
Do 22.04.2021 | Interview | Lesedauer etwa 5 Minuten - Garten: Nicht jedes Kraut muss raus
Rupf und raus damit - so läuft es in vielen Gärten mit dem Unkraut. Aber es gibt andere Wege. Wir haben erfragt, wie man sich Brennessel, Löwenzahn und Co. zunutze macht.
Der Löwenzahn sprießt aus jedem Quadratmeter Rasen, die Brennnesseln machen sich im Beet breit und was wächst da eigentlich zwischen den Terrassenplatten? Unkräuter sind für viele Hobbygärtnerinnen und -gärtner eine Qual. Sie müssen mühsam entfernt werden - und kommen doch immer wieder.
Die Fachjournalistin für Botanik und Buchautorin Brundhilde Bross-Burkhardt beschreibt in ihrem Sachbuch "Lob des Unkrauts", wie Hobbygärtner das (Un)kraut in ihren Beeten sinnvoll nutzen können und wie eine schonende Regulierung der ungeladenen Pflanzen aussehen sollte. Für SUPER.MARKT beantwortet die Expertin die wichtigsten Fragen zum Unkraut und was man - außer entfernen - damit machen kann.
SUPER.MARKT: Was sind die gängigsten Wildkräuter, die bei vielen Gärtnern und Gärtnerinnen als Unkraut gelten? Und was kann man aus ihnen machen?
Dr. Brunhilde Bross-Burkhardt, Fachjournalistin für Botanik und Buchautorin: Die bekanntesten Wildkräuter sind wohl die ausdauernden Arten Brennnessel, Giersch und Löwenzahn, gefolgt von den einjährigen Arten Vogelmiere, Rote Taubnessel und Ehrenpreis. Alle diese Arten erscheinen im Frühjahr. Im Sommer sprießen auf den Beeten weitere Kräuter wie beispielsweise Melde und Franzosenkraut.
Generell sollte man nur die Kräuter verwenden, die man sicher erkennt. Viele von den Allerweltsunkräutern lassen sich hervorragend in der Küche verwerten und genauso zubereiten wie kultivierte Gemüse und Kräuter – für Salate, Pesto, Brotaufstriche, Kräutersalz, warme Gemüsegerichte. Brennnessel- und Giersch-Lasagne ist ein Gedicht, und Vogelmierepesto kann es locker mit Basilikumpesto aufnehmen. Mein Favorit derzeit ist Löwenzahnsalat pur mit einer nussigen Vinaigrette, überstreut mit Pecorinokäse. Als Getränk Brennnesseltee dazu, verfeinert mit Zitronenmelisse. Und nicht zu vergessen die super gesunden flüssigen Zubereitungen in Form von Frischpflanzenpresssaft oder Smoothie, wofür sich Brennnessel, Giersch und Vogelmiere bestens eignen.
Warum sind einige Wildkräuter überhaupt so in Verruf geraten?
Die Vorsilbe "Un" hat in vielen Fällen durchaus ihre Berechtigung. Es ist nun einmal so, dass Wildkräuter auf Beeten und Äckern mit Kulturpflanzen konkurrieren. Sie wachsen oft schneller und höher als die Nutzpflanzen und nehmen denen Licht, Raum und Nahrung, so dass diese nur noch schlecht gedeihen. Das kann so weit gehen, dass alles Gepflanzte eingeht. Deswegen ist die Unkrautregulierung eine der wichtigsten Tätigkeiten in Landwirtschaft und Gartenbau. Das gilt nicht nur für den Erwerbsanbau, sondern genauso für den Nutzpflanzenanbau in Privatgärten.
Wann muss man Unkräuter entfernen? Und wann und warum lässt man ihnen besser etwas Raum?
Als Botanikerin und Naturschützerin bin ich sehr tolerant den Wildkräutern gegenüber, lasse vieles stehen, hacke und jäte nicht allzu gründlich. Andererseits weiß ich als studierte Agrarwissenschaftlerin um den schädlichen Effekt von allzu viel Wildwuchs. Von mir kommt also eher ein "Lob des Unkrauts", aber mit Einschränkungen. Ich muss ja schließlich nicht von meinem Land leben. Deshalb kann ich mir eine lässige Sicht auf die "Unkräuter" erlauben.
Dabei differenziere ich zwischen den Beeten mit Nutzpflanzen, auf denen Unkrautregulierung durch hacken und jäten nötig ist, und der restlichen Gartenfläche mit Staudenbeeten, Gehölzstreifen, Baumscheiben und derlei, auf denen man nicht so gründlich vorgehen muss und wo der Unterwuchs stehenbleiben kann. Vor allem früh blühende Wildkräuter sind ja auch wichtige Bienenweidepflanzen. Ich denke da an Löwenzahn, Gundermann und Taubnesseln, die gerade in den Frühjahrstagen intensiv von Hummeln besucht werden.
Wie wird man die Unkräuter am schonendsten los?
Wie man am besten gegen die Unkräuter vorgeht hängt immer von deren Ausbreitungsstrategie ab, ob sie sich geschlechtlich über Samen oder ungeschlechtlich, beispielsweise über Wurzelausläufer, ausbreiten. Ob sie ein- oder mehrjährig sind, wie ihr Wurzelwerk aussieht, wie tief sie wurzeln. Wer sich damit befasst und danach vorgeht, kann sich viel Mühe ersparen.

Einjährige Unkräuter auf Beeten wie Vogelmiere, Rote Taubnessel, Ehrenpreis, Melde sind relativ harmlos. Die lassen sich durch regelmäßiges Hacken und Jäten regulieren. Bei denen geht es lediglich darum, die oberirdischen Teile von den Wurzeln zu trennen. Dann vertrocknet das Blattwerk. Hackt man vor der Samenreife, können die grünen Teile an Ort und Stelle auf dem Beet liegen bleiben. Samentragende Wildkräuter sollte man besser vom Beet entfernen, damit die Samenfracht im Boden nicht noch größer wird. Diese nicht kompostieren, sondern in die Biotonne geben.
Die Brennnessel ist zwar auch lästig, doch ihr kommt man mit Ausgraben ganz gut bei. Löwenzahn im Rasen entfernt am besten punktuell mit einem Unkrautstecher, mit dem man die tief in den Boden reichende Pfahlwurzel heraushebelt. Es gibt auch spezielle Handgeräte, mit denen sich die Rosette samt Pfahlwurzel herausziehen lässt.
Und für die Entfernung welcher Unkräuter muss man Geduld mitbringen?
Wirkliche Probleme bereiten die Wurzelunkräuter und -gräser, allen voran der Giersch, der im Boden nach allen Seiten seine Rhizome ausschickt. Der lässt sich nur durch gründliches und wiederholtes Entfernen des Rhizomgeflechts im Boden einigermaßen in den Griff bekommen. Dafür nicht die Hacke verwenden, sondern eher die Grabegabel oder einen Handjäter. Das Problem ist, dass er aus jedem kleinen Rhizomstück, das man nicht erwischt, neu austreibt.
Eine andere Strategie kann auch sein, das Kraut durch wiederholtes Abmähen so zu schwächen, dass es weniger kräftig austreibt. Lichtentzug durch Auflegen von lichtundurchlässigem Material wie etwa Mulchvlies über Jahre hilft ebenfalls.