Ein mit Werbeflyern überfüllter Briefkasten (Quelle: IMAGO / Schöning)
Bild: IMAGO / Schöning

Mo 20.06.2022 | Beitrag | Lesedauer etwa 6 Minuten - Werbezettel: Papierflut hält an

Prospekte, Flyer, Werbezettel landen nach wie vor in den Briefkästen vieler Haushalte, obwohl nicht selten Sticker angebracht sind, die genau das untersagen. Und auch die Umwelt leidet.

Immer mehr Kommunikation geschieht digital. Wir unterzeichnen Verträge online, schließen Versicherungen ab und machen viele Bankgeschäfte direkt in der App oder dem Kundenportal. Auch die Steuererklärung ist digital möglich. Einer scheint aber einfach nicht verschwinden zu wollen - der Werbeprospekt. Da kann noch so groß "KEINE WERBUNG" am Briefkasten stehen, am Ende landet immer irgendein Zettel drin. Das ist eine unglaubliche Papierverschwendung, bemängelt die Deutsche Umwelthilfe. Und kann man als Verbraucher:in eigentlich etwas gegen die Zettelflut tun?

Stapelweise Werbeprospekte (Quelle: IMAGO / Michael Gstettenbauer)
Prospekte belasten die Umwelt

28 Milliarden gedruckte Werbeprospekte landen jedes Jahr in unseren Briefkästen, rund 54 Kilogramm pro Haushalt. Bedenkt man diese Masse an Papier und die Kosten und Ressourcen, die beim Verteilen anfallen, ist das eine ziemliche Belastung für die Umwelt, bemängelt die Deutsche Umwelthilfe (DUH). "Wir können es uns nicht leisten, milliardenfach gedruckte Werbeprospekte zu produzieren, die anschließend ungelesen im Müll landen", sagt DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz der Deutschen Presse-Agentur. Allein durch einen Stopp dieser Post könnten jährlich bis zu einer halben Million Tonnen Kohlenstoffdioxid eingespart werden.
 
Bei einer Umfrage der DUH unter 37 großen deutschen Händlern wie Aldi Süd, Netto Nord, Rewe oder Rossmann, ob eine Einstellung von Werbezetteln geplant sei, gab es 26 Mal keine Antwort. Acht Händler gaben ab, weiterhin an dieser Form von Werbepost festzuhalten, aber gleichzeitig auch über ein ergänzendes digitales Angebot zu verfügen. Dazu gehören unter anderen Netto Nord und Rossmann. Nur drei Unternehmen - Textilhändler Kik, der Non-Food-Discounter Tedi und der Einzelhändler Woolworth - gaben an, das Versenden gedruckter Werbebroschüren eingestellt zu haben.

Recyclingpapier macht es nicht besser

"Auch ein Werbeprospekt aus Recyclingmaterial hat erhebliche Umweltauswirkungen. Auch dafür wird viel Energie und Chemie eingesetzt und die Prospekte werden über weite Wege bis zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern transportiert. Ungelesene Werbebroschüren werden nicht sinnvoller, nur weil sie aus Recyclingpapier bestehen", so DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft, Thomas Fischer. Selbst Ikea verzichte inzwischen auf den sehr populären, gedruckten Katalog und ist zu rein digitalen Angeboten übergegangen. Fischer fährt fort: "Zwar nutzen viele Händler bereits Online-Kommunikation, allerdings häufig nur als Ergänzung, sodass die großen Mengen gedruckter Werbeprospekte nicht ersetzt werden. Dies muss jedoch das erklärte Ziel sein."
 
Zur Herstellung der Werbeprospekte werden laut DUH pro Jahr 42 Milliarden Liter Wasser, 4,3 Milliarden Kilowattstunden Energie und 1,6 Millionen Tonnen Holz verbraucht. Viele der milliardenfach hergestellten Broschüren, die teils auch noch mit Plastik umhüllt sind, landen ungelesen im Müll, nicht selten in genau zu diesem Zweck direkt neben den Briefkästen platzierten Mülleimern.

"Keine Werbung"-Aufkleber an einem Briefschlitz (Quelle: IMAGO / mhphoto)
Helfen Prospekte beim Sparen?

