Therapeut mit Rehamaske arbeitet mit Terraband am Bein einer Patientin (Bild: imago/Addictive Stock)
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Interview l Zurück ins Leben nach Corona - (Früh-)Rehabilitation nach COVID-19

Rund fünf Prozent der COVID-19-Erkrankten haben einen schweren Verlauf und müssen beatmet werden, oft wochenlang. Folge: der Verlust einfachster Fähigkeiten, zu Essen, Gehen oder Stehen. In der Früh-Reha erlernen Betroffene all das neu. Was die Therapie besonders und besonders schwer macht, haben wir Rehabilitationsmediziner Frank Elsholz gefragt. Der Spezialist kümmert sich mit einem interdisziplinären Team um die Frühreha von Long-COVID-Patienten in der LungenClinic Grosshansdorf bei Hamburg.

Herr Elsholz, wie ist die Lage bei Ihnen auf der Station - betreuen Sie aktuell Patienten/Patientinnen, die an COVID erkrankt waren?
 
Ja, wir haben derzeit auch COVID-Patienten auf der Station. Nachdem sich die Situation im Juli etwas entspannt hatte, berichten aktuell alle Akuthäuser wieder über deutlich steigende Fallzahlen. Ein Teil dieser Patienten wird über kurz oder lang bei uns auf der Station landen.

Sie kümmern sich um die Früh-Rehabilitation dieser Menschen - was ist denn der Unterschied zu der Reha in einer Kurklinik?
 
Die Patienten bei uns auf Station sind noch immer schwer krank. Bei der kleinsten Anstrengung bekommen sie Luftnot, sind oft bettlägerig, weil sie durch die wochenlange Krankheit viel an Muskulatur eingebüßt haben.
Sie haben Empfindungsstörungen in den Händen und Füßen, können nicht stehen oder gehen, sich nicht alleine waschen. Kurzum, sie können ihren Alltag noch nicht wieder allein bewältigen.
 
In der Frührehabilitation erlernen sie die Dinge des täglichen Lebens wieder - mit Hilfe einer speziell auf sie zugeschnittenen Therapie. Anders als in der herkömmlichen Reha ist für die Aufnahme auf unserer Station kein Antrag auf Kostenübernahme notwendig; die Therapie bei uns ist einfach notwendig, weil die Patienten noch so eingeschränkt sind.

Eine COVID-Erkrankung kann ganz unterschiedlich verlaufen, mit teils nur leichten Symptomen bis hin zu wochenlanger Behandlung auf der Intensivstation und Beatmung. Bei wem macht die Früh-Reha Sinn, für wen die herkömmliche Reha?
 
In der Früh-Reha fokussieren wir uns auf die Patienten, die noch immer schwer krank sind, die auf einer Intensivstation lagen, beatmet werden mussten oder sogar eine ECMO-Therapie erhalten haben, also bei denen eine Maschine die Arbeit der Lunge übernommen hat.
 
Für Menschen, die ohne schwere Erkrankung auch noch Wochen nach der Infektion mit Long-COVID-Symptomen wie Müdigkeit, Luftnot oder Konzentrationsschwierigkeiten zu kämpfen haben, ist eine normale Reha empfehlenswert.

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Wann ist denn ein guter Zeitpunkt, um mit der Früh-Reha zu starten und wie lange dauert sie?
 
Die Intensivstationen melden die Patienten bei uns an, wenn sie von der Beatmung entwöhnt werden konnten, aber noch zu schwach sind, um nach Hause oder eben in eine herkömmliche Reha-Klinik gehen zu können.
 
Im Schnitt bleiben sie dann 25 Tage bei uns. Manche können wir schon nach 14 Tagen entlassen, einige haben wir aber auch vier oder fünf Monate bei uns behandelt. Anders als in einer Reha-Klinik, wo der Aufenthalt auf zwei oder drei Wochen begrenzt ist, verlassen die Patienten uns erst, wenn sie wieder ausreichend selbständig sind.

Und wann ist das?
 
Um das festzustellen, wenden wir den Barthel-Index an. Der Test bewertet die Aktivitäten des täglichen Lebens - wie Essen und Trinken, Körperpflege, An- und Ausziehen, Stuhl- und Harnkontrolle - mit Punkten und stellt fest, wie selbständig jemand ist.
 
Benötigen die Patienten für alles Unterstützung, wird das mit 0 Punkten bewertet. Können sie alle Dinge des täglichen Lebens selbständig übernehmen, werden 100 Punkte vergeben. Wir entlassen unsere Patienten, wenn sie mindestens 70 Punkte erreichen. Meist empfehlen wir ihnen dann eine Anschlussheilbehandlung in einer normalen Reha, um sich noch weiter zu erholen.

Wie erreichen Sie solche Verbesserungen?
 
Wir arbeiten in einem interdisziplinären Team zusammen. Es besteht aus Fachärzten für Rehabilitation, Lungenfachärzten und Internisten sowie zahlreichen Therapeuten: Atem- und Physiotherapeuten, Logopäden, Ergo- und Kunsttherapeuten sowie speziell geschulten Pflegekräften.
Außerdem unterstützt uns eine Psychologin. Unsere Patienten waren oder sind alle schwer krank, wurden wochenlang beatmet, sind dem Tod quasi von der Schippe gesprungen. Die meisten von ihnen entwickeln große Ängste, wenn sie das realisieren.

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Was sehen Sie als Ihre zentrale Aufgabe?
 
Wir bringen die Patienten zurück ins Leben, sie lernen bei uns ihre Alltagsfähigkeiten wieder, die ihnen erlauben, in ihr häusliches Umfeld und im besten Fall auch an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren.
 
Bei uns bekommt jeder, was er braucht - wir orientieren uns an den Bedürfnissen und gesundheitlichen Problemen des Einzelnen. In den Therapien beschäftigt sich ein Therapeut nur mit ihnen und ihren Defiziten. Die Patienten haben mindestens 15 Therapieeinheiten in der Woche á 30 Minuten; das ist für sie oft sehr, sehr anstrengend. Dabei achten wir natürlich auch darauf, dass wir sie mit den Therapien nicht überfordern und überlasten.

Können Sie uns einen typischen Patienten bei Ihnen auf Station beschreiben?
 
Den ganz typischen Patienten gibt es nicht mehr. Zu Beginn der Pandemie waren die meisten unserer Patienten zwischen 60 und 80 Jahren alt und hatten Vorerkrankungen am Herz oder der Lunge. Sie mussten beatmet werden und kamen dann hinterher zu uns.
 
Seit letztem Winter, im Zuge der zweiten Welle, hat sich das verändert; seitdem haben wir auch vermehrt jüngere Patienten, teilweise ohne Vorerkrankungen.
Ich erinnere mich an einen jungen Mann, der erst 27 Jahre alt war. Er hatte einen äußerst schweren Verlauf und auch nach Abschluss der Frührehabilitation noch Probleme mit dem Gehen.
Oder der Ultra-Marathon-Läufer, der vor seiner Infektion total fit war und noch viele Monaten nach der akuten Erkrankung über Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen klagte.

Waren diese Patienten denn geimpft?
 
Wir haben bisher nur zwei oder drei Patienten behandeln müssen, die erstmalig geimpft waren und dann erkrankten. Sie hatten also noch keinen vollen Impfschutz. Alle anderen waren ungeimpft.
 
Im Kleinen können wir also bestätigen, was die Epidemiologen und Virologen predigen: Die Impfung gegen Corona schützt in hohem Maße sowohl vor der Ansteckung als auch vor schwerer Erkrankung.

Herr Elsholz, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Constanze Löffler

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