Gebrochenes Herz (Bild: imago/McPhoto)
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Interview l Tako-Tsubo-Syndrom - Syndrom des gebrochenen Herzens

"Sich etwas zu Herzen nehmen", "Es bricht mir das Herz" oder "Mir fällt ein Stein vom Herzen": Gefühle können die Herzgesundheit direkt beeinflussen. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist das Tako-Tsubo-Syndrom, oder "Syndrom des gebrochenen Herzens". Was dahinter steckt und wie wichtig es ist, das Krankheitsbild ernst zu nehmen, verrät Prof. Dr. Henning T. Baberg, Chefarzt der Klinik für Kardiologie am Helios Klinikum Berlin-Buch.

Was genau versteht man unter einem "Tako-Tsubo-Syndrom"?
 
Darunter versteht man eine akut einsetzende Herzerkrankung, die ähnliche Symptome auslöst wie ein Herzinfarkt oder eine Angina Pectoris. Also Brustschmerzen, Luftnot und Herzstolpern. Allerdings sind bei dieser Erkrankung die Herzkranzgefäße nicht verengt oder verschlossen.

Im Ultraschall oder der Magnetresonanztomographie zeigt sich eine besondere Verformung des Herzmuskels, begleitet von einer Herzschwäche. Die Verformung des Herzens erinnert an die Form einer japanischen Tintenfischfalle, daher der Name des Syndroms.

Was sind typische Auslöser?
 
Was genau zur Verformung des Herzmuskels und der Herzschwäche führt, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Was wir wissen ist, dass es im Körper der Patienten zu einem hohen Spiegel körpereigener Stresshormone, so genannter Katecholamine, kommt. Betroffene haben zuvor häufig eine körperlich oder psychisch sehr belastende Situation wie den Tod es Ehepartners, Verlust des Arbeitsplatzes oder eine starke Schmerzsymptomatik erlebt. Deshalb sprechen wir auch von einer stressinduzierten Kardiomyopathie, also Herzschwäche.

Wie häufig ist diese Erkrankung und wie ist die Verteilung von Frauen bzw. Männern unter den Betroffenen?
 
Die Erkrankung ist ja noch nicht so lange bekannt. Erst 1991 wurde sie erstmalig in Japan beschrieben. Da es bislang keinen eigenen Diagnoseschüssel für das Tako-Tsubo-Syndrom gibt, sind Zahlen schwer zu nennen. Bis 2006 ging man weltweit von rund 700 Betroffenen aus, die meisten davon in Japan.
 
Der Anteil von Frauen wird in der Literatur mit rund 90 Prozent angegeben, was aber auch damit zu tun haben kann, dass die Erkrankung zunächst nur bei Frauen beschrieben wurde. Wobei man aufpassen muss, dass man in diesem Fall den Männern nicht unrecht tut, wie man es den Frauen beim Herzinfarkt getan hat. Es kann am Ende des Tages beide Geschlechter betreffen.

Wie können Ärzte in der Notaufnahme dieses Syndrom erkennen?
 
Bei Patienten, die mit solchen Symptomen in die Notaufnahme kommen, muss zunächst untersucht werden, ob es sich um ein akutes Koronarsyndrom handelt, also einen Herzinfarkt oder eine Angina Pectoris, eine akute Durchblutungsstörung des Herzens. Dazu wird ein EKG gemacht und das Herz-Enzym Troponin bestimmt. Die Veränderungen im EKG und auch die Troponin Werte können bei der Tako-Tsubo-Kardiomyopathie genau gleich sein wie bei einem Herzinfarkt.
Der Unterschied zwischen beiden Krankheitsbildern zeigt sich dann im Herzkatheter. Denn nur dort kann beurteilt werden, ob die Herzkrankgefäße verengt oder verschlossen sind, wie bei einem akuten Koronarsyndrom oder ob ein Tako-Tsubo-Syndrom vorliegt. Um das letztendlich zu bestätigen, ist ein Herz-Ultraschall bzw. eine Magnetresonanztomographie notwendig, wo sich die typische Verformung des Herzmuskels zeigt.

Lange Zeit wurden Frauen mit diesen Beschwerden nicht ernst genommen, hat sich das geändert?
 
Auf jeden Fall. Allerdings müssen die Ärzte, vor allem im Herzkatheter, auch an eine Tako-Tsubo-Kardiomyopathie denken. Denn wenn die Herzkranzgefäße offen sind und somit kein akutes Koronarsyndrom vorliegt, kann es durchaus immer noch sein, dass nicht weiter geschaut wird. Das heißt,  Ärzte müssen daran denken, dass ein Tako-Tsubo-Syndrom hinter den Beschwerden stecken kann. Gerade in den Anfangszeiten, als die Erkrankung noch nicht so bekannt war, ist das häufiger geschehen.

Wie kann das Tako-Tsubo-Syndrom behandelt werden, wenn es erst mal erkannt wurde?
 
In erster Linie werden den Patienten Betablocker und ACE-Hemmer gegeben, mit deren Hilfe die Herzschwäche behandelt wird. Ganz wichtig ist ein Kontroll-Ultraschall oder MRT nach einigen Tagen, um zu prüfen, ob sich die Herzschwäche zurückgebildet hat. Denn typisch für das Syndrom ist, dass es reversibel ist, sich also unter der  Therapie wieder bessert. Bis das nachgewiesen ist, sollten die Patienten im Krankenhaus bleiben, weil es durchaus auch gefährliche Auswirkungen einer Tako-Tsubo-Kardiomyopathie geben kann.

Welche sind das?
 
Es gibt akute Risiken wie Herzrhythmusstörungen und den kardiogenen Schock, von dem man dann spricht, wenn die Pumpleistung des Herzens nicht ausreicht, um den Körper mit genügend Sauerstoff zu versorgen. Dann kommen u.U. sogar herzunterstützende Systeme zur Anwendung. Das Risiko für einen kardiogenen Schock beträgt im akuten Zustand etwa 10 bis 15 Prozent; das Risiko für Herzrhythmusstörungen liegt bei rund zehn Prozent.
 
Man weiß inzwischen aber auch, dass die langfristige Sterblichkeit von Patienten, die einmal ein Tako-Tsubo-Syndrom hatten, erhöht ist. Das könnte mit einer Anfälligkeit für die Erkrankung zusammenhängen. Forscher der Göttinger Universitätsmedizin haben 2017 festgestellt, dass es eine genetische Veranlagung für das Syndrom gibt, die sich in  einer gesteigerten Sensitivität für Stresshormone zeigt.

Können Betroffene irgendetwas selbst tun, damit das Tako-Tsubo-Syndrom für sie nicht zur Gefahr wird?
 
Ganz wichtig ist, dass Menschen mit akuten Brustbeschwerden oder Luftnot entweder sofort ins Krankenhaus fahren oder den Notarzt rufen. Denn die akuten Sympome eines Herzinfarktes sind nicht von einer Tako-Tsubo-Kardiomyopathie zu unterscheiden. Und auch wenn das Tako-Tsubo-Syndrom viel seltener ist: das Risiko daran zu versterben ist nicht so viel kleiner als das Risiko an einem Herzinfarkt zu versterben.

Prof. Baberg, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ursula Stamm

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