Computertomographie (Bild: imago/Science Photo Library)
Bild: imago/Science Photo Library

Interview l Studie zu Diagnoseverfahren - Herzuntersuchung: Katheter vs. Computertomographie?

Herz-Kreislauferkrankungen gehören in Deutschland zu den häufigsten Todesursachen, auch wenn die Sterblichkeitsraten sinken. Das liegt auch an guter Diagnosetechnik. Gefragt ist vor allem die Herzkatheteruntersuchung: In Deutschland wird sie im Schnitt drei Mal häufiger durchgeführt, als in anderen Ländern - bei etwa gleichen Sterblichkeitsraten. Kathetern wir zu viel?

Eine Studie an der Berliner Charité zeigt nun: Oft wäre eine Computertomographie (CT) das bessere und schonendere Mittel. Wir haben den Studienautor Robert Haase befragt.
 
Schmerzen in der Brust - für die meisten Menschen sind sie ein Alarmsignal. Zu Recht, denn es kann eine gefährliche koronare Herzerkrankung dahinter stecken. Dabei sind die feinen Herzkrankgefäße verengt oder verstopft. Folge: Der Herzmuskel wird schlechter durchblutet. Schlimmstenfalls droht der Herzinfarkt. Um das zu klären und zu einer Diagnose zu kommen, wird in Deutschland vor allem der Herzkatheter eingesetzt. Das feine Gerät wird meist von der Leiste aus bis zum Herzen vorgeschoben. Immer wieder zeigen Röntgenbilder dann, was der Katheter durch sein Kontrastmittel an den feinen Gefäßen sichtbar macht. Das Verfahren gilt als minimalinvasiv, aber es kommt auch immer wieder zu Nebenwirkungen.
 
Seit mehreren Jahren wird an der Berliner Charité in einer großen Studie erforscht, inwieweit und für welche Fälle die Computertomographie eine schonendere Alternative sein kann.

Herr Haase, welche Vorteile bringt denn überhaupt die CT-Untersuchung?
 
Der große Vorteil des CT besteht gar nicht mal für die Patienten, die tatsächlich eine koronare Herzerkrankung haben, sondern für die, die einen Verdacht auf diese Erkrankung haben, der jedoch nicht hoch ist. Wo es also darum geht, dass die Erkrankung primär ausgeschlossen werden muss. Das ist eine häufige klinische Fragestellung, die man mit dem CT sehr gut und sehr sicher beantworten kann und wovon die Patienten profitieren würden – eben weil sie um eine invasive Herzkatheteruntersuchung herum kommen würden.

Was haben Sie herausgefunden? Wovon hängt ab, für wen das CT eine gleichwertige Alternative ist? Und welchen Prozentsatz der Patienten mit möglicher koronarer Herzerkrankung betrifft das etwa?

 
Wir haben uns ein Tool zur Hilfe genommen, dass die sogenannte Prätestwahrscheinlichkeit bestimmt. Die Prätestwahrscheinlichkeit drückt aus, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Patient die Erkrankung hat, die man mit einem bestimmten diagnostischen Test untersuchen möchte.  Dazu benötigen wir das Alter der PatientInnen, das Geschlecht und die Beschwerden die sie haben.
 
Diese Daten haben wir auch in der Studie erhoben und herausgefunden, dass eine CT-Untersuchung bei Patienten mit einer Prätestwahrscheinlichkeit zwischen 7 und 67 Prozent, am sinnvollsten ist. Unter 7% Prozent liegt eine andere Ursache als die koronare Herzkrankheit wahrscheinlicher für die Beschwerden zu Grunde und über 67% liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die PatientInnen nach dem CT noch eine Herzkatheteruntersuchung bräuchten bei über 50%. Zwischen diesen beiden Werten ist das CT sehr genau und kann eine koronare Herzerkrankung sehr sicher ausschließen und auch gut diagnostizieren. Das heißt: Man kann sich das Werkzeug, einen sog. Prätestkalkulator, zunutze machen, die Beschwerden schon vor der Untersuchung kategorisieren und dann bestimmen, welcher diagnostische Weg für jeden individuellen Patienten am sinnvollsten wäre.

