Kleine UV-Lampe steht in leerem Raum auf einem Holztresen (Bild: imago images / ITAR-TASS)
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Wenn Hygiene zum Hype wird - UV-Lampen gegen Keime - gefährliches Werkzeug?

In der analogen Welt wurde mit dem Coronavirus Toilettenpapier zum gefragten Kaufobjekt. Im Netz wird gerade anderes beworben: Mini-UV-Lampen zur Desinfektion von Oberflächen. Klar: Es ist lange erwiesen, dass bestimmte Bereiche des UV-Lichtes Keime zerstören können. Genutzt wird das z.B. in der Krankenhaushygiene. Doch Mini-Versionen aus dem Netz können dagegen Schaden anrichten, warnen Wissenschaftler.

Keime mögen keine Sonne - so weit, so bekannt. Das ist unter anderem ein Grund dafür, warum z.B. bestimmte Grippeviren saisonal fast verschwinden. Bestimmte Anteile im UV-Licht, vor allem die UV-C-Strahlung, dringt bis zum Erbmaterial von Bakterien, Pilzen oder auch Viren vor und schädigt die DNA bzw. RNA - es kommt zu Mutationen, die eine Vermehrung unmöglich machen. Seit rund 100 Jahren werden mit Licht auf diese Weise schon Mikroorganismen "deaktiviert", früher allerdings mit Lichtquellen, in denen empfindliche und (bei Beschädigung auch für den Menschen) teilweise schädliche chemische Elemente enthalten waren, z.B. Quecksilber. Seit ein paar Jahren kommen dagegen auch im Desinfektionsbereich LEDs zum Einsatz, die dazu noch den Vorteil haben, dass sie den für Mikroorganismen schädlichsten Teil des UV-Lichts gezielt emittieren können.

Gerade weil die schädliche Wirkung von UV-Strahlung so gut bekannt ist - nicht zuletzt auch für uns Menschen aus der Krebsforschung - kommen offenbar viele Menschen, die durch die aktuelle Pandemie im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 verunsichert sind, auf die Idee, diese Kraft auch im privaten Umfeld einzusetzen. Meldungen aus China, aber auch Kanada von Firmen, die UV-Lampen produzieren, berichten von einem starken Absatzanstieg kleiner Lampen, die man beispielsweise auf den Tisch stellen oder mit der Hand halten soll.
 
Auch Werbebanner spucken Angebote solcher Lampen vermehrt aus, die Preise schwanken enorm - zwischen 20 und mehreren Hundert Euro. Doch dieser Trend macht Wissenschaftler*innen Sorgen, denn wer versucht sich im wahrsten Sinne des Wortes mit allen Mitteln vor Keimen zu schützen, kann dabei großen Schaden anrichten - auch an der eigenen Gesundheit oder der der Liebsten.

Der professionelle Einsatz

"UV-C-Licht wird angewendet im Hygienisierungsbereich in der Lebensmittelindustrie beispielsweise für die Hygienisierung von Oberflächen, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen. Auf den Oberflächen haben wir dann im Grunde genommen das gesamte Spektrum aller im Lebensmittelbereich vorkommenden Mikroorgansimen - seien es nun pathogene Zoonose-Erreger oder Umweltkeime. Und wir beobachten in der Regel eine mehr oder weniger intensive Reduktion dieser Erreger", sagt Dr. Niels Bandick, Leiter der Fachgruppe Lebensmittelhygiene und -technologie, Warenketten, Produktschutz am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin-Marienfelde. Zusammen mit u.a. der Freien Universität Berlin erforscht das BfR schon länger, wie sich beispielsweise Salmonellen oder Campylobacter von Eierschalen mittels UV-Licht optimal entfernen lassen. Dabei wird UV-C-Licht im Bereich 100 - 280 Nanometer angewendet.

Lichtroboter reinigt ein Krankenzimmer (Bild: imago images/ZUMA Wire)

Die Einsatzgebiete für UV-C-Licht in Bereichen der Industrie oder natürlich der Gesundheit sind vielfältig: Als Hygieneroboter oder Teil eines Industrielaufbandes beispielsweise minimieren die professionellen Lampen Keime. Wichtig dabei ist allerdings: Unter Ausschluss des Menschen, denn gerade für uns ist die Strahlung ebenso gefährlich, wie für die Bakterien oder Viren. So laufen beispielsweise leuchtende Roboter allein durch einige OPs und Krankenzimmer dieser Welt. Sind sie fertig, erlischt das Licht, es wird gelüftet.

UV-Licht - Gefahr für den Menschen

Nicht nur für die Haut, sondern auch die Augen ist UV-Licht eine Gefahr: Horn- und Bindehaut können geschädigt werden, in schlimmen Fällen der sogenannten Photokeratitis kann es zu Ablösungen kommen. Viele kennen das Phänomen zum Beispiel unter dem Namen "Schneeblindheit" in einem anderen Zusammenhang. Die Beschwerden treten wenige Stunden nach starkem "Augenkontakt" mit der Strahlung auf und sind in der Regel:
 

  • starkes Fremdkörpergefühl
     
  • Tränende Augen
     
  • Schmerzen
     
  • Lichtempfindlichkeit
     
  • Lidkrämpfe (Blepharospasmus)
     

Bei schneller Hilfe können die Symptome nach zwei bis  drei Tagen wieder verschwinden.  
 
