Eine aufgeschnittene geringelte Bete auf einem Holzschneidebrett (Quelle: imago images/Kickner)
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Di 05.05.2020 | Interview | Lesedauer etwa 9 Minuten - Ernährung: Superessen von nebenan

Interview mit Autorin Stefanie Schäfter zum Buch "Super Local Food" 

Gibt es unter den Lebensmitteln bessere und damit wichtigere? Angeblich ja. Superfoods werden sie deswegen auch genannt. Aber importierte Superfoods wie Quinoa oder Chia sind nicht ausschließlich super. Und man braucht sie nicht, um sich gesund zu ernähren. Zu diesem Fazit kommen Autorinnen und Autor des Buchs "Super Local Food - Gesund und nachhaltig essen: Faktencheck und Rezepte". Sie stellen darin leckere, abwechslungsreiche und leicht zu verarbeitende Lebensmittel vor, die vor unserer Haustür wachsen und mit denen wir unseren Körper sehr gut versorgen. Stefanie Schäfter, eine der Autorinnen, verrät uns, wie man Superfoods mit Regionalität vereinen kann.

Wie einfach und abwechslungsreich kann das lokale Superfood sein?

Die lokalen Superfoods, die wir vorstellen sind viele alte Bekannte, die eigentlich viele Jahrhunderte hier in Deutschland in unserem Speiseplan verankert waren. Zum Beispiel geringelte Beete, violette Tomaten, Brennnesseln, Holunder oder Hagebutten. Eine große Entdeckung für mich waren Hirse und Buchweizen, weil die einfach zuzubereiten, sehr lecker und glutenfrei sind - gut für diejenigen, die darauf achten müssen. Und all diese Superfoods wachsen hier um die Ecke oder lassen sich sogar wild sammeln. Brennnesseln kann man beispielsweise wie Spinat kochen und als Pasta-Soße verwenden. Da gibt es eine sehr große Vielfalt, und die Zubereitung ist auch gar nicht schwer.

Können die Produkte aus Deutschland mit importierten Superfoods mithalten?

Auf jeden Fall. Denn importierte Superfoods sind oft gar nicht so super. Die Samen, Früchte, Algen oder Getreidesorten werden oft unreif geerntet und für den Transport stark verarbeitet oder lange haltbar gemacht, sodass nicht mehr klar ist, ob sie wirklich noch so gesund sind. Der große Vorteil unserer lokalen Superfoods ist, dass man sie erntefrisch, unverarbeitet und voller Geschmack bekommen kann. Man hat die Garantie, dass noch alle wertvollen Inhaltsstoffe enthalten sind, wie Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe, Antioxidantien, Ballaststoffe und Mineralien. Die wirken sich zum Beispiel positiv auf die Verdauung, den Stoffwechsel, die Immunabwehr, die Lunge und das Herz-Kreislauf-System aus, manche wirken mitunter auch beruhigend. Hinzu kommt, dass frische Lebensmittel keine Zusatzstoffe enthalten.

Wie ist lokal oder regional für das Buch definiert?

Grundsätzlich definieren wir in dem Buch nicht, was lokal oder regional ist. Das kann stark vom Produkt abhängen, ob deutschlandweit schon regional ist oder ein Umkreis von 200 Kilometern. Regionalität muss auch nicht an den Ländergrenzen aufhören. Polnische Äpfel können in Berlin oder Brandenburg regional sein, genauso wie französische Weintrauben in Freiburg. Wichtig ist, dass man sich bewusst macht, dass der Begriff "regional" nicht geschützt ist und selbst anfängt darüber nachzudenken, wo die Produkte herkommen und was im eigenen Umkreis angebaut wird.

Wo muss ich einkaufen gehen, um lokale Superfoods zu bekommen?

Den Großteil der lokalen Superfoods gibt es im Supermarkt – zum Beispiel Erdbeeren, Tomaten, Brokkoli, Rosmarin, Petersilie, Knoblauch oder Zwiebeln. Wichtig ist, dass man sich daran orientiert, welches Obst oder Gemüse Saison hat und darauf auch wartet, wie zum Beispiel bei weißem Spargel. Nur dann sind die Produkte frisch, und man bezahlt in der Regel auch ein bisschen weniger. Für alle, die zusätzlich auf Regionalität achten wollen, empfehle ich Wochenmärkte. Die Bauern dort informieren gerne und sind dankbar für Tipps, was gefragt ist. In Berlin und Brandenburg werden zum Beispiel kaum Linsen angebaut, es gibt momentan nur einen Bauern im Spreewald, der das tut. Dem werden die Produkte aus der Hand gerissen, sodass nun andere nachziehen. Dann gibt es Hofläden oder Bio- und Regionalkisten, wo man bestellen kann. Und manche Superfood-Sorten kann man auch selbst auf der Fensterbank, dem Balkon oder im Garten anbauen: Kräuter, Tomaten, Salat, Radieschen. Grundsätzlich gilt: Alles, was zusammen Saison hat, lässt sich lecker kombinieren.

Hofläden und Regionalkisten sind ja in der Regel etwas teurer. Wie sieht es aus für Menschen mit kleinerem Geldbeutel?

Diejenigen, die importierte Superfoods kaufen, zum Beispiel Produkte mit Chia-Samen, geben dafür viel Geld aus. Die sind teuer, weil Importkosten auf den Preis draufgeschlagen werden. Und weil sich mit dem Label "Superfood" auch Gewinn machen lässt. Aber wenn diese Zielgruppe stattdessen Obst- und Gemüse aus der Region kauft, kann das sogar günstiger sein, weil es weniger Zwischenhändler, Transportstrecken oder Lagerungen gibt. Saisonal kaufen ist auch in der Regel günstiger. Im Supermarkt kosten Erdbeeren im Sommer deutlich weniger als im Winter. Im Vergleich zu industriell gefertigten Lebensmitteln können die Preise auch mal höher sein. Aber wir finden, dass es das für die eigene Gesundheit dann auch wert ist.

Wo sehen Sie Handlungsbedarf in der Politik?

Als erstes, Ernährungsbildung stärken. Wer nicht den Zugang über die Eltern, die Kita oder die Schule dazu hat, weiß nicht, was ein gesundes Lebensmittel ist und welche Produkte Umweltschäden verursachen. Ein Schokoriegel wird zum Beispiel nicht gesund, nur weil da Chiasamen draufkommen. Zweitens, Vielfalt fördern. Das heißt: Auch kleine Betriebe stärken, die eher auf alte Sorten setzen und Nischenprodukte anbauen. Und als drittes: Noch mehr Transparenz bezüglich Arbeitsbedingungen, Armut und Kinderarbeit bei Importprodukten. Kaffee, Tee, Kakao, Schokolade oder Pfeffer können wir nun mal nicht eins zu eins regional ersetzen. Und da wünsche ich mir, dass die Politik stärker einfordert, dass soziale und ökologische Standards eingehalten werden.

Haben Sie Hoffnung, dass sich das Bewusstsein verändert?

Wir sehen schon, dass sich was tut und zum Beispiel kleine, bäuerliche Betriebe, die diese lokalen Superfoods anbauen, selbstbewusster auftreten und mehr Förderung einfordern. Durch die Corona-Pandemie wird die Diskussion deutlich intensiver, unabhängiger von Importen zu werden. Kleine Betriebe, die Bio-Körbe oder Gemüsekisten anbieten, werden gerade überrannt von Menschen, die sich mit frischen Lebensmitteln versorgen wollen. Wir sind gespannt, ob das auch eine langfristige Auswirkung hat.

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