
Die eigenen Gefühle wahrnehmen -
Gefühle bestimmen unser Leben, und doch wissen wir wenig über sie. Der Psychologe Leon Windscheid geht den Fragen nach, ob Angst auch eine gute Seite hat, ob es die ewige Liebe gibt, und wofür wir eigentlich Langeweile brauchen. Er zeigt, was gerade so starke Emotionen wie Trauer und Wut besonders wertvoll macht und wie sie uns helfen.
Wer Mensch sein will muss fühlen.
Warum fühlt der Mensch und was wollen uns unsere Gefühle "sagen"? Diesen Fragen geht Dr. Leon Windscheid in seinem Buch "Besser Fühlen" nach. Der Psychologe und Unternehmer führt zahlreiche Studien zu Gefühlen wie Angst, Verliebtsein, Langeweile, Wut, Trauer etc. an, reiste zu internationalen Forschern auf dem Gebiet und berichtet über deren erstaunliche Experimente.
Im Grunde fühlen wir permanent, geben wir uns im Hochgeschwindigkeitsalltag etwas Zeit dafür. Dem Autor selbst brachen Gefühle hervor, als er an einer roten Ampel zum Innehalten gezwungen wurde. "Wir fühlen, um zu verstehen, was wir erleben." Nicht jedes Gefühl spüren wir gerne und doch erfüllen sie alle einen Zweck. "Emotionen lügen Sie niemals an".
Alle Gefühle haben gute Seiten, Angst kann schützen und sensibilisieren, Trauer hat eine kathartische Wirkung, Langeweile kann uns zu uns selbst bringen, innere Ruhe schaffen, Kreativität befördern. Es hängt davon ab, wie wir selbst unsere Gefühle bewerten.
Es gibt keine schlechten Gefühle, weil alle ihre Berechtigung haben. Sehen wir Langeweile etwa als Entspannung an, bewerten wir letzteres als positiv. Langeweile hingen "muss" bekämpft werden. Auch Angst muss nicht bekämpft und unterdrückt, sondern verstanden werden. Jeder Dritte muss damit rechnen, einmal von einer Angststörung heimgesucht zu werden (284 Mio Menschen weltweit sind betroffen).
Zu äußeren Auslösern von Angst gehören: das Unbekannte, das Unkontrollierbar und das Außergewöhnliche. Angst bzw. die Sensibilität für dieses Gefühl ist uns angeboren, es gibt jedoch besonders empfindliche Menschen für das Gefühl der Angst - hochreaktive Typen (Baby 19, S. 26-30).
Auch Sorgen gehören in dieses Gefühlsspektrum. "Menschen machen sich Sorgen, um sich vor größerer Angst zu schützen". Wir reisen damit gedanklich in die Zukunft, was könnte alles schiefgehen, damit geben wir uns das Gefühl, etwas zu tun (Prophylaxe) Sorgenketten.
Langeweile (im Mittelalter auch "Mönchskrankheit") genannt. Auch unser Zeitgefühl können wir beeinflussen, wenn wir dafür sorgen, dass wir Neues erleben (Achtsamkeit für kleine Momente, diese notieren, somit "verlängern" wir die Zeit.
Niemand will sich gerne langweilen, meint Elpidorou (US-amerikanischer Philosoph), weil es sich schlecht anfühlt. Wenn es sich gut anfühlt, ist es keine echte Langeweile. Langeweile bringt Ideen hervor, fördert Kreativität und führt dazu, einmal einfach nur bei sich zu sein. Dies wiederum ist Voraussetzung für Reflektion und Kontemplation, was wiederum zu mehr Zufriedenheit führt. Überhaupt, so der Autor ist eher Zufriedenheit erstrebenswert als Glück, denn Glück ist ein momentaner Zustand, der sich nicht über lange Zeiträume erhalten lässt.
Beitrag von Ute Müller-Schlomka