Nun braucht es ja für ein CT grundsätzlich deutlich weniger Zeit und Manpower, als für die Herzkatheteruntersuchung - heißt das, dass Patienten könnten z.B. den Schmerz in der Brust schneller abklären lassen, wenn mehr auf CT-Diagnose gesetzt würde?
 
Soweit würde ich mich da nicht aus dem Fenster lehnen. Die Studie hat aber auch den Hintergrund, dass wir denken, dass der diagnostische Leitfaden im Rahmen des Managements von Patienten mit Verdacht auf eine koronare Herzkrankheit (KHK) effizienter gestaltet werden kann, in Deutschland aber auch europaweit.
 
Wir wissen, dass über 40 Prozent aller Katheteruntersuchungen diagnostisch sind und demnach durch das CT ersetzt werden könnten, aber ich würde mich anhand unserer Daten nicht so weit aus dem Fenster lehnen wollen, um zu prognostizieren, dass Patienten mit mehr CT-Einsatz schneller an Untersuchungen kommen würden.

Und wie ist das mit der Kostenübernahme durch die Krankenkassen? Die Katheteruntersuchung wird ja übernommen, für das Herz-CT galt das lange nicht.
 
Nein, im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen ist das Herz-CT noch nicht mit drin. Wir hoffen jedoch, dass auch mithilfe unserer Daten sich dieses in Zukunft ändern wird. Unser Projekt wurde durch die DFG und das BMBF gefördert, sodass eine gesellschaftliches Interesse am Thema definitiv vorhanden ist.

Wie erleben Sie das bei den Probanden: Sind die eher froh, wenn Sie "nur" ein CT bekommen und damit Antworten kriegen? Oder wünschen sich mehr doch den Herzkatheter, weil man damit eventuell auch gleich einen Stent einsetzen, also behandeln, kann?
 
Sowohl als auch: Beim Großteil der Patienten, die ein CT erhalten, ist es so, dass die Erkrankung ausgeschlossen werden kann. Und interessanterweise sieht man auch nicht selten im CT Nebenbefunde, die gar nicht am Herzen sind, sondern beispielsweise an Speiseröhre oder am Magen, die als ursächlich für die Beschwerden anzusehen sind.

Dann freuen sich die Patienten natürlich doppelt: Dass sie zum einen um den Herzkatheter herum gekommen sind und die koronare Herzerkrankung trotzdem ausgeschlossen werden konnte und dass trotzdem eine Ursache für ihre Beschwerden gefunden wurde. Das ist natürlich nicht immer so, aber passiert.
 
Das andere Ende ist natürlich, dass die Patienten, die dann tatsächlich etwas haben und primär einen Herzkatheter erhalten haben, auch froh sind dass sie keine doppelte Untersuchung bekommen müssen, sondern gleich im Katheterlabor untersucht worden sind und auch gleich therapiert werden konnten.

Geht Ihre Forschung in der Sache weiter und wenn ja: Was sind die nächsten Schritte?
 
Aus Sicht der Forschung ist es so, dass wir jetzt mit einer weiteren Studie, der DISCHARGE-Studie, einer randomisierten europaweiten Studie, die von der EU gefördert wird, gestartet haben – auch wieder mit der Charité als koordinierendem Zentrum. Da werden Patienten mit Verdacht auf KHK entweder zur Katheteruntersuchung oder dem Herz-CT 1:1  zufällig zugeteilt. Dabei geht es diesmal nicht mehr um die Frage der Genauigkeit der CT-Untersuchung, sondern eben darum, wie effizient das CT auch im Management der Therapie von Patienten ist.
 
Also: Ändert es die Therapie, die Patienten erhalten im Vergleich zu der, die Patienten, die eine Katheteruntersuchung bekommen? Ist es so, dass in der CT-Gruppe der Studie weniger Fälle von Komplikationen und Todesfällen vorkommen – auch wenn das Risiko bei der Katheteruntersuchung gering ist?
 
Das ist eine riesige Studie, die ganz viele dieser klinischen Fragen beantworten kann und wir sind gespannt auf die Ergebnisse.