Hand in Schutzkleidung hält Beatmungsschlauch (Bild: imago images/Photothek)
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Kampf gegen COVID-19 - Beatmung: Nicht verzögern, nicht ausweichen

SARS-CoV-2 stellt Ärzt*innen und Pflegepersonal ständig vor neue Herausforderungen. Vor allem der Anteil der Patient*innen, die intensivmedizinisch betreut werden muss, macht Sorgen. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie hat nun einen Positionspapier erarbeitet, das Ärzt*innen bei Entscheidungen rund um die Atmungsunterstützung helfen soll - und das viele Antworten auf Fragen zur Beatmung liefert, die auch Laien gerade umtreiben.

Für die Expert*innen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) beginnt die eigentliche Erkrankung mit dem Fieberanstieg. Danach verläuft COVID-19 üblicherweise in drei Phasen ab:

In der ersten Phase sind die Patient*innen noch stabil; sie haben keine Atemnot, klagen vielleicht über Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Geschmacksstörungen und haben Fieber. Sie fühlen sich insgesamt zunehmend schlechter.
 
Ein Teil von ihnen rutscht in die zweite Phase, in der die Patient*innen verstärkt Luftnot empfinden. Die Sauerstoffsättigung im Blut sinkt, das Herz beginnt Probleme zu machen. Jetzt wird eine Krankenhausaufnahme notwendig, wo die Patient*innen engmaschig und vielleicht auch intensivmedizinisch überwacht werden können.
 
In Phase drei läuft die Situation aus dem Ruder, die Entzündung breitet sich im ganzen Organismus aus. Expert*innen sprechen von einer hyperinflammatorischen Erkrankung, die alle wichtigen Organsysteme betrifft.

Wie wird die Lungenentzündung behandelt?

Kennzeichnend für den schweren Verlauf von COVID-19 ist die Lungenentzündung. Bisher gibt es keine zugelassenen Medikamente, die die Lungenentzündung und damit das neuartige Corona-Virus direkt bekämpfen. Umso wichtiger ist die apparative Unterstützung, um den Gasaustausch in der Lunge zu verbessern.
 
Lungenfachärzt*innen und Intensivmediziner*innen verfügen hier über abgestufte Maßnahmen. Sie setzen folgende, die Atmung unterstützende Techniken ein:
 

  • Sauerstoffgabe über eine Nasensonde
  • Sauerstoffgabe über Hochflussapparatur (High Flow)
  • druckunterstützte Sauerstoffgabe über eine Maske (CPAP)
  • nicht invasive Beatmung (NIV)
  • maschinelle Beatmung mit Intubation der Luftröhre
  • extrakorporale Membranoxygenierung, ECMO

Wann bekommen die Patient*innen Sauerstoff?

Entschieden wird anhand der Beschwerden der Patient*innen und der Laborwerte. Normalerweise liegt die Sauerstoffsättigung im Blut der Patienten bei 94 bis 98 Prozent. Sinkt sie bei Lungengesunden auf 90 Prozent und darunter, geben die Ärzte den Patienten Sauerstoff:
 

  1. über einen Nasenschlauch oder über eine Nasensonde,
  2. als High-Flow-Verfahren oder
  3. drückunterstützt mit einer CPAP-Maske.
Die Sauerstoffmenge nimmt von Schritt zu Schritt zu. Bei der CPAP-Beatmung tragen die Patient*innen einen Helm oder eine Maske, der Sauerstoff wird mit erhöhtem Druck verabreicht. Dadurch sollen sich nicht belüftete Areale in den Lungen öffnen und der Gasaustausch verbessert werden. Entscheidende Parameter, wann welches Verfahren zum Einsatz kommt, sind Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung im Blut sowie der Allgemeinzustand des Patient*innen.

Was, wenn die Sauerstoffgabe nicht reicht?

Sobald es Anzeichen dafür gibt, dass der Organismus den Gasaustausch nicht mehr aufrecht erhalten kann, müssen die Patient*innen maschinell beatmet werden. Ohne Beatmung würden sie versterben. Dafür werden die Patienten ins künstliche Koma versetzt, intubiert und vollständig kontrolliert beatmet.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine maschinelle Beatmung?

