
Die Macht der Algorithmen -
Wo entscheiden Algorithmen besser als der Mensch, wo aber nicht? Und wie groß ist die Chance wirklich, beim Online-Dating den Partner fürs Leben zu finden? In seinem neuen Buch beschreibt der weltweit renommierte Psychologe und Risikoforscher Gerd Gigerenzer anhand vieler konkreter Beispiele, wie wir die Chancen und Risiken der digitalen Welt für unser Leben richtig einschätzen und uns vor den Verlockungen sozialer Medien schützen können. Kurz: wie wir digitale Kompetenz erwerben und auch online kluge Entscheidungen treffen.
Beitrag von Dagmar Kniffki
Künstliche Intelligenz: Sie hilft im Operationssaal, bei der Musikauswahl, bei Bankgeschäften, beim Übersetzen in fremde Sprachen und verspricht auf Online-Dating-Portalen eine maximale Übereinstimmung bei der Partnerwahl. Ohne dass wir es immer mitgekommen, dringt Künstliche Intelligenz in immer mehr Lebensbereiche ein.
Wie smart sie wirklich ist, was KI von der menschlichen Intelligenz unterschiedet, wo ihre Möglichkeiten liegen und ihre Grenzen, wo sie uns tatsächlich nützt oder sogar schadet, darüber schreibt der renommierte Psychologe und Risikoforscher Gerd Gigerenzer in seinem neuen Buch "Klick". Seine Botschaft: Wir müssen die Kontrolle behalten und entscheiden können, in welchen Bereichen wir uns von der Künstlichen Intelligenz unterstützen lassen wollen und wo nicht.
Für den Direktor Emeritus am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Leiter des Harding-Zentrum für Risikokompetenz an der Universität Potsdam ist genau diese Frage entscheidend. Nur wenn wir selbst die Kontrolle über neue Technologien behalten, können sie nicht zu unserem Gegenspieler werden.
Wenn autonomes Fahren zukünftig dazu führen würde, dass Fußgängerinnen und Fußgänger sowie Radfahrerende sich mit ihrem Verhalten ganz und gar an die Reaktionsmuster der KI anpassen müssen, wären Freiheit und Lebensqualität in den Städten bedroht.
Ein Szenario, dass nicht so abwegig ist. Gefragt ist also mehr Kontrollkompetenz. Für jeden einzelnen, nicht nur für die Entscheider in der Politik. Und schon jetzt drohen wir daran zu scheitern. Täglich hinterlassen wir zum Beispiel unsere Fußabdrücke bei Suchmaschinen und Social-Media-Portalen. Es ist die wertvolle Währung für die Milliarden-Gewinne der Konzerne wie Google, Facebook und Co.
Mal angenommen, das passiert im analogen Leben und nicht nur im Internet: Wir sitzen in einem Café, in dem es alles umsonst gibt, Kaffee, Kuchen, Snacks, Drinks - so viel wir möchten, rund um die Uhr. Dafür werden wir von Kameras und Mikrofonen beobachtet. Jede Regung, jede Äußerung geht auf weit entfernte Server und wertet sie aus. Damit hätten wir gleich zwei Probleme: Der Verlockung, des übermäßigen Konsums von Kaffee, Kuchen, all dem, was es dort umsonst gibt, nicht mehr zu wiederstehen und süchtig zu werden. Zudem könnten wir die Welt außerhalb dieses Cafés aus dem Blick verlieren.
Das ist in der digitalen Welt für viele Nutzer, die anhängig geworden sind, schon Realität. In der Zwischenzeit gewinnen die Konzerne mit den Daten eine Machtposition, die weit über Werbung hinausgeht, indem sie zum Beispiel Fake-News verbreiten oder sogar Wahlen manipulieren, das Denken vieler Menschen beeinflussen und damit ganze Gesellschaftsstrukturen.
Es geht also um Komplexeres als ein paar Daten, die wir für gezielte Werbung preisgeben. Trotz alledem wäre Bezahlen für diese Onlinedienste für den Großteil der Teilnehmenden einer Umfrage keine Option. Ein Fehler, meint Gerd Gigerenzer. Denn auf diese Weise hätten wir die Kontrolle und nicht die Konzerne.
"Smart bleiben heißt nicht, der Technologie blind zu vertrauen, aber auch nicht, ihr ängstlich zu misstrauen. Vielmehr geht es darum zu verstehen, was KI leisten kann und was ins Fantasiereich von Marketing-Hype und techno-religiöser Träumerei gehört. Außerdem geht es um die persönliche Fähigkeit und Bereitschaft, die Technologie zu steuern, statt von ihr ferngesteuert zu werden", schreibt Gigerenzer und stellt fest, dass ausgerechnet die meisten Digital Natives, also diejenigen, die mit der Technik aufgewachsen sind, "nie gelernt haben, versteckte Werbung von echten Nachrichten zu unterscheiden, und sich vielmehr vom äußerlichen Schein einer unseriösen Webseite beeindrucken lassen. Beispielsweise zeigte eine Studie, dass 96 Prozent der Digital Natives nicht in der Lage sind, die Vertrauenswürdigkeit einer Webseite zu beurteilen."
Es wird noch mehr auf uns zukommen in Sachen KI. Und der beste Moment, sich etwas näher damit zu befassen, ist jetzt.