Leihhaus in Berlin-Wedding (Quelle: IMAGO / Ina Peek)
Bild: IMAGO / Ina Peek

Do 24.08.2022 | Dossier | Lesedauer etwa 8 Minuten - Pfandhäuser: Sind sie Rettungsanker oder Abzocke?

Hohe Inflation, steigende Energiekosten - wer keine Rücklagen hat und schnell Geld braucht, landet da schon mal beim Pfandhaus. Sind die seriös?

Der Blick ins Haushaltsbuch bereitet vielen bereits jetzt Sorgen - höhere Lebenshaltungskosten, hohe Energiepreise und kein Ende in Sicht. Dabei stagnieren Löhne - oder sie steigen zumindest lange nicht so, wie die Inflation die Preise steigen lässt. Aber eine Branche scheint davon zu profitieren: das Pfandkreditgewerbe.
 
Mehr Menschen in Deutschland bringen aktuell Schmuckstücke und andere Wertgegenstände zum Pfandleiher, stellt der Zentralverband des Deutschen Pfandkreditgewerbes (ZDP) fest. Oft sind die Häuser in Bahnhofsnähe und erscheinen von außen nicht sonderlich vertrauenserweckend. Dabei gibt es strenge Regeln.

Wie funktioniert eigentlich Pfandleihe?

Es ist ein einfaches Prinzip, das schon seit Jahrhunderten Anwendung findet: Wer kurzfristig Geld benötigt, die finanziellen Mittel dafür nicht selbst verfügbar machen oder keinen Kredit aufnehmen kann, der hat die Möglichkeit, in einem Leihhaus persönliche Wertgegenstände zu hinterlegen - gegen Auszahlung eines Pfandkredits.
 
Nach der Begutachtung durch den Pfandleiher bekommen Kund:innen einen Pfandschein und in der Regel maximal 50 Prozent des Zeitwertes des Wertgegenstandes. Den beliehenen Gegenstand können Kund:innen bis zu drei Monate später gegen Rückzahlung der Kredits plus Zinsen und Gebühren wieder auslösen - nach Absprache kann die Frist auch um einen weiteren Monat verlängert werden.
 
Während dieser Zeit bleibt der Gegenstand Eigentum des Kunden, wird jedoch vom Pfandleiher verwahrt. Wird der Kredit mit Zinsen und Gebühren nicht abgelöst und der Gegenstand nicht wieder abgeholt, so hat der Pfandkreditgeber das Recht, ihn auf einer Auktion meistbietend zu verkaufen.

Wie hoch sind die Kosten?

Was erstmal so klingt, als könnten Pfandleihhäuser wahllos Zinsen verlangen und bei Versteigerungen ordentlich Geld scheffeln, ist tatsächlich streng geregelt. Pfandkreditgebern steht laut Gesetz ein Zins von einem Prozent des gewährten Kredites zu. Im Zuge der Beleihung des Wertgegenstandes fallen jedoch Kosten an, die über Gebühren gegenüber dem Kunden geltend gemacht werden können, beispielsweise Schätzung, Versicherung und Aufbewahrung des Gegenstandes. Der Pfandleiher ist nämlich verpflichtet, das Pfand mindestens zum doppelten Betrag des Darlehens gegen Feuer, Leitungswasserschäden, Einbruchdiebstahl oder Raub zu versichern.
 
Diese Gebühren sind in der offiziellen Pfandleihverordnung bis zu einem Leihbetrag von 300 Euro gesetzlich geregelt. Bei einem Darlehen von 100 Euro dürfen sie beispielsweise maximal 2,50 Euro pro Monat betragen. Oberhalb von 300 Euro sind sie jedoch frei verhandelbar. Verfällt die Frist zur Ablösung des Wertgegenstandes und der Pfandleiher versteigert diesen auf einer Auktion mit Gewinn, so ist er laut Bundesverwaltungsgericht verpflichtet, Überschüsse aus der Versteigerung an den Staat abzuführen, sofern Kunde oder Kundin diese nicht innerhalb einer Frist abholen. Bringt die Versteigerung weniger Erlös, bleibt das Pfandhaus auf den Kosten sitzen.

Pfandleihe für alle?

Grundsätzlich kann jede:r in die Situation kommen, auf die Schnelle Geld zu brauchen, und sei es auch nur für kurze Zeit. Einen Kredit bei der Bank zu beantragen dauert in der Regel mehrere Tage bis Wochen, zudem ist dessen Gewährung abhängig von der Kreditwürdigkeit des Antragsstellers und kann schon an negativen Schufa-Einträgen scheitern. Für kleinere Beträge, die etwa nur für ein paar Tage Lebensmitteleinkauf bis zum Monatsende reichen sollen, gibt es Kredite zudem nicht.
 
Bei Freunden oder Verwandten Geld zu leihen ist eine Möglichkeit, jedoch empfinden viele Menschen Scham - oder haben vielleich auch niemanden im Umfeld, der überhaupt Geld borgen könnte, ganz abgesehen davon, dass einige Geldangelegenheiten auch aus Familie und Freundeskreis heraushalten wollen. Pfandleihe ist im Vergleich dazu relativ anonym und es werden keine oder zumindest weniger Fragen gestellt. Zudem die Leihe schnell und das Auslösen ist innerhalb der Fristen garantiert.

