Patient wird auf Intensivstation beatmet (Quelle: imago/Hans Lucas)
Bild: imago/Hans Lucas

Beatmungstherapie bei Coronapatienten - Nach einer Woche am Scheidepunkt

Rund 140.000 Menschen sind seit Beginn der Corona-Pandemie hierzulande positiv auf das neuartige Corona-Virus getestet worden. Etwa 2.000 Corona-Patienten befinden sich nach Angaben der deutschlandweiten Datenplattform DIVI aktuell auf Intensivstationen. Doch wie werden die Kranken und Schwerstkranken behandelt?

Darüber hat die rbb Praxis mit Prof. Torsten Bauer gesprochen. Er ist Chefarzt der Klinik für Pneumologie der Lungenklinik Heckeshorn.

Herr Prof. Bauer, wie viele COVID-19-Patienten versorgen Sie aktuell in Ihrer Klinik?

Aktuell sind es vier Patienten, keiner davon muss intensivmedizinisch betreut werden.

Wie wissen Sie, ob jemand tatsächlich an COVID-19 erkrankt ist?

Wir werden bei typischen Beschwerden wie Fieber und Luftnot hellhörig. Bei diesen Patienten machen wir einen Abstrich im Rachen oder schicken ausgehustetes Sekret ins Labor. Dort wird mit einem speziellen Test nach Virusmaterial gesucht. Der Test kann auch negativ ausfallen, insbesondere in der Frühphase der Infektion. Wenn wir trotz negativem Test glauben, jemand könnte COVID-19 haben, dann nutzen wir bildgebende Verfahren wie Röntgen oder Computertomographie (CT). Im Röntgen zeigen sich beidseitig Infiltrate. Im CT sehen wir dann sogenannte Milchglastrübungen oder flächige Aufhellungen, weil sich Flüssigkeit in den Lungen sammelt. Allerdings treten diese Veränderungen auch bei Lungenentzündungen auf durch SARS und MERS, durch die Influenza, das Cytomegalovirus (CMV) oder bei der atypischen Pneumonie. Wir können das CT daher nicht als Screening-Instrument nutzen.

Wie schnell ist die Lunge involviert?

Wir denken, die Menschen infizieren sich etwa zwei Tage, bevor die eigentlichen Symptome beginnen. Zunächst fühlen sie sich schlapp, sind müde und ihnen ist nicht wohl. Für uns beginnt die Erkrankung, wenn sie Fieber bekommen. Dann dauert es aber immer noch ein paar Tage, bis die Viren die Lunge schädigen. Für uns ist die kritische Phase zwischen Tag acht und Tag 12 des Fiebers. In der Zeit entscheidet sich, ob die körperliche Abwehr das alleine schafft oder ob die Patienten intensivmedizinische Unterstützung brauchen.

Wann sollte jemand mit einer SARS-CoV-2-Infektion in die Klinik gehen?

Wenn die Atembeschwerden zunehmen. Die Lunge kann den Körper dann nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgen, so dass die Menschen unter Luftnot leiden. Zunächst nur, wenn sie sich anstrengen, also beispielsweise beim Treppen steigen, später auch in Ruhe. Dann sollten die Leute in die Klinik gehen.

Warum sinkt bei COVID-19 der Anteil von Sauerstoff im Blut?

Die Lunge verzweigt sich bis in kleine Lungenbläschen. In nächster Nähe der Bläschen verlaufen winzige Blutgefäße. Die Lungenbläschen nehmen den Sauerstoff aus den Minigefäßen auf und geben Kohlendioxid an sie ab. Wenn sich die Lunge entzündet, schwillt das Gewebe an, und es sammelt sich Flüssigkeit. Der Weg zwischen Bläschen und Gefäßen vergrößert sich – und der Gasaustausch funktioniert nicht mehr.

Welche Behandlungsmöglichkeiten haben Sie dann?

