Ärzt*innenteam von oben betrachtet (Bild: imago images/agefootostock)
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Mehr als eine Expertise bei Rheuma, Herzschwäche oder Krebs - Interdisziplinär versorgt: Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung

Wer unter Rheuma, Krebs oder Herzschwäche leidet, braucht mehr als eine Fachdisziplin, um medizinisch gut versorgt zu werden. Mit der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung – kurz ASV – wird dem Rechnung getragen. In der ASV arbeiten gemischte Ärzteteams zusammen, z.B. ergänzt durch Psychotherapeut*innen und soziale Dienste. rbb Praxis über einen Ansatz, der die Versorgung von Patient*innen verbessern will.

Seit April 2014 gibt es die ambulante spezialfachärztliche Versorgung, kurz ASV. Das Besondere: die Behandlung der Patient*innen erfolgt ambulant durch interdisziplinäre Ärzt*innenteams in Praxen und Kliniken. Das heißt: Die sonst übliche strikte Trennung zwischen ambulanter und klinischer Versorgung, wird durch die ASV aufgehoben.

Die Versorgung umfasst sowohl die Diagnostik als auch die Behandlung komplexer, schwer therapiebarer Krankheiten. Alle ASV-Teams müssen - bezogen auf das Krankheitsbild, auf das sie sich spezialisiert haben – den gleichen Umfang und die gleiche Qualität der Leistungen erbringen; unabhängig davon, wo sie sich befinden.
 
Das ASV-Team hat eine fachärztliche Teamleitung, die auch erster Ansprechpartner für die Patient*innen ist. Sie koordiniert die Behandlung und sorgt für eine fachübergreifende Abstimmung der Teammitglieder bezüglich der Behandlung der Patient*innen.

Für Patient*innen mit schweren Erkrankungen

Generell wendet sich die ASV an Patient*innengruppen, die unter bestimmten schweren oder seltenen Erkrankungen leiden. Die ersten Erkrankungen, für die der Gemeinsame Bundesausschuss, die ASV zugelassen hat, waren 2014 Tuberkulose und Tumoren des Magen-Darm-Traktes. Eine Auflistung, mit welchen Erkrankungen Patient*innen derzeit im Rahmen der ASV versorgt werden, findet sich hier.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (BA), das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und Krankenkassen, kann weitere Indikationen ergänzen. Das trifft zum Beispiel auf die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zu, wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. Diese wurden erst im August 2020 in die Liste mitaufgenommen.

Das Procedere

Für die medizinische Versorgung in der ASV ist eine Überweisung durch den Haus- oder Facharzt notwendig. Der überweisende Arzt wird dann Rücksprache mit dem ASV-Team halten und gegebenenfalls einen ersten Termin vereinbaren. Nach einem Krankenhausaufenthalt kann die ambulante fachärztliche Versorgung auch von einer Krankenhausärztin oder einem Krankenhausarzt veranlasst werden.
 
Die Kosten für die ASV werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Patient*innen können das ihrer Erkrankung entsprechende ASV-Team frei wählen und auch während der Behandlung wechseln. Die Wahlmöglichkeit kann allerdings dadurch eingeschränkt sein, dass es in Deutschland nur eine begrenzte Zahl von ASV-Teams gibt.

Die Behandlung im ASV-Team am Beispiel von Rheuma

Eines von drei auf Rheuma spezialisierten ASV-Teams in Berlin und Brandenburg befindet sich in der Park-Klinik Weißensee. Das Kernteam dort besteht aus elf Rheumatologen, sechs Nephrologen, drei Dermatologen, drei Pulmologen und einem orthopädischen Rheumatologen. Außerdem arbeitet das Rheumazentrum mit mehr als 30 niedergelassenen Fachärzt*innen (u.a. Augen, HNO, Neurologie, Gastroenterologie, Onkologie und Radiologie) und acht Laboren zusammen.

Die meisten Patient*innen kämen mit Gelenkbeschwerden und hätten positive Autoantikörper im Blut, so genannte Rheumafaktoren, erläutert Prof. Dr. Marina Backhaus, Chefärztin der Abteilung für Innere Medizin, Rheumatologie und Klinische Immunologie an der Park-Klinik Weißensee: "Das muss dann schnell abgeklärt werden, ob es sich um eine entzündliche-rheumatische Erkrankung handelt, um Gelenkschäden zu vermeiden". Marina Backhaus, ist auch Teamleiterin des Rheumazentrums.

Seit Februar 2020, seit es das ASV-Team für Rheuma in der Park-Klinik Weißensee gibt, hätten sich dort rund 600 Patient*innen vorgestellt, ergänzt sie. Die Patient*innen durchlaufen zu Beginn eine komplexe Diagnostik, die zentral an einem Ort angeboten werden kann. Dazu gehören neben der gründlichen körperlichen Untersuchung auch bildgebende Verfahren wie konventionelles Röntgen, Magnetresonanztomografie, Ultraschall der Gelenke, Computertomografie und Knochendichtemessung.

Vorteile der ASV für Rheumapatient*innen

Die Patient*innen würden in einem Netzwerk betreut, das aus erfahrenen Kooperationspartner*innen der verschiedenen Fachbereiche besteht, so Prof. Backhaus. Ein großer Vorteil seien die kurzen Wege und die schnelle Terminvergabe. Die ASV-Patient*innen bekommen schneller Termine bei den jeweiligen Fachärzt*innen, als diejenigen, die nicht im ASV-Team behandelt werden.
 
"Das Gute ist, die Patienten, die wir in der Park-Klinik stationär versorgen, können im ASV-Team ambulant weiterversorgt werden. Man kennt die Patienten und fängt nicht immer wieder von vorne an", sagt Rheumatologin Marina Backhaus. Auch die niedergelassenen Kolleg*innen, die die Patient*innen betreuen, hätten gleich alle Patientendaten zur Hand und Doppeluntersuchungen würden so vermieden.

Aaufgabe: Versorgungslücken schließen

Es gibt viel zu wenig niedergelassene Rheumatologen in Deutschland. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie geht davon aus, dass sich die Zahl von 1.200 Rheumatolog*innen etwa verdoppeln müsste, um alle Patient*innen gut zu versorgen.
 
Die ASV schafft zwar nicht per se mehr Spezialist*innen, aber sie holt mehr Fachärzt*innen ins Boot, die die ambulante Versorgung von Rheumatiker*innen unterstützen können. Allerdings gibt es insgesamt mehr ASV-Teams in den Städten als auf dem Land.
 
"Die Decke ist in den ländlichen Regionen eher dünn", sagt Pof. Marina Backhaus vom Rheumazentrum der Park-Klinik Weißensee. Das Problem bei Rheumapatient*innen sei, dass sie diese Erkrankung ein Leben lang hätten - mal mehr mal weniger. "Dadurch fallen sie aus der Betreuung nicht heraus", so Backhaus. In der Konsequenz müssten die ASV-Teams für Rheumapatient*innen eher mehr als weniger werden.

Beitrag von Ursula Stamm

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