Kleinwindanlage
Bild: rbb/Maren Schibilsky

Kleinwindanlagen in Städten - Im Aufwind?

Kleinwindanlagen führen in Berlin und vielen Städten Brandenburgs ein Schattendasein. Dabei ist das Windpotential gerade auf Hochhäusern oder auch Funkmasten groß. Ein mangelhaftes Baurecht für Kleinwindanlagen hat in der Vergangenheit viele ambitionierte Projekte verhindert. Jetzt steht ein Pilotprojekt in Berlin vor dem Durchbruch und auch der einzig verbliebene Kleinwindanlagenhersteller der Bundeshauptstadt kann 2023 durchstarten.

Sockel für Windrad

Die Fundamente sind längst gegossen und stehen auf dem Flachdach bereit. In jeder Ecke eins. Für vier Kleinwindanlagen. Stefan Schautes von der Berliner Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE hat die Fundamente 2018 beim Neubau des Hochhauses in der Frankfurter Allee 218 gleich mit planen lassen. „Das Haus für die Fundamente und die zusätzliche Last auf dem Dach vorzubereiten, war nicht teuer.“ – erzählt er. „Das Hochhaus hat 21 Etagen, muss also in sich schon stabil sein. Wir haben geprüft, wie die zusätzliche Last in den Fundamenten, in den Decken aufgenommen werden kann.“
 
Schon bald sollen sich hier 20 Meter hohe Kleinwindanlagen mit jeweils drei Rotorblättern drehen und Windstrom für ein Viertel aller 400 Wohnungen im Haus produzieren. Ein Pilotprojekt in Berlin.
 
„Wir müssen alle überzeugen, Strom da zu produzieren, wo er verbraucht wird.“ – meint Stefan Schautes. „Was liegt näher als die Höhe des Hochhauses, wo der Wind kräftiger weht als zu ebener Erde und die Anlagen kaum wahrgenommen werden und nicht stören.“

Kleinwindanlage
Klare Abgrenzung zwischen Klein- und Großwindanlagen notwendig

Bisher hatten es Kleinwindanlagen in Städten schwer. Viele ambitionierte Projekte scheiterten in der Vergangenheit am mangelhaften Baurecht für Kleinwindanlagen – kritisiert Joachim Sroka. Er ist zweiter Vorsitzender des Bundesverbandes für Kleinwindanlagen. „Das größte Problem ist, dass es keine klare Abgrenzung zwischen Großwind- und Kleinwindanlagen gibt.“ – beklagt er. „Da hat einfach mal die Politik nicht ihre Hausaufgaben gemacht, so dass die Baubehörden, selbst, wenn sie willens sind, in der Regel keine eindeutigen Handlungsanweisungen haben. Das ist das große Handicap.“
 
Seit Jahren fordert Joachim Sroka ein klares Instrumentarium. „Denn eine Kleinwindanlage unter 50 Meter hat eine ganz andere Raumbedeutsamkeit im Vergleich zu einer Großwindanlage, die 200 Meter hoch ist.“ Viele Baubehörden legen aber in der Praxis Maßstäbe aus Genehmigungsverfahren von Großwindanlagen an, weil die Maßstäbe für die kleinen Windanlagen fehlen.“
 
Das hat der Marktentwicklung für Kleinwindanlagen stark geschadet. „Ein Großteil der Hersteller hat aufgegeben, weil die Hürden zu hoch sind.“ – meint Joachim Sroka.

Viele kleine Windräder zusammenschalten

In Berlin hat ein Start-up überlebt, die MOWEA Gmbh. Aber auch nur, weil sich Unternehmensgründer Till Naumann mit seinen Mikrowindturbinen auf industrielle Anwendungen konzentriert. MOWEA steht für „Modulare Windenergieanlagen“ und ist eine Ausgründung der TU Berlin.
 
Auf dem Dach des Firmensitzes in der Storkower Straße 115 A sind zwei Windturbinen aufgebaut, die mit einer Solaranlage gekoppelt sind. „Wir sind in der Lage eine beliebige Anzahl von Mikrowindturbinen zu einem Energiesystem zusammen zu schalten.“- berichtet Till Naumann. Eine Einzelturbine hat eine Nennleistung von 500 Watt und kann bis zu 1000kW/h im Jahr erzeugen. „Wir haben die ersten tausend Turbinen produziert. Davon gehen über 700 Turbinen in den Bereich der Telekommunikationsbranche.“ – erzählt der Unternehmensgründer. „Wir bauen den ersten Telekommunikationsmast mit unseren modularen Windenergiesystemen hier in Berlin auf.“
 
Ende Januar soll es losgehen. Übers Jahr ist geplant über 50 Funkmasten von vodafone mit Mikrowindturbinen auszustatten. „Wir speisen den Windstrom direkt in das Funknetz ein und reduzieren damit den Bedarf am elektrischen Verbundnetz.“ – meint Till Naumann.

Kleinwindanlage an Hochhaus
Erste Anlage kurz vor Musterzulassung

Im Prüflabor am Firmensitz in der Storkower Straße wird die Turbinensoftware weiter optimiert, um die Anlagen auf Schwachwind und Effizienz zu trimmen. „Wir regeln unsere Turbinen nicht zentral, sondern jede Turbine im System hat ihr sogenanntes eigenes Gehirn und regelt sich nach den lokalen Windverhältnissen.“- erzählt der Gründer der MOWEA Gmbh. Vorerst wollen Till Naumann und sein Team bei Industrieanwendungen bleiben. „Um in den städtischen Wohnungsmarkt einzusteigen, braucht es geringere Akzeptanzhürden durch die Politik, einfachere Genehmigungsverfahren und das Verständnis von jedem einzelnen, was eine Kilowattstunde ist und wie gut es ist, wenn man sie selber produziert.“
 
Die Bewohner der Frankfurter Allee 218 erwarten die nächsten Wochen mit Spannung. Die vier geplanten Kleinwindanlagen auf dem Hochhausdach stehen kurz vor der Musterzulassung. „Wenn das hier funktioniert, wird das auch auf andere Projekte ausstrahlen.“ – ist sich Stefan Schautes, Bereichsleiter für Neubau bei der HOWOGE sicher. „Wir müssen die Stadt, die B-Pläne darauf vorbereiten, dass sowas künftig zur Energie, zur Stadt, zum Wohnen dazu gehört.“

Kleinwindanlage
rbb/Maren Schibilsky

Kleinwindanlagen in der Großstadt

Audio-Beitrag von Inforadio

Beitrag von Maren Schibilsky