Wir geben den Patienten Sauerstoff über eine Nasensonde. In der Regel beginnen wir bei zwei bis vier Liter pro Minute. Die Gabe können wir bis auf zwölf Liter pro Minute steigern. Reicht das nicht, geben wir den Sauerstoff mit einem Helm oder einer Maske mit etwas Druck in die Lunge. Der Sauerstoff unterstützt die natürliche Atmung der Patienten, sie sind dabei wach und atmen nach ihrem eigenen Rhythmus.

Wann reicht das nicht mehr?

Wir überwachen die Patienten kontinuierlich: Wie viel Sauerstoff haben sie im Blut und wie schnell atmen sie? Normalerweise atmen wir etwa 15 Mal pro Minute ein und aus. Patienten mit doppelter Atemfrequenz und sinkender Sauerstoffsättigung versetzen wir ins künstliche Koma und beatmen sie maschinell. Im Schnitt ist das etwa zehn Tage nach Beginn der Symptome. Die Sauerstoffsättigung liegt normalerweise zwischen 94 und 98 Prozent. Sinkt der Wert auf 90 und darunter wird es bei einem ansonsten lungengesunden Menschen kritisch.

Wann verlegen Sie die Patient*innen auf die Intensivstation?

Normalerweise, wenn wir sie maschinell beatmen müssen. Auffällig ist, dass sich der Zustand der Leute innerhalb weniger Stunden deutlich verschlechtern kann. Wir müssen diese Patienten daher engmaschig überwachen und haben beispielsweise für die COVID-19 Patienten einen eigenen Nachtdienst eingerichtet.

Wie lange bleiben die COVID-19 Patienten am Beatmungsgerät?

Das ist sehr unterschiedlich. Im besten Fall geht es innerhalb von drei Tagen aufwärts und wir können die Patienten "weanen", also vom Beatmungsgerät wieder entwöhnen. Mitunter müssen wir sie aber auch ein, zwei oder drei Wochen beatmen. In der Regel führen wir am Tag 4 einen Luftröhrenschnitt durch, wenn wir davon ausgehen, dass die Patienten länger beatmet werden müssen. Dadurch sinkt die Infektionsgefahr, und wir können sie später leichter vom Beatmungsgerät wegbekommen.

Bei einigen Patient*innen reicht auch die maschinelle Beatmung nicht, sie brauchen eine Ersatz-lunge. Was macht das Gerät?

Wir nutzen die Ersatzlunge oder ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung), wenn der Körper es trotz aller Unterstützung nicht schafft, genug Sauerstoff aufzunehmen. Dann sprechen wir von einem weit fortgeschrittenen Lungenversagen. Die ECMO reichert das Blut außerhalb des Körpers mit Sauerstoff an und entfernt das überschüssige Kohlendioxid. Das Verfahren lässt sich mit der Blutwäsche bei Nierenversagen vergleichen. Es birgt allerdings Risiken, weil die Gefahr für Infektionen steigt und die Patienten Blutverdünnung benötigen. Die Pflegekräfte und Ärzte, die die ECMO anwenden, brauchen viel Erfahrung.

Woran versterben die Menschen bei COVID-19?

Es gibt verschiedene Gründe: Manche Menschen versterben an einer "Schocklunge", die wir als akutes Atemnotsyndrom (Acute Respiratory Distress Syndrome, ARDS) bezeichnen. Bei anderen kommt es zu einer Herzmuskelentzündung, die dritten erleiden ein Multiorganversagen. Zuletzt kam die Diskussion auf, dass einige Patienten auch an einem Blutgerinnsel in der Lunge sterben könnten, da auch das Gerinnungssystem bei der Infektion mit Sars-CoV2 leidet.

Wie unterscheiden sich eine herkömmliche Lungenentzündung und die Lungenentzündung bei COVID-19?

Klassischerweise verursachen Bakterien Lungenentzündungen, Pneumokokken beispielsweise. Dagegen setzen wir Antibiotika ein. Die Patienten gesunden in der Regel schnell, sobald die Mittel wirken. Auch bei viralen Lungenentzündungen durch CMV oder Influenza verfügen wir über Medikamente. Gegen Covid-19 haben wir bisher nichts in der Hand.

