Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz, 2. von li) Kommissaranwärter Vincent Ross (André Kaczmarczyk, 3. von li) überführen den Vater des Opfers, Ulf Grutzke (Lars Rudolph, li), in Anwesenheit seiner Tochter Emma (Ada Philine Stappenbeck, 4. von li) der Lüge. (Bild: rbb/Rudolf Wernicke)
Bild: rbb/Rudolf Wernicke

Polizeiruf 110: Hildes Erbe - Buch und Regie

Statement der Autoren Anika Wangard und Eoin Moore zu "Hildes Erbe"

Als Drehbuchautoren wollten wir zunächst das Aufeinandertreffen der zwei Kommissare in den Vordergrund stellen. Tatsächlich haben wir die Entwicklung des Ermittlerteams als heimlichen A-Plot geführt und den Krimifall dem untergeordnet. Als Erstes haben wir uns mit den zwei Schauspielern getroffen und Ideen mit ihnen jongliert. Zwischen Lucas und André war sofort eine wunderbare Chemie da, eine Neugierde und eine freche Humorebene. Wir konnten viele Inspirationen von ihnen abholen.

Um die Unterschiede zwischen Adam Raczek und Vincent Ross zu verdeutlichen, haben wir bei Adam eine klare Amtsmüdigkeit erzählt. Er fühlt sich antrieblos, erschöpft, alt. Er kann nachts nicht schlafen und tagsüber kaum die Augen offenhalten. Das versucht er mit Selbstmedikation auszugleichen. Und dann kommt der neue Kollege – jung, wach, energetisch und schnell. Ein Mann mit einem völlig anderen Verständnis von Männlichkeit und von Polizeiarbeit. Das verunsichert Adam enorm. Er gibt den väterlichen Mentor, um eine Hierarchie zu etablieren. Im Laufe des Falles erzählen wir, wie Ross sich aus dieser Hierarchie emanzipiert und sich mit dem erfahreneren, aber altmodischen Kollegen auf Augenhöhe bringt. Gleichzeitig können Vincents Einfühlsamkeit und Direktheit Adam in seinen Schwächen stützen – eine Ebene, die zu einer Freundschaft führen könnte.

"Hildes Erbe" ist eine soziale Familien-Tragödie mit Schlagseite zur schwarzen Komödie. Uns war wichtig, die einzelnen Mitglieder der dysfunktionalen Familie Grutzke nicht nur als Opfer zu erzählen. Wir wollten ihnen starke, überhöhte Konturen geben. Jede Figur sollte in sich logisch und nachvollziehbar sein und dennoch durch die Überhöhung auf tragisch-komische Art eigensinnig bleiben. Der Auftrag der Redaktion, gerne mehr Humor in das Format zu bringen, kam uns sehr gelegen. Mit einem Schmunzeln im Gesicht können wir als Autoren viel tiefer in einen dunklen Abgrund blicken.

Drehbuchautor und Regisseur Eoin Moore (Bild: privat)
Bild: privat

Regisseur Eoin Moore zur Besetzung

Für die überhöhte Zeichnung der Figuren war eine perfekte Besetzung absolut elementar. Tatja Seibt ist privat ein sehr warmherziger, nachdenklicher Mensch und fit wie eine Gazelle. Mit Hilde Grutzke durfte sie einen tyrannischen Drachen von Frau spielen, steif und kränklich, eine egoistische, brachiale Person, die giftig um sich schlägt. Eine Herausforderung, die Tatja mit großem Respekt, aber noch größerer Lust anging. Ihrer Verwandlung zuzusehen war für mich eine große Freude.

Die Entscheidung für Lars Rudolph als Hildes Sohn Ulf war einhellig. Tatsächlich wollte ich schon seit meiner Filmschulzeit in den 90er Jahren mit Lars arbeiten, aber irgendwie kam es nie dazu. Und es war großartig! Lars ist ein Unikat - die drei Ebenen von Tragik, Bedrohung und Humor kann nur er mit dieser Virtuosität verkörpern, ohne dass sie sich gegenseitig in die Quere kommen.

Eine besondere Herausforderung war die Rolle der Emma Grutzke, der Schwester des Opfers, deren Gesundheitszustand eine zentrale Rolle in der Geschichte spielt. Bei der Drehbuchentwicklung hatten Anika und ich zwar viele Ideen für die Figur. Wir wussten in der Theorie, was diese eigenartige junge Frau ausmacht und wir wussten, was sie tut. Aber eine eindeutige Beschreibung konnten wir nicht zu Papier bringen. Deshalb haben wir sehr unterschiedliche Schauspielerinnen zum Casting eingeladen. Ada Philine Stappenbeck bot dabei eine Mischung aus Kraft und Verletzlichkeit, verträumter Unschuld und düsterer Rätselhaftigkeit, die sofort überzeugend war. Wir wussten - das ist unsere Emma.

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