Mehrere Hundert-Euro-Scheine stecken in einer Dreifachsteckdose (Quelle: imago images / Elmar Gubisch)
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Di 23.05.2023 | Beitrag | Lesedauer etwa 3 Minuten - Energieversorger: Wechselwillig?

Update: Die Energiekrise macht eine Verschnaufspause, die Energieversorger übertrumpfen sich mit Neukundenrabatten. Sollte ich jetzt also wechseln? Wir haben bei der Verbraucherzentrale Brandenburg nachgefragt.

Die in den vergangenen Monaten stark gesunkenen Großhandelspreise für Strom und Gas kommen nun auch bei den Grundversorgern an, die Preise bei vielen Unternehmen sinken.
 
Grundsätzlich setzen Grundversorger wie etwa Stadtwerke auf eine risikoarme Beschaffungsstrategie - "sie beschaffen Energie maximal konservativ, das heißt sicher und vorausschauend", so ein Sprecher des Stadtwerkeverbands VKU. Erst wenn die Handelspreise langfristig und nachhaltig sänken und es ihre Beschaffungskosten erlaubten, würden die Grundversorger die Preise senken. Was man jetzt beobachten kann. Denn nach den Beobachtungen des Vergleichsportals Verivox wird Strom bei den 91 Stromversorgern und den 80 Gasversorgern, die die Preise senken, im Schnitt um rund 12 Prozent günstiger, Gas um 23 Prozent.
 
Allerdings: Längst nicht alle Grundversorger machen bei den Preissenkungen mit. So berichtet das Portal Check 24, dass viele Unternehmen seit Jahresbeginn die Preise erhöht hätten. Hintergrund der gegenläufigen Tarif-Entwicklungen: Die individuellen Beschaffungsstrategien und deren konkrete Umsetzung bei den Grundversorgern.
 
Die Rekordpreise der Energiekrise sind laut Marktbeobachtern insgesamt aber vorbei, auch wenn das Preisniveau hoch bleibt: Knapp 80 Prozent aller Strom- und fast 90 Prozent aller Gastarife in der Grundversorgung liegen laut Verivox noch immer über den Preisbremsen.

Interview mit Rico Dulinski, Energie-Experte bei der Verbraucherzentrale Brandenburg

SUPER.MARKT: Herr Dulinski, der Energiemarkt hat sich aktuell wieder ein wenig beruhigt. Manche Strom- und Gasversorger bieten jetzt schon wieder günstige Neuverträge an. Warum ist das so?

Rico Dulinski: Das ist so, weil sich Angebot und Nachfrage wieder angenähert haben. So ist das Angebot wieder größer: Mit den LNG-Terminals und entsprechenden Verträgen wurden neue Lieferanten erschlossen. Viele französische Atomkraftwerke sind auch wieder am Netz und das Wetter ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. Es sorgt mit mehr Wind für erhöhte Stromproduktion durch Windkraft. Auf der anderen Seite ist die Nachfrage zurückgegangen. Hier wirken sich vergleichsweise milde Temperaturen und die verschiedenen Einsparmaßnahmen der Industrie und der Haushaltskunden entsprechend aus.

Kann ich als Verbraucher denn nun bedenkenlos wechseln?

Soweit es die jeweiligen vertraglichen Konstellationen erlauben, kann man auch über einen Anbieterwechsel nachdenken. Bei einem Wechsel in einen Laufzeitvertrag sollte man allerdings bedenken, dass man den Vertrag während der Laufzeit nur beenden kann, wenn ein Sonderkündigungsrecht besteht. Dies ist meist nur der Fall, wenn der Anbieter während der Laufzeit die Preise oder Vertragsbestandteile ändert.

Was sollte ich beim Wechsel beachten?

Vor einem Anbieterwechsel sollte man den eigenen Verbrauch gut kennen und sich dann in den bekannten Vergleichsportalen einen Marktüberblick verschaffen. Auch die Angebote des jeweiligen Grundversorgers sollte man sich ansehen. Wichtig ist der genaue Vergleich: Oftmals gehen nämlich niedrige Arbeitspreise mit hohen monatlichen Grundpreisen einher, die man nicht durch seinen Verbrauch beeinflussen kann. Trotzdem können sich auch diese Angebote rechnen, z. B. für Haushalte mit hohem Verbrauch. In diesen Fällen ist der Arbeitspreis die größere Stellschraube, die man auch eher durch eigenes Verhalten beeinflussen kann.
 
Daneben sollte man auch auf die Laufzeit der jeweiligen Verträge achten und nach eigener Neigung auswählen: Verbraucher:innen, die großen Wert auf einen dauerhaft gleichen Strompreis legen, können längerfristig laufende Kontrakte wählen. Andere wählen Verträge mit kürzeren oder ohne Laufzeit, um flexibel auf eventuelle Marktänderungen reagieren zu können.

Die Einsparungen sind durch die Energiepreisbremsen meist nicht so immens - wieso kann ein Wechsel dennoch sinnvoll sein?

Ein Wechsel kann deshalb sinnvoll sein, weil es derzeit auch Angebote mit Preisen unterhalb der Preisbremsen gibt. Bei Abschluss eines solchen Vertrages zahlen Verbraucher:innen dann für 100 Prozent des jeweiligen Verbrauchs weniger als 40 Cent je kw/h, statt 40 Cent für 80 Prozent des Verbrauchs und noch mehr für weitere 20 Prozent des Verbrauchs.

Wieso sind gerade die Grundversorger aktuell noch so teuer?

Das liegt an den unterschiedlichen Beschaffungsstrategien: Die Grundversorger haben eine Versorgungspflicht und müssen im Zweifel alle Haushaltskunden versorgen. Um entsprechende Planungssicherheit zu haben, kaufen sie einen Großteil der Energie lange im Voraus ein. Diese Energie ist in der Regel aber teurer als die kurzfristig verfügbare Energie.
 
Sondervertragsanbieter kaufen die Energie hingegen meist kurzfristig ein. Sie können so von aktuell günstigen Preisen profitieren und entsprechende Verträge anbieten.
 
Ist die kurzfristig verfügbare Energie aber knapp und deshalb teuer (wie z. B. im letzten Sommer), wird der Grundversorger mit seiner vor längerer Zeit zu einem (vergleichsweise) günstigen Preis eingekauften Energie zum preiswerteren Anbieter.

Ein Beitrag von DEM.