Interview | Prof. Dr. Reimund Schwarze, Umweltökonom an der Viadrina - "Es ist ein positives Signal, aber es gibt uns mehr Aufgaben als Lösungen"

Fr 14.05.21 | 18:46 Uhr
Prof. Reimund Schwarze; Umweltökonom (Quelle: EUV)
Bild: rbb (EUV Heide Fest)

Das Bundeskabinett hat sich am Mittwoch auf ein schärferes Klimaschutzgesetz geeinigt. Im rbb-Interview kritisiert der Umweltökonom Reimund Schwarze von der Europa-Universität Viadrina, dass das neue Gesetz viele Fragen offen lasse.

rbb: Herr Schwarze, mit dem neuen Klimaschutzgesetz setzt sich Deutschland das Ziel bis 2045 klimaneutral zu werden. Außerdem soll der CO2-Ausstoß bis 2030 statt wie bisher 55 Prozent um 65 Prozent reduziert werden. Wie bewerten Sie das neue Gesetz?

Reimund Schwarze: Es ist vielleicht nicht epochal, wie es die taz genannt hat, aber ambitionierte nationale Klimaziele sind natürlich immer gut. Ich habe mich jetzt mit dem Hintergrund für die Maßnahmen befasst und dabei noch viele Fragen offen gefunden. Ich würde erstmal sagen, es ist ein positives Signal, aber es gibt uns mehr Aufgaben als Lösungen.

Von welchen Leerstellen sprechen Sie da genau?

Sie haben es eben schon erwähnt. Wir haben sehr ambitioniertere Ziele für 2030, wir haben schon 2045 Klimaneutralität, auch der Begriff hinterlässt eher einige Fragen. Aber ich gehe davon aus, das Treibhausgasneutralität damit gemeint ist. Dann gibt es natürlich große Aufgaben, gerade bei dem beschleunigten Tempo, in der Frage der Transformation unserer Landwirtschaft, die muss dann auch methanneutral in 2045 sein und da müssen wir jetzt eine Agrarwende einleiten, um das zu erzielen. Der für mich aber entscheidende Schwachpunkt liegt darin, dass diese Maßnahmen nicht abgestimmt sind mit internationalen Entwicklungen, aber davon abhängig sind im Erfolg.

Was hätte Ihrer Meinung im neuen Klimaschutzgesetz verankert werden müssen?

Wir hätten bei der Frage der Verfolgung der Programm-Maßnahmen Indikatoren haben müssen, die zum Beispiel so etwas wie den Ausbau von Infrastrukturen messen. Und wenn wir damit rechnen wollen, dass 15 Prozent der Ernährung demnächst aus synthetischen Fleisch- und Milchersatzprodukten sind und dass nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt, damit eben auch unsere Exportebilanz stimmt, dann muss man natürlich auch beobachten, wie entwickelt sich das in Deutschland und im Ausland mit der Nachfrage nach Fleisch und Milch. Im Moment gibt es gar keine Indikatoren in diesem Bereich und keinen Ausbau von Ladestrukturen - ein zentrales Thema für Brandenburg. Hier gibt es die Zusage, bis 2030 klimaneutral Verkehrsleistung anbieten zu können. Die Ladeinfrastruktur hinkt aber extrem hinterher. Hier müssten auch Beobachtungsmaßnahmen her. Das fehlt jetzt im Gesetz. Infsofern sind viele Fragen offen, wie man das Zeil erreicht. Aber schön, dass man sich das Ziel gesetzt hat.

Klimaschutzaktivist*innen von Fridays for Future haben am Mittwoch in Berlin gegen das Gesetz demonstriert. Sie sprechen von einem "wahlkampftaktischen Move". Lässt sich mit dem nun verschärften Gesetz das Rad noch rumreißen?

Ich finde es schon eine zentrale Zäsur in der deutschen Politik. Auch die Idee, jetzt nach außen zu signalisieren, wir wollen die Nase vorn haben. Wenn die Welt erst in 2050 klimaneutral sein will, schaffen wir das in 2045. Das ist natürlich ein großes Versprechen, Technologieführerschaft zu behalten, in Leitmärkten wie etwa der Elektromobilität vorne zu sein und diese Orientierung an großen, ja geradezu visionär, industriepolitischen Zielen, ist natürlich eine Zäsur. Insofern korrigier ich mich, das ist in der Tat epochal.

 

Sie sind auch am Helmhotz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig tätig. Lassen uns noch einen Blick auf die aktuelle Wetterlage werfen. Das vergangene Jahr war das sechste innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren, das zu trocken war. Diesen Winter gab es schon viel Schnee, in den letzten Tagen hat verstärkt geregnet. Wie blicken sie auf das Jahr 2021?

Es gibt ja Berechnungen vom Helmholz-Zentrum für Umweltforschung unter anderem, die zeigen, dass die Dürre, die wir vor einigen Jahren hatten, so extrem war, so extrem war, dass deren langfristige Folgen nicht abgepuffert sind. Nun bin ich auch seit langem in der Betreuung der Katastrophenschutzvorsoge für das Innenministerium tätig und ich kann Ihnen nur sagen, wir haben damals schon gesagt, dass sich langjährige Dürren im Zuge des Klimawandels einstellen. Bis zu sieben Jahre könnnen wir in der Dürre stecken, wenn wir jetzt weiter Niederschlagsknappheit haben. Sie ist jetzt nicht so dramatisch, wie sie vor einigen Jahren war. Kurzum: Die wissenschaftliche Begleitung sagt, dass wir aus der Dürre in diesem Jahr jedenfalls noch nicht herauskommen. Das Wasserdefizit, was entstanden ist, wird nicht hinreichend durch die jetzt etwas bessere Niederschlagssituation ausgeglichen. Das heißt, wir müssen nach wie vor über Strategien nachdenken, wie wir mit der Trockenheit leben können. Das verbindet sich ganz wunderbar mit der Agrarwende, indem wir nochmal neu denken, wie gehen wir eigentlichen mit unseren Feldern und Böden um, damit wir in so einer Lage einfach besser aufgestellt sind. Dazu gibt jetzt auch zumindest das Klimaschutzgesetz zumindest den Anstoß.

Vielen Dank für das Gespräch Herr Schwarze.

Das Interview führte Tony Schönberg, Antenne Brandenburg.

 

Sendung: Antenne Brandenburg, 14.05.2021, 14.10 Uhr

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