Kind mit medizinischer Maske schaut in Kamera (Bild: imago images/CHROMORANGE)
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SARS-CoV-2-Reaktionen bei Kindern - Auch Kinder leiden unter Spätfolgen einer COVID-19-Erkrankung

Kinder und Jugendliche erkranken seltener an COVID-19 als Erwachsene. Die Erkrankung verläuft bei ihnen oft milder oder sogar symptomlos. Dennoch können sie unter heftigen Spätfolgen der Erkrankung leiden. Mediziner*innen sprechen vom "Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome" - kurz PIMS.

Im Vergleich zu den Erwachsenen sind in Deutschland bislang nur wenige Kinder und Jugendliche an COVID-19 erkrankt. Von knapp 280.000 Fällen unter 18 Jahren geht das Robert Koch-Institut derzeit aus - bei insgesamt knapp 2,5 Millionen Menschen, die bis dato an Corona erkrankt sind.
 
Die meisten Kinder erkranken mild oder zeigen keine Symptome. Meldungen von heftigen Immunreaktionen bei Kindern nach einer COVID-19 Erkrankung haben daher für Aufregung gesorgt. Expert*innen sehen einen engen Zusammenhang mit der Virusinfektion. Bei den meisten betroffenen Kindern und Jugendlichen konnten Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachgewiesen werden.

Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS)

Beim Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS) handelt es sich um eine überschießende Immunreaktion nach einer COVID-19-Erkrankung, die mit Entzündungsvorgängen an verschiedenen Stellen im Körper verbunden sein kann. Das kindliche Immunsystem ist noch nicht so ausgereift wie das von Erwachsenen. Dadurch kann es zu einer Fehlregulationen bei der Bekämpfung einer Infektion mit Bakterien, Viren oder Pilzen kommen. Das ist bei Kindern zum Beispiel auch nach einer überstandenen Grippeerkrankung bekannt.
 
Als erste Fälle solcher starken Immunreaktionen während der Corona-Pandemie bei Kindern und Jugendlichen auftraten, prägten Ärzt*innen den Begriff "Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome". Die Kinder litten unter hohem Fieber, starkem Krankheitsgefühl, Magen- und Darmproblemen, sowie Hautausschlägen. Bis heute sind in Deutschland 215 Fälle von PIMS registriert, rund 60 Prozent mussten auf der Intensivstation behandelt werden und acht Prozent leiden bis heute unter Folgeschäden.

Ähnlichkeit zum Kawasaki-Syndrom

Als die ersten Fälle von Immunreaktionen bei Kindern zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 bekannt wurden, wurden Vergleiche mit dem so genannten Kawasaki-Syndrom gezogen. An dieser seltenen Erkrankung, die mit starken Entzündungsreaktionen im Körper verbunden ist, erkranken jährlich rund 6.000 Kinder, vor allem in Kleinkindalter.
 
Doch es gibt Unterschiede zwischen PIMS-Fällen und dem Kawasaki-Syndrom. Die Kinder, die nach einer COVID-19-Erkrankung mit starken Symptomen reagieren, sind älter (im Durchschnitt 11 Jahre) und es sind mehr Organe betroffen. Neben dem Herzen, das am häufigsten beteiligt ist, sind es auch der Magen-Darm-Trakt, die Haut, die unteren Atemwege sowie Leber und Nieren. "Sie müssen sich vorstellen: PIMS ist eine immunologische, über das Abwehrsystem getriggerte Erkrankung, die ungefähr zwei bis drei Wochen nach der durchgemacht Corona-Infektion entsteht. Und dabei kommt es zu einer überschießenden Immunreaktion des Körpers, die dann als Folge davon Organbeteiligungen im Bereich des kindlichen Organismus hat", sagt Prof. Dr. Nikolaus Haas, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und angeborene Herzfehler e.V..

Behandlung von PIMS

Da es sich beim PIMS um eine Überreaktion des Immunsystems handelt, kommen Medikamente zum Einsatz, die das Immunsystem "runterregulieren" sollen. Das sind zum einen Immunglobuline sowie Kortison. Da es bei PIMS auch zu Entzündungen, zum Beispiel der Herzkranzgefäße, kommen kann, wird auch Aspirin zur Blutverdünnung gegeben - um mögliche Blutgerinnsel zu verhindern, die später zu einem Herzinfarkt oder einer Lungenembolie führen könnten.
 
Etwa 60 Prozent der Kinder, die wegen eines PIMS ins Krankenhaus eingeliefert werden, müssen auf der Intensivstation behandelt werden. Oft jedoch nur für wenige Tage. Die meisten Kinder würden nach weniger als einer Woche wieder aus dem Krankenhaus entlassen, sagt Prof. Dr. Nikolaus Haas: "PIMS ist eine Erkrankung des Immunsystems, eine Überreaktion des Immunsystems. Das heißt, wenn wir mit guten Medikamenten in der Lage sind, diese überschießende Reaktion zu bremsen, heilt diese Erkrankung sehr schnell aus."
 
