Drehbuchautorin Laila Stieler und Regisseurin Buket Alakus
Drehbuchautorin Laila Stieler und Regisseurin Buket Alakus | Bild: rbb/(M)/Bavaria-Film Berlin/Maren Knieling

Eine Braut kommt selten allein - Regie und Drehbuch - Interviews

Fragen an Regisseurin Buket Alakus:

Eine Geschichte, die teilweise Vorurteile bestätigt und dennoch Sympathien wecken soll, ist nicht leicht umzusetzen. Wie haben Sie das angepackt?

Wir hatten das große Glück, eine großartige Autorin wie Laila Stieler zu haben, die diese Geschichte entworfen und schon auf dem Papier zum Leben erweckt hat. Laila hat im Hauptstrang dieses Filmes eine besondere Liebegeschichte über einen sonderbaren wie auch ungewöhnlichen Helden geschrieben. Einen Helden, der ungewollt in eine andere Welt und eine fremde Kultur hineingezogen wird, aber am Ende ohne sie nicht mehr leben will.

Was Vorurteile oder gar Klischees über verschiedenartigen Kulturen betrifft, so ist für Laila und auch für mich immer wichtig gewesen, dass wir sie brechen. Das ist für mich das ganz Besondere an diesem Film. Denn am Ende geht es nicht mehr um Kulturen oder wie verschiedenartig wir Menschen sind, sondern es geht um Dinge, die uns Menschen, egal welcher Kultur, verbinden: Menschen gewinnen die Herzen von anderen Menschen mit Liebe und Humor.

 

Wie war die Zusammenarbeit mit Laien- und ausgebildeten Schauspielern?

Die Filmwelt hat ihre eigene Sprache und ihre eigenen Regeln, die für Laien sonderbar und verrückt erscheint. Wir alle haben verstanden, dass wir nur gemeinsam gewinnen können, wenn wir uns alle sehr anstrengen. Unsere ausgebildeten Schauspieler waren geduldig und respektvoll und unsere Laiendarsteller waren fleißig und haben versucht, alles zu geben. Am Set hatten wir eine familiäre Atmosphäre, die mir bei der Arbeit sehr wichtig ist. Weder mein Team noch ich haben die Darsteller also nach ihrer Ausbildung behandelt. Natürlich war das für die Beteiligten eine große Herausforderung, da wir alle voneinander abhängig waren - wie eine Fußballmannschaft.

Trotzdem war es uns allen wichtig, dass wir gerade für unsere Roma/Sinti-Familie ausgebildete Schauspieler mit Sinti/Roma-Wurzeln finden. Für die Rolle von Sophias Vater konnten wir Nejo Osman gewinnen und für Sophias Cousin hatten wir Zejhun Demirov sowie Nebosja Milsovic als Bruder dabei. Das war ein großes Geschenk, weil wir nicht nur tolle Kollegen am Set hatten, sondern Menschen, die ihre Kultur besser erklären konnten.

Kurzbiografie Buket Alakuş

Buket Alakuş kommt  1971 in Istanbul zur Welt und wächst in Hamburg auf. Nach ihrem Abschluss der Kommunikationswirtschaft an der HdK Berlin absolviert sie ein Aufbaustudium Filmregie in Hamburg. Es folgen mehrere Kurzfilme und 2001 ihr Debütfilm "Anam". 2005 dreht sie den Kinofilm "Eine andere Liga" mit Karoline Herfurth und Ken Duken in den Hauptrollen.  Die Tragikomödie "Finnischer Tango" kommt 2008 in die deutschen Kinos, 2014 die Komödie "Einmal Hans mit scharfer Soße" (Buch: Ruth Toma).


Filmographie (Auswahl):

2017  "Eine Braut kommt selten allein" ARD, Buch: Laila Stieler

2014  "Einmal Hans mit scharfer Soße" Kino, Buch: Ruth Toma nach dem Buch von

Haitce Akyün

2008 "Finnischer Tango" Kino, Buch: Jan Berger, Marcus Hertneck

2005 "Eine andere Liga" Kino, Buch: Buket Alakuş & Jan Berger

2001  "Anam" Kino, Buch: Buket Alakuş

1997 "Tango" Kurzfilm, Buch: Buket Alakuş, Thomas von Bruck, Sophia Krapot

1996  "Schlüssel" Kurzfilm, Buch: Buket Alakuş

 

Mehr im Internet unter http://buketalakus.com/

Fragen an Drehbuchautorin Laila Stieler:

 

Gibt es einen realen Vorfall, auf dem die Filmerzählung beruht?

In einer Zeitung las ich über den Fall eines jungen Mannes, der sich während einer Reise in eine Romni verliebt. Die beiden werden ein Paar, und er nimmt sie mit nach Deutschland. Über kurz oder lang reist ihre Familie ihr nach. Und dann beinahe das ganze Dorf. Dem jungen Mann, der sich für die Leute verantwortlich fühlt, droht die Sache zu entgleiten …

Als ich versuchte, diesen konkreten Fall zu recherchieren, gab es viele unterschiedliche Versionen. Mal waren es nur fünf Familien, mal ein ganzes Dorf. Von einer Seite hieß es, die Leute hätten in ihrer Heimat in großer Armut gelebt und wären deshalb nach Deutschland gekommen, andere sagten: nein, das waren zum Teil Kriminelle, die ihre eigenen Landsleute abgezockt haben. Meine Recherche verlief im Sande.

Übrig geblieben ist davon nur: Ein Mann verliebt sich in eine Romni und hat es daraufhin mit ihrer ganzen Familie zu tun. Und die allgemeine Weisheit: dass es zu einem Fakt verschiedene Wahrheiten geben kann, (die im späteren Film tatsächlich Gestalt gewann).

