikel z.B. über die Luft, das Trinkwasser, Lebensmittel und Kosmetik aufnehmen. Über welche Wege am meisten in den Körper gelangt, ist noch nicht geklärt.

Auch was Mikroplastik in unserem Körper macht, ist wissenschaftlich bislang nicht erforscht. Wir wissen, dass Plastikpartikel, die größer als 150 Mikrometer sind, ähnlich wie Sandkörner vom Körper über den Darm wieder ausgeschieden werden können. Ein Großteil der Plastikpartikel in Trinkwasser ist jedoch deutlich kleiner und sie verhalten sich entsprechend anders im Körper.

Eingang in den Blutkreislauf?

"Laut der europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) ist es sehr wahrscheinlich, dass Partikel mit einer Größe unter 150 Mikrometer die Darmbarriere grundsätzlich überwinden könnten" so das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Partikel, die wiederum kleiner als 1,5 Mikrometer sind, könnten der EFSA zufolge im Körper verteilt werden, sprich in den Blutkreislauf gelangen.

Erste Untersuchungen des BfR zur oralen Aufnahme von Mikropartikeln ergaben keine Hinweise darauf, dass diese das Darmgewebe schädigen. Allerdings ist bekannt, dass sich bestimmte Umweltgifte an Plastikpartikel anheften oder in diese eingelagert werden können. Bisher sei nicht erforscht, ob diese Gifte im Körper dann wieder freigesetzt werden können, heißt es in einem Artikel des BfR.

Entzündungsreaktionen durch Mikroplastik

Andere erste Forschungsarbeiten deuten darauf hin, dass die Partikel zu Entzündungsreaktionen führen können. Auf diese Weise reagiert der Körper auf Fremdkörper. Und: Chronische Entzündungen gelten u.a. als Triggerfaktoren für Krebs.

So hat das deutsche Umweltbundesamt (UBA) in einer Studie humane Zelllinien aus Haut, Lunge und Leber untersucht. Plastikpartikel von unter einem Mikrometer konnten nachweislich in die Zellen eindringen und Entzündungsreaktionen in Haut und Lunge verursachen. Die bei der Studie vorliegenden Konzentrationen seien jedoch bei weitem höher gewesen, als dies in Trink- oder Oberflächenwasser erreicht würde.

Wie gefährlich ist Mikroplastik denn nun?

Diese Frage lässt sich abschließend nicht beantworten. Immerhin: Nach dem derzeitigen Wissensstand ist dem BfR zufolge "nicht davon auszugehen, dass von den Plastikpartikeln in Lebensmitteln gesundheitliche Risiken für den Menschen ausgehen."

(Mikro-)Plastik so gut es möglich ist aus dem Alltag zu streichen und durch nachhaltigere Alternativen zu ersetzen lohnt sich aber in jedem Fall – nicht nur für die eigene Gesundheit, sondern auch für die Umwelt.

Beitrag von Ariane Böhm

Weitere Beiträge

Mann hält sich Bauch (Bild: imago images/Panthermedia)
imago images/Panthermedia

Interview | Morbus Crohn - Chronisch krank - trotzdem glücklich

Heftige Bauchschmerzen, dazu Durchfall – und das über Tage und Wochen. Typisch Morbus Crohn. Doch die chronisch-entzündliche Darmkrankheit bleibt oft lange unentdeckt. Fast sieben Jahre dauert es auch bei Eva Maria Tappe bis zur Diagnose. Nochmal drei Jahre, bis sie ihre Krankheit akzeptieren kann. Heute unterstützt sie mit ihrem Verein "Chronisch Glücklich e.V." andere chronisch Erkrankte auf ihrem Weg, wieder ein glückliches Leben zu führen.

Junge Frau nimmt eine Tablette ein (Quelle: imago/Peter Widmann)
imago/Peter Widmann

60 Jahre Verhütung durch Pille - Für wen taugt welche Pille: Vorteile und Risiken

Vor 60 Jahren kam in den USA die Pille auf den Markt, kurz danach war sie unter dem Namen "Anovlar" auch in Deutschland verfügbar. Heute nutzen Frauen die Pille tendenziell immer weniger zur Verhütung - nicht nur weil smarte Helfer den Zyklus zugänglicher und damit auch ohne Pille kontrollierbarer erscheinen lassen, sondern auch, weil Nebenwirkungen immer mehr in den Fokus der Nutzerinnen rücken. Und in der Tat: Die Pille birgt Risiken - und zwar sehr individuell unterschiedliche. Ein Überblick.