Beckenbodentraining zu Hause: Bild zeigt Frau mit motiviertem Blick und Joggingsachen sitzend zu Hause (Quelle: imago images / Westend61)
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- Beckenbodentraining – wirksame Übungen für zu Hause

Beckenbodentraining hilft bei Inkontinenz und Beckenbodenschwäche. Welche Übungen für Anfänger und für zu Hause effektiv sind, erfahren Sie hier.

Jede dritte Frau und jeder fünfte Mann hat einen zu schwachen Beckenboden. Das kann u.a. zu Inkontinenz, Erektionsstörungen, Beckenboden- und Gebärmuttersenkung führen. Mit Beckenbodentraining kann man eine Blasenschwäche (Harninkontinenz) vorbeugen und bekämpfen. Wie das geht, erfahren Sie hier.

Welches Beckenbodentraining ist am effektivsten?

Von den zahlreichen Beckenboden-Übungsvideos im Internet hält Sonja Soeder M.Sc., Physiotherapeutin am Deutschen Beckenbodenzentrum in Berlin, eher wenig: "Um den Beckenboden zu trainieren, muss man ihn erst mal wahrnehmen können. Aber das Problem ist: Nur 43 Prozent aller Frauen können überhaupt den Beckenboden gezielt anspannen." Sie rät daher, Schritt für Schritt vorzugehen, damit die verborgene Muskulatur des Beckenbodens auch tatsächlich gezielt gekräftigt wird.

Test: Den Beckenboden wahrnehmen

Sonja Soeder M.Sc. empfiehlt folgende Tests, um festzustellen, ob man den Beckenboden wahrnehmen und anspannen kann:
 
Einmalig den Harnstrahl während des Wasserlassens kurz versuchen zu unterbrechen. Wichtig: Ohne dabei den Po anzuspannen, den Bauch einzuziehen oder den Rücken zu aktivieren.
 
Noch eine Option, den Beckenboden zu "finden": Einfach locker hinstellen, die Hand in den Schritt legen und husten. Dabei lässt sich spüren, wie der Beckenboden leicht gegen die Hand drückt. Frauen können auch in Seitenlage einen Finger tief in die Scheide einführen und versuchen, ihn dort mit den Muskeln fester zu umschlingen.
 
Wenn man imstande ist, den Beckenboden zu spüren, beginnt man mit ersten sanften Übungen.

Was tun, wenn man den Beckenboden nicht spürt?

Gelingt es nicht, den Beckenboden wahrzunehmen und ihn zu aktivieren, sollte man sich an eine spezialisierte Physiotherapeutin oder an spezialisierte Ärztinnen und Ärzte bzw. an ein Beckenbodenzentrum wenden.
 
"Wenn jemand kein Gefühl dafür hat, dann wählen wir zusätzlich eine Elektrostimulation - vaginal oder extern- um leichter wahrzunehmen, wo der Beckenboden ist", sagt die Physiotherapeutin Sonja Soeder. Außerdem finde ein Beckenbodencheck statt, bei dem gemessen wird, wie stark oder schwach der Beckenboden ist und welche Übungs- und Therapiestrategie eingeschlagen werden sollte.

Beckenbodentraining zu Hause: Übungen für Anfänger

Als erstes den Beckenboden 5-mal am Tag 5-mal anspannen, rät die Expertin. Das Ganze ein paar Tage lang wiederholen, sodass sich die Wahrnehmung für den Beckenboden vertieft. Der Beckenboden benötigt Präsenz im Alltag bevor er richtig trainiert werden kann.
 
Anschließend kann man mit dem klassischen Kegel-Training beginnen. Es wurde nach dem US-amerikanischen Gynäkologen Arnold H. Kegel benannt. Das Prinzip ist einfach: Den Beckenboden mehrmals am Tag anspannen und ihn später auch über einen längeren Zeitraum in Anspannung zu halten.
 