Von den acht Prozent der Kinder, die derzeit noch unter den Folgeschäden eines PIMS leiden, haben die meisten mit Schäden am Herzen zu tun, die längerfristig beobachtet werden müssen, was entweder beim Kinderarzt oder bei einem Kinderkardiologen geschehen sollte.

Mehr Fälle in Großbritannien

Bis zu 100 Fälle von "Pediatric Inflammatoy Multisystem Syndrome" pro Woche in Großbritannien - solche Meldungen haben auch hierzulande für Verunsicherung gesorgt. Klar ist: In England gibt es auch unter Kindern und Jugendlichen mehr Corona-Infektionen und dementsprechend auch mehr Fälle von PIMS, so Prof. Dr. Nikolaus Haas, Leiter der Abteilung für Kinderkardiologie und pädiatrische Intensivmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München: "Unsere englischen Kollegen, die ungefähr eine doppelte Erkrankungsanzahl an Kindern haben, haben auch doppelt so viele Kinder mit diesen Erkrankungsbild. Aber die haben eine andere Sortierung dieser Kinder, weil es in England viele Kinder gibt, die einen anderen Hintergrund haben, also z.B. aus dem asiatischen Raum oder aus dem afrikanischen Raum kommen. Und da scheint die Häufigkeit etwas höher zu sein."
 
Erste Beobachtungsstudien zeigen, dass es vor allem Kinder und Jugendliche mit einer afrikanischen oder asiatischen Herkunft sind, die häufiger an PIMS erkranken, was auf eine genetische Prädisposition hindeuten kann.

Mutationen als Krankheitstreiber?

Inzwischen hat sich in Deutschland fast die Hälfte der Corona-Infizierten mit der britischen Virusmutation B.1.1.7 angesteckt, die als infektiöser gilt, als die Ursprungsvariante - auch für jüngere Menschen. Die Mutationen von SARS CoV-2 werden schon jetzt für eine beginnende dritte Welle der Corona-Pandemie verantwortlich gemacht.
 
Das könnte auch zu mehr Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen führen und dementsprechend zu mehr Fällen von PIMS. Im Vivantes Klinikum in Berlin-Neukölln wird bei allen Kindern und ihren Eltern, die wegen einer COVID-19-Erkrankung ins Klinikum kommen, ein PCR-Test durchgeführt, der auch die Art des Virus bestimmt.
"Bisher haben wir kein Kind mit einer Mutation gesehen, auch keine Mutter mit einer Mutation. Und bisher kann ich das quantitativ auch noch nicht sagen. Rechnen müssen wir damit, das ist realistisch, zurzeit ist noch Ruhe", sagt Prof. Dr. Rainer Rossi, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Vivantes Klinikum Neukölln.
 
Kinderkardiologe Nikolaus Haas schätzt das Risiko für steigende PIMS-Fälle durch Mutationen auf jeden Fall als beherrschbar ein: "Wenn wir die doppelte Anzahl an infizierten Kindern haben, werden wir vielleicht auch die doppelte Anzahl an Patienten mit PIMS haben. Aber bislang ist kein Kind gestorben. Es gibt hervorragende Behandlungsmöglichkeiten. Von daher kann man sagen, dass da für die Eltern in Deutschland sicherlich Entwarnung gegeben werden kann."

Warnzeichen für PIMS

Eine COVID-19-Erkrankung wird bei Kindern und Jugendlichen nicht immer bemerkt, weil sie oft mit milden oder gar keinen Symptomen einher geht. Erkrankt ein Kind an PIMS kann das eigentlich nicht übersehen werden, weil die Kinder recht plötzlich schwer erkranken, sagt Kinderarzt Dr. Martin Karsten aus Berlin-Wilmersdorf: "Man muss allen Eltern sagen, es bleibt eine extrem seltene Komplikation, es bleibt etwas extrem Seltenes. Ich glaube aber, jeder erfahrene Pädiater erkennt das, weil die Kinder wirklich sehr krank sind."
 
Sollte bei Kindern und Jugendlichen plötzlich Fieber über 39 Grad Celsius auftreten, das mit einem starken Krankheitsgefühl einher geht, sollten Eltern zum Kinderarzt gehen, der dann abklären kann, ob es sich möglicherweise um eine Folgeerkrankung einer Corona-Infektion handelt.
Neben Fieber und Abgeschlagenheit können Magen-Darmbeschwerden, Hautausschläge sowie eine Bindehautentzündung mit einem beginnenden PIMS verbunden sein.

Beitrag von Ursula Stamm

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