Die Intubation soll weder zu früh noch zu spät erfolgen. Das Risiko zu versterben steigt, wenn zu spät mit der invasiven Beatmung begonnen wird. Deshalb hat die DGP verschiedene Kriterien vorgeschlagen, die behandelnde Ärzte bei der Entscheidung für ein Beatmungsverfahren unterstützen sollen. Dazu zählen neben der Symptomatik des Patienten verschiedene Laborparameter, wie die Blutgase, Werte für Leber und Nieren, Gerinnungswerte und solche, die eine Schädigung des Herzens anzeigen.

Wie gut verträgt eine Lunge die maschinelle Beatmung?

Nicht jede maschinelle Beatmung schädigt zwangsläufig die Lungen. Patient*innen erholen sich nach Beatmung in der Regel wieder vollständig, es sei denn, es bestehen Vorerkrankungen. Allerdings gilt: Je mehr das Beatmungsgerät arbeiten muss, um die Lunge mit Sauerstoff zu versorgen und von Kohlendioxid zu befreien, desto wahrscheinlicher ist es, dass gesunde, normale Bereiche der Lunge geschädigt werden.
 
Im Abgleich zu sonstigen Folgen, und vor allem dem Tod, ist dieser Schaden allerdings als vergleichsweise gering einzuschätzen. Patient*innen, bei denen die Lungenfunktion nach Beatmung eingeschränkt ist, erholen sich häufig über einen längeren Zeitraum. Bleibende Schäden der Lunge können auch durch die Infektion selbst entstehen.

Warum liegen die beatmeten Patient*innen auf dem Bauch?

Dass die Bauchlage bei beatmeten Patient*innen vorteilhaft ist, ist lange bekannt und wird seit vielen Jahren in der Intensivmedizin praktiziert. Hintergrund: Im entzündeten Lungengewebe sammelt sich Flüssigkeit, die durch die Schwerkraft an den unten liegenden Stellen zusammenfließt. Hier wird die Lunge nicht belüftet. Durch das Drehen auf den Bauch werden diese Bereiche der Lunge belüftet. Die Sauerstoffbindung des Blutes verbessert sich. Nach einigen Stunden werden die Patient*innen zurückgedreht.

Was, wenn auch die maschinelle Beatmung nicht ausreicht?

Wenn die Herz- und Lungenfunktion der Patient*innen allein nicht mehr ausreichen, werden sie mit der ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung) behandelt. Diese Maschine entlastet die Lunge, indem sie das Blut außerhalb des Körpers mit Sauerstoff versorgt und das Kohlendioxid herausfiltert.
 
Das Verfahren ist hochkomplex: Sobald sich Blut außerhalb des Körpers befindet, hat es die Tendenz zu gerinnen. Daher erhalten Patient*innen an der ECMO gerinnungshemmende Mittel. Ein Balance-Akt – einerseits dürfen die Patient*innen nicht bluten, andererseits dürfen sich keine Gerinnsel bilden, die ins Gehirn gespült werden und damit einen Schlaganfall verursachen könnten.
Außerdem sind die großen Kanülen häufige Eintrittspforten für Viren und Bakterien. Die Patient*innen müssen daher während einer ECMO-Therapie kontinuierlich überwacht werden, damit sich keine Infektion im Körper ausbreitet. Dieses Verfahren gehört daher in die Hand von Spezialist*innen.

Nach welchem Schema wird die maschinelle Beatmung zurückgenommen?

Diese Verfahren nennt man "weaning" also die Entwöhnung vom Respirator. Hierfür gibt es festgelegte Kriterien. Zentren, die sich auf die Entwöhnung von mechanischer Beatmung spezialisiert haben, können sich zertifizieren lassen.
 
Genau wie die Maßnahmen der Beatmung zunächst Schritt für Schritt verstärkt wurden, werden sie nun heruntergefahren. Einige Patient*innen benötigen zunächst noch Maskensupport, später brauchen sie nur noch etwas Extra-Sauerstoff. Im besten Fall sollte sich eine Reha an die Behandlung anschließen.
 
Im Moment klären die Fachgesellschaften, welche Unterstützung ehemals schwer kranke COVID-19-Patient*innen brauchen, um zu einem gesunden Leben zurückzukehren.

Beitrag von Constanze Löffler

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