Ein erstes Training kann, laut Sonja Soeder folgendermaßen aussehen:
 
"2 Sekunden anspannen, 2 Sekunden Pause, insgesamt 20-mal. Dann, für die Ausdauer, 12 Sekunden anspannen, 6 Sekunden Pause, 20-mal. Insgesamt 3-mal am Tag üben, zuerst im Liegen, dann im Sitzen. Dabei weder Bauch noch Po anspannen und unbedingt weiter atmen."
 
Um es abwechslungsreicher zu machen, empfiehlt Sonja Soeder die kostenlose App Easy Kegel. Dort kann man individuell sein Übungsprogramm einstellen und erhält sowohl Trainingserinnerungen als auch eine Trainingsübersicht.

Wie mache ich Beckenbodenübungen richtig?

"Man stellt sich vor, die Muskeln derart anzuspannen, als wenn man den Urinstrahl, unterbricht", sagt die Beckenbodenexpertin. Häufig liest man, dass man sich vorstellen soll, mit den Muskeln des Beckenbodens eine Murmel zu ergreifen und in den Unterleib einzuziehen. Sonja Soeder hat einen anderen Tipp für Frauen: "Die Murmel ist zu klein. Besser ist, sich einen Tampon vorzustellen und ihn festzuhalten. Vom Steißbein drücke ich in meiner Vorstellung den Tampon zum Schambein. Es ist ein von hinten nach vorne oben Schieben und gleichzeitiges Anheben." Wichtig sei dabei, im Unterleib ganz locker zu bleiben, also nicht den Bauch mit anzuspannen. Wenn Männer den Beckenboden aktivieren wollen, rät sie ihnen, sich vorzustellen, den Penis anzuheben.

Beckenbodentraining: Übungen in den Alltag integrieren

Sobald das Aktivieren des Beckenbodens gut klappt, kann man diese Übungen mit Alltagstätigkeiten kombinieren, so Sonja Soeder: "Beim Händewaschen ausdauernd anspannen und nachspannen, an der Haltestelle oder an der Supermarktkasse so viele schnelle kurze Anspannungen wie möglich. Auf diese Weise mehrmals 3–5-mal täglich 5 min am Stück beginnend trainieren und schließlich 1–2-mal täglich 20 Minuten."

Beckenbodentraining: Übungen in Gymnastik einbauen

Erst wenn man weiß, wie man den Beckenboden aktiviert und in der Lage ist, ihn etwas länger anzuspannen, könne man, laut Sonja Soeder, die Übungen in Bewegungen integrieren, z.B. beim Aufstehen oder Tanzen. Wer möchte, kann sie auch in Yoga- und Gymnastikübungen einbauen, wie man sie z.B. bei YouTube findet. Andernfalls kräftige man nur die das Becken umliegenden Muskeln, aber nicht den Beckenboden an sich.

Beckenbodentraining: Was bringen Hilfsmittel?

Vaginalkonen sind kleine, konisch geformte Gewichte, die die Frau wie einen Tampon in die Vagina einführt. Dort sollen sie beim Gehen oder Stehen von der Muskulatur gehalten werden. Sonja Soeder beobachtet jedoch, dass die Konen sich häufig querlegen, vor allem bei Frauen nach der Entbindung. Sie rät zu den so genannten "Smartballs", die ebenfalls eingeführt werden. Die Schwingungen der inneren Kugeln lösen im Beckenboden das Gefühl aus, etwas zu verlieren. Die Muskulatur reagiert darauf reflexartig mit Kontraktionen.