Mich interessierte daran der komödiantische Aspekt. Da hat einer nur die Liebe im Sinn, und plötzlich hat er einen Berg Verantwortung. So ist es immer im Leben. Egal, in wen man sich verliebt.

Zum anderen der Aspekt der modernen Völkerwanderung. Wissen Sie, ich stelle mir immer vor, mir ginge es schlecht, ich hätte kaum Geld, wenig zu essen, wenig Ansehen, meine Kinder und ich selbst keine Perspektive. Was würde ich tun? Diesen Zustand aushalten oder versuchen, ihn zu verändern? Und wenn Veränderung nur möglich ist, indem man weggeht? Das würde doch jeder von uns machen in solcher Lage. Warum sollen wir es anderen nicht zubilligen? Wir können einfach nur glücklich sein, dass wir diese Sorgen nicht haben. Ein Verdienst ist das nicht.

 

Wie haben Sie das Thema recherchiert?

Ich habe etliche Bücher, Artikel, Reportagen gelesen. Ich suchte einen Ort, wo ich die Roma meiner reifenden Geschichte gedanklich ansiedeln konnte. Ich hatte bestimmte Vorstellungen. Das Land, aus dem die Roma kommen, sollte kein EU-Mitglied sein, weil die Freizügigkeitsdebatte ein anderes Thema ist. Ich wollte kein Dörfchen auf dem Lande, das in seiner Armut noch romantisch scheinen könnte. Ich stellte mir eine Siedlung in der Nähe einer Großstadt vor, aber wiederum keine Müllhalde, die es ja auch gibt. Ich suchte arme, aber keine elenden Lebensumstände. Nach einiger Zeit stieß ich auf ein Foto, das eine Ansammlung Container auf einem unwirtlichen Platz zeigte. Dazu ein Artikel über die Umsiedlung einiger Roma-Familien, die unter einer Brücke lebten, in einer Container-Siedlung am Rande von Belgrad.

Über einen serbischen Produzenten ergab sich die Möglichkeit, Kontakt zu diesen Familien zu bekommen. Das ist nicht ganz einfach. Du kannst nicht mal eben dort auftauchen und Leute befragen. Sie verschließen sich, sie haben schlechte Erfahrungen gemacht. Aber mein Bekannter fand einen Zugang und so reiste ich mehrmals nach Belgrad.

 

Buket Alakus hat Ihr Drehbuch umgesetzt. Sie nennen Sie Ihre "Wunschregisseurin".  Wie lief die Zusammenarbeit?

Ich hatte Bukets Werdegang schon länger verfolgt und eigentlich seit ihren ersten Filmen gehofft, dass wir mal zusammenarbeiten. Aber irgendwie war bis jetzt keine Zeit, keine Gelegenheit, und ich hab mich irgendwie auch nicht getraut, sie anzusprechen. Dachte, die wartet sicher auf was ganz anderes, als auf deine Bücher …

Lustig war, dass es ihr wohl ähnlich ging. Also, wir sind aufeinander zugeflogen. Und das hat sich in der Arbeit, in ihrer Verfilmung meines Buches, so fortgesetzt. Am meisten hat mich gefreut, wie sie den Ton getroffen und in ihre ganz eigene Handschrift umgesetzt hat. Ich kenne nicht viele Regisseure, die so genau spüren, wieviel Tragik im Komischen ist und umgekehrt. Buket ist sehr respektvoll mit dem Text umgegangen. Das freut die Autorin natürlich, aber von mir aus hätte sie ruhig frecher sein können. Das holen wir nächstes Mal nach. Also ich hoffe sehr, dass es ein nächstes Projekt mit ihr gibt.

 

Lesen Sie im Kapitel "Hintergrund" u. a., was Laila Stieler nach ihrer ersten Recherche-Reise in Belgrad notierte.

Kurzbiografie Laila Stieler

Laila Stieler wird 1965 in Neustadt/Orla, Thüringen, geboren. Nach dem Abitur in Berlin absolviert sie 1987 ein Volontariat beim Fernsehen der DDR. Von 1986 bis 1990 studiert sie Dramaturgie an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Babelsberg und arbeitet seit 1990 als Autorin, Dramaturgin und Producerin für Film- und Fernsehproduktionen. Sie erhält unter anderem für "Die Polizistin" den Adolf-Grimme-Preis in Gold für das Beste Drehbuch und den Internationalen Literaturfilmpreis für "Willenbrock".

 

Drehbücher (Auswahl):

2017  "Eine Braut kommt selten allein" ARD, Regie: Buket Alakus

2016 "Mitten in Deutschland: NSU – Die Opfer – Vergesst mich nicht!" WDR, Regie: Züli Aladag

2015  "Brief an mein Leben" ZDF, Regie: Urs Egger

2013 "Willkommen auf dem Land" ZDF, Regie: Tim Trageser

2011 "Die Lehrerin" ZDF, Regie: Tim Trageser

2010  "Die Friseuse" Kino, Regie: Doris Dörrie

2010  "Wohin mit Vater?" ZDF, Regie: Tim Trageser

2008  "Patchwork" ARD, Regie: Franziska Buch

2008   "Wolke Neun" Kino, Co-Autorin, Regie: Andreas Dresen

2007   "Liebesleben" Kino, Co-Autorin, Regie: Maria Schrader

2000  "Willenbrock" Kino, Regie: Andreas Dresen

1999  "Die Polizistin" ARD, Regie: Andreas Dresen

1995  "Die Konkurrentin" ZDF, Regie: Dagmar Hirtz

1992  "Stilles Land" Kino, Regie: Andreas Dresen

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