Was bekommen die Patient*innen denn an Medikamenten?

Vor allem kreislaufstabilisierende Mittel. Alle anderen Wirkstoffe, die derzeit durch die Presse gehen, sind nicht zur Behandlung bei COVID-19 zugelassen. Wir wissen noch zu wenig über ihre Wirkung und vor allem über ihre Nebenwirkungen. Die meisten Erfahrungen haben wir noch mit Hydroxychloroquin durch die Therapie der rheumatischen Lungenerkrankungen. Aber das Mittel schädigt das Herz: Herzrhythmusstörungen bis hin zum Kammerflimmern mit Herzstillstand können auftreten. Wir müssen bei den damit behandelten Patienten daher intensiv das EKG beobachten.

Was ist mit Remdesivir? Aus Chicago sickerte die Nachricht durch, dass über 100 COVID-19-Patient*innen erfolgreich damit behandelt wurden.

Remdesivir wurde gegen Ebola entwickelt, wirkte aber nicht gut genug. Die ersten Ergebnisse, die uns von Remdesivir vorliegen, sind nicht randomisiert. Es gibt also keine Vergleichspatienten, so dass unklar ist, ob die Patienten auch ohne das Mittel genesen wären. Mittlerweile untersuchen auch randomisierte Studien, wie gut es wirkt, darunter der Solidarity-Trial der WHO. Auch Deutschland ist hier mit einigen Kliniken eingebunden. Erste Ergebnisse der randomisierten Tests werden für April und Mai erwartet. Das Problem in Deutschland ist, dass wir außerhalb von Studien kaum Zugriff auf das Mittel haben. Es gibt zu wenig davon. Selbst wenn die Ergebnisse also positiv ausfallen, wird Remdesivir nicht die ersehnte Lösung sein. Solange wir keine wirksamen Medikamente haben, umso wichtiger ist die apparative Unterstützung der Behandlung.

Wie schätzen Sie die Gabe von Blutplasma genesener Menschen bei COVID-19-Patient*innen ein? Das Plasma enthält Antikörper gegen SARS-CoV-2..

Richtig, so lange wir keinen Impfstoff haben, ist das die einzige Möglichkeit, um das Virus direkt anzugreifen. Diese passive Immunisierung ist ein hundert Jahre altes Prinzip. Diese Behandlungsstrategie wurde bei anderen Infektionen bereits erfolgreich angewendet, erste Studien deuten an, dass das Blutplasma Genesener schwerkranken COVID-19-Patienten helfen könnte. Die gewonnenen Antikörper werden dafür nach strengen Richtlinien aufbereitet.

Zum Weiterlesen

  • FAQ: Wie wird mit Beatmung geholfen?

  • Therapie aus Antikörpern

  • Forschen an der Impfung gegen SARS-CoV-2

Deutschland scheint an einer Katastrophe wie sie Italien oder New York erlebt haben, vor-vorbeigeschrammt zu sein. Was ist Ihre persönliche Erklärung dafür?

Die Gesundheitssysteme unterscheiden sich deutlich. Deutschland hat mehr Krankenhäuser, Intensiv- und Krankenhausbetten pro 100.000 Einwohner als die anderen Länder. Alle sind in gutem Zustand. Darüber hinaus haben uns das Robert Koch Institut (RKI) und die Politik eine Verschnaufpause verschafft. Die konnten die Krankenhäuser nutzen, um Struktur und Kapazitäten zu schaffen. Somit möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich einmal bei Lothar Wieler, dem Chef des RKI, zu bedanken. Er hat mit der konsequenten Linie geholfen, dass uns widrige Umstände wie in den anderen Ländern bisher erspart blieben.

Vielen Dank für das Gespräch, Prof. Bauer.
Das Interview führte Constanze Löffler.

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