Installationsraum der Künstlerin Janet Laurence auf der IGA 2017 (Quelle: Frank Sperling)
Bild: Frank Sperling

Interview | IGA 2017 - Zwischen Gut und Böse: die Kraft der Heilpflanzen

Jedes Kind kennt sie: die Kräuterhexe aus Märchen und schaurigen Legenden, die sowohl heilt, als auch vergiften kann. Der Fluch und Segen der Heilpflanzen hat die Menschen seit jeher fasziniert. Kam es jedoch zu Nebenwirkungen oder gar zum Tode, wurden vor allem kräuterkundige Frauen schnell der Hexerei bezichtigt. Doch diese legten bereits die Grundlage vieler moderner Medikamente, wie Aspirin.

Die australische Künstlerin Janet Laurence zeigt auf der IGA 2017, welche Heilpflanzen uns schon immer umgeben und nimmt die Besucher auf eine botanische Reise zu unseren Ursprüngen.

Frau Laurence, wie wollen Sie die IGA-Besucher mittels Ihrer Kunstausstellung wieder zum Ursprung der Heilpflanzen führen?

Indem ich sie in einen Installationsraum führe, der wie eine große Blume ist. Das nämlich ist der Kern unserer Ausstellung: ein runder, transparenter Raum mit gläsernen Wasserröhren und einer großen Wasserkugel über den Köpfen der Besucher. Diese Stimmung lässt sie eine Verbindung zur Botanik spüren, eine Ursprünglichkeit. Zahlreiche Vitrinen mit Pflanzen und Kräutern zeigen die Bandbreite der Pflanzenwelt und verbinden die Besucher mit der Ursprünglichkeit der Heilpflanzen. Zudem finden sie in kleinen Gefäßen kurze Geschichten über die ausgestellten Pflanzen, manchmal auch nur ein Zitat, etwa von der Nonne Hildegard von Bingen. Es geht sprichwörtlich darum, wieder zu den Wurzeln zurückzukehren.

Welche Heilpflanzen stellen Sie vor und was macht sie aus?

Ich will vor allem Pflanzen zeigen, die uns schon immer umgeben, die wir aus unserer Umgebung kennen. Da wäre zum Beispiel die Weide. Bereits die Menschen im Mittelalter haben aus dem Baum einen Wirkstoff gegen Schmerzen gewonnen und selbst Hippokrates beschrieb schon in der Antike ein bitteres Pulver aus der Weidenrinde, das Schmerz und Fieber minderte. Heute kaufen wir denselben Wirkstoff in Form von Aspirin in der Apotheke, wobei mittlerweile auch vieles chemisch abläuft.
 
Oder nehmen wir die Alraune. Eine sehr berühmte Heilpflanze. In der Vergangenheit hatte die Pflanze etwas Unheimliches an sich. Sein pflanzliches Gift könne den Menschen verrückt machen. Und tatsächlich ist da etwas dran: Alraunen wurden als Betäubungsmittel eingesetzt, doch tragen sie auch Halluzinogene in sich und können somit einen hypnotisierenden Effekt haben. Besonders weil die Dosierung schwierig war und nicht selten zu Schwindel und Herzrasen führte. Weil ihre Wurzeln selbst aussehen, wie kleine Menschen, war der Mythos des Übernatürlichen perfekt.
 
Vielen ebenfalls in diesem Zusammenhang bekannt ist der Stechapfel, auch als Schwarzes Bilsenkraut bekannt. Im Mittelalter wurde es als Anästhetikum eingesetzt und hat mit seiner berauschenden Wirkung die Phantasie der Menschen beflügelt. Verabreichte man jedoch zu viel davon, konnte es sogar zum Tode führen.  

Was hat Sie dazu bewegt, diese Ausstellung zu machen?

Als ich dazu eingeladen wurde, diese Ausstellung zu machen, habe ich an die lange Tradition in der Nutzung von medizinischen Heilpflanzen hierzulande gedacht. Dass das vielen Menschen gar nicht bewusst ist, musste ich selbst erstmal verstehen und habe dann die Geschichte der Heilpflanzen erforscht.
 
Während meiner Recherche hat mich dann eines gepackt: Einige Pflanzen, die wir heute ganz selbstverständlich in der modernen Medizin benutzen, wurden lange Zeit mit großem Misstrauen betrachtet. Eben weil sie beispielsweise einen Effekt auf das Gehirn hatten und zu Halluzinationen führten. Mich aber hat genau dieser Umstand fasziniert: Die Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung von heute und früher - zwischen dem kontrollierten Einsatz der Stoffe in der modernen Medizin und der mystischen Bedeutung für unsere Vorfahren. 

Haben Sie da ein besonderes Beispiel im Kopf?

Ja, Cannabis. Heute ist die Pflanze als Medizin akzeptiert. Aber schon lange vorher haben die Menschen sie als Schmerzmittel und Antidepressiva eingesetzt. Selbst Tiere kannten die Wirkung der Hanfpflanzen. Heute gibt es ein Gesetz, welches die medizinische Nutzung unter bestimmten Umständen legalisiert.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Laurence.
Das Interview führte Tom Garus (Übersetzung aus dem Englischen von Tom Garus)