Die Folgen von starker und/oder langer UV-Bestrahlung der Haut sind noch bekannter: Sonnenbrand und - in schlimmeren Fällen - kann auch das menschliche Erbgut unter dem Einfluss der Strahlen mutieren und es kann zu Wucherungen kommen. Die Folge: Hautkrebs.

Black-Box: Mini-UV-C-Lampen für den Hausgebrauch

Desinfektionsmittel sind gerade Mangelware - und werden besonders von professionellem Medizinpersonal gebraucht. Es ist verständlich, das Menschen, die sich sorgen wegen einer COVID-19-Erkrankung machen, nach Wegen suchen, sich anderweitig zu schützen - nicht nur mit Masken oder Handschuhen, sondern vielleicht auch mit angeblich leicht zu verwendenden Lampen aus dem Netz.
 
Doch da gibt es viele Unwägbarkeiten, sagt auch Niels Bandick: "Die Frage ist, ob z.B. die beschriebene Intensität dieser Lampen auch wirklich eingehalten wird. Das ist der eine Punkt. Der andere ist, dass außerdem Geräte, die mit Röhren arbeiten, auch sehr schnell altern und ihr Lichtspektrum verlieren. Die Frage ist außerdem, ob es sinnvoll und möglich ist, im privaten Haushalt solche Geräte überhaupt anzuwenden, um ein Infektionsrisiko zu senken, denn die Vorgaben müssten ja keimspezifisch genau sein - Bestrahlungsdauern, Abstände, Intensitäten"

Unkontrollierbare Wirkung

Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gibt auf seiner Website zu Bedenken, dass die Wirkung eine Frage der Dosis sei und es davon abgesehen auch "Schattenseiten" beim Einsatz von UV-Licht gibt: So sei z.B. die Rückseite eines Schubladengriffs für UV-Licht oft nicht erreichbar - damit dann auch nicht desinfiziert. Das Bundesamt für Strahlenschutz warnt wegen der Gefahr der UV-Strahlung für den Menschen explizit vor dem Kontakt mit menschlicher Haut und den Augen.

Und Niels Bandick ergänzt für das BfR: "Wir raten, insbesondere im Zusammenhang auch mit dem Geschehen um SARS-CoV-2, von Desinfektionsmaßnahmen im Haushalt mit gesunden Menschen - auch mit chemischen Desinfektionsmitteln - ab, um eben keine Resistenzen im Haushalt zu erzeugen. Das kann bei nicht sachgemäßer Anwendung nämlich geschehen. Es ist bekannt, dass auch bei der Anwendung von UV-Licht Resistenzen auftreten können. Mikroorganismen können sich derart verändern, dass sie mehr UV-Licht vertragen." Am Ende könnte also vielleicht eine Mutation stehen, die das Virus nicht, wie beabsichtigt, unschädlich macht, sondern anderweitig verändert.

Am rechten Platz hoch effizient

Besonders die genetischen Bausteine Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin absorbieren das UV-C-Licht und es kommt zur Unschädlichmachung - die Keime können sich nicht mehr vermehren. Diese Wirkung ist aus Studien bekannt und sicher. Man kennt sie auch für Typen von Viren, so Dr. Bandick: "Es wirkt offensichtlich auch bei Coronaviren: Bei Modellviren aus der Gruppe der Coronaviren, wie beispielsweise das Murine Coronavirus, hat man Versuche unternommen, bei denen UV-Licht wirkt. Auch bei einem SARS-Virus, was wir schon länger kennen, ist es wirkungsvoll gewesen und auch beim MERS-Virus hat man Untersuchungen gemacht und gesehen, dass UV-C-Licht da wirkungsvoll ist."
 
Auch für CoV-2 gibt es Daten, die darauf hinweisen, dass es nicht gut mit intensiver UV-C-Strahlung umgehen kann. Das kann man nutzen. Beispiel: Interessant für Krankenhausbetriebe könnte eine Entwicklung sein, die das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung angekündigt hat. Die Forscher*innen dort wollen im September einen Prototyp von der Größe einer Mikrowelle präsentieren (Strahlenabschirmung nach außen also sicher), der mit UV-C-Strahlung der Wellenlänge 269 Nanometer arbeitet und Viren und Bakterien auf der Oberfläche von Handys und Tablets binnen weniger Sekunden zerstören kann.
 
Wie vieles andere könnten auch solche Entwicklungen am Ende helfen SARS-CoV-2 loszuwerden - aber wichtig ist dabei immer, dass die Mittel effizient und gezielt einerseits sind und andererseits professionell eingesetzt werden, um am Ende nicht dem Anwender oder anderen Menschen zu schaden.

Beitrag von Lucia Hennerici

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