Beckenbodentraining mit Bio-Feedback

Mit Biofeedback soll Beckenbodentraining mehr Spaß machen und effizienter sein, so die Werbung. Eine Vaginalsonde misst dabei über Drucksensoren die Aktivität der Beckenbodenmuskulatur und zeigt über eine App auf dem Smartphone an, ob man die Übungen richtig ausführt. Sonja Soeders Urteil: "Ich arbeite sehr gern mit den verschiedenen auf dem Markt erhältlichen Geräten. Es ist wichtig, die Patienten und Patientinnen am für sie richtigen Gerät anzuleiten. Beckenbodentraining soll auch Spaß machen, dies ermöglichen diese Apps und Geräte. Für alle Geräte gilt jedoch: Ich muss überhaupt erst in der Lage sein, die Muskeln des Beckenbodens aktiv anzuspannen. Aber die Geräte reagieren häufig auch dann, wenn ich mit dem Bauch drücke oder den Po anspanne."

Wie lange dauert es bis der Beckenboden trainiert ist?

Laut Sonja Soeder sieht man nach vier Wochen täglichen Übens erste Erfolge: "Entweder man hat eine bessere Wahrnehmung oder es gelingt leichter, den Beckenboden spontan anzuspannen - man muss nicht mehr nachdenken."

Hilft Beckenbodentraining bei Inkontinenz?

Beckenbodentraining kann bei Inkontinenz helfen. "In Abhängigkeit von der Ursache ist es möglich, durch Verhaltensveränderungen und Training", sagt Sonja Soeder. "Die Dauer ist abhängig von der Ursache und der vorhandenen Kraft. Wenn man die physiotherapeutischen Maßnahmen umsetzt, bemerkt man nach 2-3 Monaten deutliche Fortschritte. Es kann aber auch schneller gehen oder länger dauern."
 
Bei manchen schwerwiegenden Inkontinenz Erkrankungen kann Beckenbodentraining die Behandlung unterstützen aber nicht die Ursache der Inkontinenz beheben. In solchen Fällen hilft ein Arzt oder eine Ärztin bei der Therapie der Inkontinenz weiter.

Mehr zu Inkontinenz und Beckenbodensenkung

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Folgender Sport ist gut für den Beckenboden

• Tanzen (aber nicht springen)
• Klettern
• Golf
• Inlineskating
• Rudern
• Pilates
• Yoga
• Cross Fit

Wann sollte man mit dem Beckenbodentraining beginnen?

"Jeder Mensch sollte schon früh im Leben den Beckenboden wahrnehmen und kräftigen", sagt Sonja Soeder, "am besten bereits ab 16 Jahren. Zur Pubertät gehört auch, den Körper kennenzulernen So wie man eine Menstruation bekommt, oder eine Erektion hat, muss man wissen: Was sind das eigentlich für Muskeln."
 
Spätestens im Zuge einer Schwangerschaft solle man anfangen zu trainieren. "40 Prozent aller Schwangeren leiden unter Harninkontinenz", weiß die Beckenbodenexpertin.

Besserer Sex durch Beckenbodentraining

"Beckenbodentraining ist ein bisschen langweilig", gibt Sonja Soeder zu. Aber sie weiß, wie man auch zum Training motivieren kann: "Der Beckenboden spielt auch eine wichtige Rolle in der Sexualität". Bei Frauen regulieren die Beckenbodenmuskeln die Weite der Scheide, beim Mann unterstützen sie die Erektion. "Dazu kommt, dass ein fester Beckenboden die Durchblutung der Sexualorgane steigert. Dann habe ich eine bessere Durchblutung, das macht eine bessere Wahrnehmung und das macht natürlich auch mehr Spaß."

Fazit

Beckenbodentrainieren bringt erst etwas, wenn man in der Lage ist, die Muskulatur des Beckenbodens wahrzunehmen und gezielt anzuspannen. Danach können Übungen zu Hause mit und ohne Hilfsmittel durchgeführt werden. Wer sich unsicher ist, welches Gerät oder Hilfsmittel zu einem passt oder noch nicht ganz die Beckenbodenmuskulatur von Bauch- und oder Pomuskeln unterscheiden kann, sollte sich Hilfe bei Experten und Expertinnen, wie spezialisierten Physiotherapeuten und Physiotherapeutinnen oder in einem Beckenbodenzentrum holen.

Beitrag von Carola Welt

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