Vergleichen ist das Motto

Die Verbraucherzentrale Brandenburg (VZB) rät, Kredite jeglicher Art vor Abschluss genau zu prüfen und Vergleichsangebote einzuholen. Gegenüber SUPER.MARKT erläutert VZB-Sprecherin Lisa Högden, dass es Sinn haben kann, neben der Pfandleihe andere Möglichkeiten zu prüfen, die Ihnen einen schnellen Geldsegen bringen können - etwa, den Dispo auszunutzen. Kurzfristig kann das eventuell günstiger sein, denn der effektive Jahreszins für einen Pfandkreditbetrag von 100 € bei monatlich einem Prozent Zinsen und 2,50 Euro Gebühr liegt bei satten 42 Prozent. "Wer akut einen Kredit benötigt und Unterstützung bei der Bewertung der Kreditbedingungen braucht, kann sich auch jederzeit bei der Verbraucherzentrale beraten lassen", sagt Högden.
 
Nicht nur der Vergleich, auch Bewertungen im Internet können bei der Einschätzung helfen. User:innen geben dort Erfahrungsberichte zur Seriösität, aber auch Freundlichkeit oder Umgang mit dem beliehenen Gegenstand. Auch was beliehen wird lässt sich hier manchmal nachlesen.

Was kann man beleihen lassen?

Beliehen werden im Allgemeinen unter anderem Schmuck, Uhren, Kunst, Antiquitäten, Technik und sogar Autos. Mehr Geld bringen Artikel mit Zertifikaten und oder in gutem Zustand. Meist liegen die gewährten Pfandkredite im mittleren drei- bis vierstelligen Euro-Bereich. Bei technischen Geräten wie Handys, Laptops oder Fernsehern ist der Pfandbetrag jedoch oft geringer als erwartet, da der Markt schnelllebig ist und Technik schnell als veraltet gilt.
 
In der Regel nicht beliehen werden lebendige Tiere und auch um Pelzmäntel machen viele Pfandleiher mittlerweile einen großen Bogen. Findet man im Internet - etwa auf der Homepage . keine Infos, empfiehlt es sich vor dem Besuch beim Pfandleiher telefonisch abzuklären, ob er an dem jeweiligen Wertgegenstand interessiert ist.

Alles voll seriös?

Mit der Pfandleihe werden oftmals etwas halbseiden anmutende Geschäfte in schmuddeligen Bahnhofsgegenden assoziiert. Doch die Tätigkeit als Pfandleiher bedarf in Deutschland einer behördlichen Erlaubnis. Wer sie beantragt, muss ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis vorweisen und über geordnete finanzielle Verhältnisse verfügen. Das Klischee von Gaunern hinter dem Tresen stimmt also nicht.
 
In vielen Gemeinden müssen Pfandleiher zudem Sicherheiten von rund 100.000 Euro nachweisen, bevor sie ihr Geschäft eröffnen. Der Kreditnehmer muss dagegen keine Auskünfte über seine finanziellen Verhältnisse geben, ein Personalausweis oder Pass zur Feststellung der persönlichen Daten reicht aus.
 
In Berlin und Brandenburg gibt es über 30 Pfandbüros, die Mitglied im offiziellen Zentralverband des Deutschen Pfandkreditgewerbes (ZDP) sind. Beim Gang zum Pfandleihhaus ist es wichtig, darauf zu achten, dass der oder die Anbieter:in auch Mitglied in diesem Verband ist. Auf den Seiten des ZDP findet man Anbieter:innen nach Postleitzahl. Nur dort geht man sicher, dass bei Zinssumme oder Gebühren ordentlich und nach Vorschriften abgerechnet wird und die verwahrten Gegenstände auch ordentlich versichert sind.

Wann die Alarmglocken läuten sollten

Wie in jeder Branche gibt es auch hier zweifelhafte Geschäftspraktiken. So wurden beispielsweise Beschwerden über ein Unternehmen laut, dessen Kunden darüber berichteten, dass ihnen im Gespräch versichert wurde, einen Pfandleihkredit einzugehen. Stattdessen unterschrieben sie jedoch einen Verkaufsvertrag – in diesem Fall über ihr Auto. Sie konnten ihren Wagen zwar weiterhin nutzen, zahlten dafür jedoch innerhalb eines halben Jahres mehr als die Hälfte des Kaufpreises wieder zurück. Das Auto blieb außerdem im Besitz des Unternehmens.
 
Lässt es die Zeit zu, gehen Sie zu verschiedenen Pfandleihhäusern, um Preise abzuchecken. Gibt es für eine wertvolle Goldkette nur wenige Euro, kann etwas nicht stimmen. Doch nicht immer steckt direkt Betrug dahinter - verschiedene Anbieter:innen haben nicht selten verschiedene Schwerpunkte und oder Expert:innenwissen.
 
Zudem bedeuten größere Häuser mt vielen Filialen nicht gleich mehr Seriösität. Kleinere bieten teils mehr Erfahrung und sind nicht selten bereits lange im Geschäft. So gibt es in Berlin Leihhäuser, die seit über 100 Jahren bestehen.

Ein Beitrag von DB und TKH mit Material von DPA.