
Mi 27.07.2022 | Dossier | Lesedauer etwa 4 Minuten - Pfand: Automat sagt nein?
Auf fast alle Flaschen und Dosen gibt es inzwischen Pfand. Die Rückgabe sollte einfach sein, doch teilweise lehnen Händler bestimmtes Leergut ab. Doch ist das rechtens? Was Kund:innen tun können.
Es steht auf Balkonen, in Fluren und Küchenecken, gepackt in Mülltüten, den großen blauen Taschen vom schwedischen Möbelhändler oder in Kisten: Leergut. Auf fast alle Flaschen und Dosen wird inzwischen Pfand erhoben, um die Recyclingquote zu erhöhen, doch ein neues Konzept ist das hierzulande keineswegs. Bereits seit 1991 gibt es Pfand in Deutschland, und über die Jahre wurde die Verpackungsverordnung, welche das ganze regelt, immer wieder angepasst.
Doch schon damals gab es Widerstand: Einzelhandel und Getränkeindustrie klagten - erfolglos - vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesverfassungsgericht gegen die Einführung. Vor diesem Hintergrund scheint es etwas weniger verwunderlich, dass auch heute noch Probleme bei der Rückgabe auftreten - nämlich dann, wenn Händler:innen bestimmtes Leergut ablehnen. Doch was kann man in diesem Fall tun?
Rücknahme ist Pflicht
Seit 1. Juli 2022 gibt es für nahezu alle Getränkeverpackungen Pfand: Säfte, Smoothies, Bierdosen und mehr. An sich eine super Sache, landet doch weniger im Müll und kann theoretisch durch die Rückgabe bei Händler:innen besser recycelt werden. Auf Anfrage von SUPER.MARKT teilt uns das Umweltbundesamt mit, dass 96 Prozent allen Leerguts auch wieder zurückgegeben wird. Doch nicht selten passiert es, dass man mit einem kleinen Vermögen an Pfandflaschen ankommt und dann Mensch oder Maschine sagen: "Nee, dit nehm' wa nich."
Statt alles wieder zurückzuschleppen, landen Flaschen und Dosen dann im Müll und damit auch das Pfandgeld. Getränkehersteller:innen freuen sich über den Zusatzgewinn, den sogenannten Pfandschlupf, Händler:innen fühlen sich im Recht und Verbraucher:innen gucken in die Röhre. Die Verbraucherzentralen schätzen, dass so der Pfandschlupf eine dreistellige Millionensumme umfasst, offizielle Zahlen gibt es nicht. Dabei ist die Rücknahme eigentlich gesetzlich geregelt: Lebensmittelmärkte mit über 200 Quadratmeter Verkaufsfläche müssen jegliche Einweg-Flaschen und Dosen zurücknehmen, egal ob im Sortiment oder nicht.
Einweg ist nicht Mehrweg
Diese Unterscheidung ist wichtig - bei Mehrwegverpackungen, also etwa Getränkekisten oder Glasflaschen, müssen Händler:innen tatsächlich nur die zurücknehmen, die bei ihnen auch verkauft werden. Bei Einwegverpackungen ist das anders - wird die Verpackungsart - also etwa PET-Flasche oder Aludose - verkauft, muss das Pfand zurückgenommen werden, egal um welche Marke es sich handelt oder ob diese dort gekauft wurde.
Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Verkauft ein Laden nur Dosen, muss er nur Dosen zurücknehmen.
Ausnahme sind außerdem kleinere Geschäfte unter 200 Quadratmetern, also etwa Spätis. Sie sind nicht grundsätzlich zur Rücknahme verpflichtet, müssen aber Leergut von Getränken, die dort gekauft wurden, annehmen.
Automat oder Mensch?
Solange die Pfandkennzeichnung auf einer Flasche oder Dose zu finden ist, muss das Leergut angenommen werden, auch wenn dieses vom Automaten ausgespuckt wird. In diesem Fall muss ein:e Mitarbeiter:in her, und es manuell annehmen. Solange dieses Label erkennbar ist, spielt es auch keine Rolle, in welchem Zustand die Verpackung ist - eine zerdrückte Dose oder kaputte Flasche darf nicht deswegen abgelehnt werden. Das gilt auch für vom Automaten nicht mehr lesbare Label und Etiketten - solange ein Mensch diese erkennen kann.
Auch wenn ein Automat kaputt ist, muss der Mensch ran. In den Geschäften muss die Möglichkeit der Rückgabe gegeben sein - die Leergutannahme zu verweigern ist nicht zulässig.
Kohle gegen Einkauf?
Ebenfalls unzulässig ist die Praxis, dass Pfand nicht ausgezahlt werden und nur mit einem Einkauf verrechnet werden kann. Verbraucher:innen haben ab 0,25 Euro das Recht, den Pfandbetrag ausgezahlt zu bekommen.
Gibt es etwa einen Pfandzettel aus dem Automaten, muss dieser allerdings im jeweiligen Markt eingelöst werden - eine Übertragung zu einem anderen Markt ist in den meisten Fällen nicht möglich.
Weiterhin wichtig: Ein Pfandbon ist drei Jahre ab dem Ende des Jahres gültig, in dem er gedruckt worden ist. Finden Sie also jetzt noch einen Bon von 2019 in den Untiefen ihres Portemonnaies, muss dieser eingelöst werden.
Annahme verweigert? Beschweren!
Verweigern sowohl Automat als auch Mitarbeiter:innen die Annahme, können Sie sich beschweren. "Sprechen Sie die Geschäfts- oder Filialleitung an! Zeigt diese sich ebenfalls uneinsichtig, können Sie sich bei der zuständigen Überwachungsbehörde beschweren. Das Pfand, das dem Kunden zusteht, kann die Behörde allerdings nicht erstatten", erklärt die Verbraucherzentrale.
Diese stellt auch einen Musterbrief zur Verfügung, der an Ordnungsamt oder Stadtverwaltung gesendet werden kann. Häufen sich Beschwerden, können Supermärkte und Discounter auch verwarnt und mit Bußgeldern bis zu 100.000 Euro bestraft werden.
Auf unsere Anfrage rät das Umweltbundesamt zudem, solche Geschäfte nicht mehr aufzusuchen, insofern das möglich ist. Ist das Meiden unmöglich, raten auch die Expert:innen zur Beschwerde.
Und unterwegs?
"Jede Flasche oder Dose, die in den Kreislauf zurückkehrt, ist besser als im Restmüll", erklärt uns Gerhard Kotschik, Verpackungsexperte beim Umweltbundesamt, auf unsere Nachfrage. Neben den Mülleimer stellen sei eine Möglichkeit, dort könnten andere Menschen, etwa Pfandsammler:innen, diese aufsammeln, allerdings bestehe auch immer die Gefahr des Vandalimus. "Müll gehört nicht in die Umwelt, natürlich auch kein Leergut", sagt Kotschik, "und wo Flaschen neben Mülleimern stehen, können auch schnell Scherben entstehen."
Vor großen Veranstaltungen wie Konzerten, wo Flaschen verboten sind, warten nicht selten Personen mit Bollerwagen und nehmen gerne Leergut an. Ist man in der Natur unterwegs, sollte Leergut wieder eingepackt werden - das ist besser für die Umwelt und den Geldbeutel.