Glasfaserkabel in einem Rechenzentrum. Quelle: dpa/ Matthias Blank
Bild: dpa/ Matthias Blank

Di 20.09.2022 | Beitrag | Lesedauer etwa 3 Minuten - EuGH Urteil: Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen EU-Recht

Nach einem Urteil des höchsten EU-Gerichts ist die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung nicht mit europäischem Recht vereinbar.

Wann Sie mit wem von welchem Ort aus telefonieren, geht niemanden was an! Die Daten dürfen nicht gespeichert werden. So lautet das neueste Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Der sogenannten “anlasslosen” Datenspeicherung werden damit enge Grenzen gesetzt. Eine Ausnahme gilt nur bei einer ernsten Bedrohung für die nationale Sicherheit. Die deutsche Regelung wurde bereits 2017 auf Eis gelegt, seither wird gestritten.

Vorsicht Privat!

Während Sicherheitspolitiker:innen in der Vorratsdatenspeicherung ein zentrales Instrument im Kampf gegen organisierte Kriminalität, Kinderpornografie und Terrorismus sehen, halten Bürgerrechtler:innen und Verbraucherschützer:innen sie für einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre.
Das sahen die Richter:innen wohl ähnlich, denn der Satz von Verbindungs- und Standortdaten, die nach der deutschen Regelung gespeichert werden sollen, kann nach ihrer Ansicht sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen ermöglichen - etwa auf Gewohnheiten des täglichen Lebens oder das soziale Umfeld. Damit könne ein Profil dieser Personen erstellt werden. Dies sei ein Grundrechtseingriff, der eine gesonderte Rechtfertigung erfordere, so die Richter:innen.

Guter Tag für Bürgerrechte

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung begrüßt. Er sprach am Dienstag bei Twitter von einem "guten Tag für die Bürgerrechte". Der EuGH habe in einem "historischen Urteil" bestätigt, dass die anlasslose Vorratsdatenspeicherung in Deutschland rechtswidrig sei. "Wir werden die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nun zügig und endgültig aus dem Gesetz streichen", kündigte Buschmann an. Er favorisiert als Alternative eine sogenannte Quick-Freeze-Regelung. Bei ihr werden Verbindungsdaten nur bei einem konkreten Anlass und auf richterliche Anordnung hin gespeichert.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Vorratsdatenspeicherung eine ersatzlose Streichung der Regelungen gefordert. "Das ist ein glasklares Votum der europäischen Richter für die Pressefreiheit", erklärte der DJV- Bundesvorsitzende Frank Überall am Dienstag. Er hoffe, dass damit Gedankenspiele innerhalb der Regierungskoalition über eine Neuauflage der Datenspeicherung damit ein Ende fänden.

Spielraum nutzen

Ganz anders sieht das der rechtspolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Volker Ullrich: "Wir respektieren das Urteil, hätten uns für die Opfer von sexuellem Missbrauch ein anderes Urteil erhofft", erklärte er. Die Grundrechte von Tätern im digitalen Raum dürften "nicht höher stehen als die Grundrechte von Schutzbefohlenen". Die Ampel-Regierung müsse nun "den vom EuGH eingeräumten Spielraum zur Speicherung von IP-Adressen nutzen". Die Vorratsdatenspeicherung müsse durch enge Grenzen wie einen Richtervorbehalt und klare Verfahren zur Verarbeitung der gewonnenen Daten "auf rechtssichere Beine gestellt werden".

Endgültige Klärung

Nun geht der Fall zurück an das Bundesverwaltungsgericht. Das müsste feststellen, dass die deutschen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung gegen EU-Recht verstoßen. Die Bundesregierung müsste dann die Vorgaben des EuGH in einem neuen Gesetz beachten.
 
Ob es ein neues Gesetz geben wird und wie das aussehen soll, ist allerdings noch völlig unklar. Die Koalition war sich bei dem Thema zuletzt uneins: Während Grüne und FDP die Vorratsdatenspeicherung ablehnen, sprach sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zuletzt zumindest für die Sicherung von IP-Adressen aus, um sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet besser verfolgen zu können.

SP mit Material von DPA / AFP