Die von der DUH kritisierten Händler verweisen auf Vorteile der jetzigen Praxis. So betonte etwa Aldi Süd auf dpa-Anfrage, dass gerade in der aktuellen Zeit mit steigenden Preisen gedruckte Handzettel für viele Verbraucher relevant seien, um sich zu informieren. Auch Rossmann wies auf den Service für Kunden hin, erklärte aber auch, "immer öfter" den Umfang seiner Prospekte von 16 auf 12 Seiten zu reduzieren. Die Auflagen würden "ständig nach unten angepasst" und die digitalen Angebote ausgeweitet.
 
Angesichts vieler verschiedener digitaler Produkte, die das Vergleichen größtenteils erledigen und sogar Zusatzfunktionen wie digitale Einkaufslisten oder zusätzliche Coupons anbieten, scheint das aber eher eine Gewohnheitssache zu sein. Das funk-Format "your money" hat sich z.B. kürzlich mit der kostenlosen App Smhaggle beschäftigt, die genau so einen Preisvergleich macht. Große Handelsketten wie Edeka oder Rewe verschicken ihre Angebote zudem längst auch per E-Mail und stellen Prospekte digital in der App oder auf der Homepage zur Verfügung.

Regierung soll handeln

Der Vorschlag der DUH orientiert sich an einer Lösung, die in Luxemburg bereits schon so gehandhabt wird: die Opt-In-Regelung. Hier bedarf es der ausdrücklichen Zustimmung zum Erhalt solcher Werbung, etwa über einen "Ja bitte!"-Aufkleber auf dem Briefkasten.
 
Das zuständige Bundesjustizministerium teilte auf dpa-Anfrage jedoch mit, dass der Koalitionsvertrag eine "Opt-in-Regelung", wie sie die Deutsche Umwelthilfe fordere, nicht vorsehe. Außerdem verwies das Haus von Marco Buschmann (FDP) auf rechtliche Hürden. So könnten etwa die verfassungsrechtlich garantierte Werbefreiheit und in bestimmten Fällen auch die Pressefreiheit, etwa bei Wochenzeitungen mit einem redaktionellen Anteil, mit der Einführung einer Opt-in-Lösung kollidieren, hieß es. Derzeit sei "eine gesetzgeberische Initiative
für eine entsprechende gesetzliche Regelung nicht geplant".

Was tun gegen unerwünschte Werbung?

Es ist gar nicht so einfach, jegliche Werbung vom Briefkasten fernzuhalten. Dabei kommt es unter anderem auch auf die Art der Werbung an. Eine sehr ausführliche Auflistung gibt es bei der Verbraucherzentrale.

 

- Erhalten Sie etwa persönlich adressierte Werbung eines Händlers, bei dem Sie Kunde oder Kundin sind oder waren, müssen Sie diese dort abbestellen. Das geht oft über das Kundenportal oder via E-Mail.

 

- Ist die Werbung personalisiert, aber nicht klar, woher Händler:innen überhaupt Ihre Daten haben, haben Sie laut Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ein Recht auf Auskunft.

 

- Nicht adressierte Reklamesendungen, Handzettel und Wurfsendungen dürfen schon dann nicht eingeworfen werden, wenn ein einfacher "Keine Werbung"-Aufkleber auf dem Briefkasten klebt. Ähnliche, ebenso deutliche Formulierungen sind natürlich auch gültig.

 

- Landet trotzdem Werbung im Briefkasten, hilft nur beschweren. Am besten schriftlich und mit Nachweis. Wer rechtsschutzversichert ist, kann auch klagen, dann sollte aber ein Deckungsschutz unbedingt vorher geklärt sein.

 

- Weiterhin empfiehlt die Verbraucherzentrale die App "Appmelder" des Vereins "Letzte Werbung".

Zettel adé?

Wer zwar nicht alle, aber bestimmte Prospekte gerne erhält, kann sich in der Regel auch einen direkt im Supermarkt oder Drogerie mitnehmen oder sogar schon bevor er im Briefkasten landet online checken - nur ausdrucken sollte man das dann nicht. Und beim gesparten Papier ist es dann auch nicht so schlimm, wenn der Einkaufszettel etwas länger wird und dadurch mehr Papier beansprucht - wobei natürlich auch das längst digital funktioniert.

Beitrag von Dani Beck mit Material von DPA und DUH