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Über männliche Unfruchtbarkeit wird wenig geforscht und noch weniger geredet. In zibb spricht der Journalist Benedikt Schwan über das Tabuthema und seine persönliche Betroffenheit. Das Thema hat eine große gesellschaftliche Relevanz, denn jedes sechste Paar hat Probleme, ohne ärztliche Hilfe schwanger zu werden – in über 50% der Fälle liegt die Ursache beim Mann.
Mit seinem eigenen Kind auf den Spielplatz gehen, das wird Benedikt Schwan nie erleben. Der 45-jährige Berliner Journalist ist zeugungsunfähig. So wie immer mehr Männer in den westlichen Industriestaaten. Deren Spermienanzahl nimmt Studien zufolge seit Jahren ab.
Über männliche Unfruchtbarkeit wird wenig geforscht und noch weniger geredet. Offenbar passt Zeugungsunfähigkeit nicht zum Bild des starken Machers, der Kinder in die Welt setzt und dafür sorgt, dass seine Gene weitergegeben werden. Dabei trifft dieses Problem immer mehr. Studien zufolge produzieren Männer in den westlichen Industriestaaten heute nur noch halb so viele Spermien wie noch vor vierzig Jahren.
Woran liegt das? Und wie kann Betroffenen geholfen werden? Benedikt Schwan hat über seine Erfahrungen jetzt ein Buch geschrieben. In „Ohnekind“ setzt er sich damit auseinander, was es heißt, als Mann zeugungsunfähig zu sein. Es geht um seine Gefühle und Gedanken, aber auch um ein Problem, das in Zukunft unsere gesamte Gesellschaft betreffen könnte.
Als er vor vier Jahren erfuhr, dass er steril, also zeugungsunfähig ist, fühlte sich der Berliner zunächst alleingelassen. Er stellte fest, dass es zu diesem Thema kaum Infos und Hilfe für Betroffene gibt. Also machte er sich selbst auf die Suche. Seine Recherche führte ihn nach Japan, in die USA und nach Israel. Dort sprach er mit dem Wissenschaftler Dr. Hagai Levine von der Hebräischen Universität in Jerusalem. Er ist einer der wenigen Wissenschaftler, die sich mit Zeugungsunfähigkeit beim Mann beschäftigen. In einer Metastudie wertete er die Daten von einhundertachtig Forschungsergebnissen aus und entdeckte einen „dramatischen Rückgang nicht nur der Spermienzahl, sondern auch der Spermienkonzentration bei Männern der westlichen Welt.“
Zwischen 1973 und 2011 sank die Spermienzahl der Männer demnach um 40 Prozent.
Was sind die Ursachen?
Über die möglichen Ursachen wird bislang noch spekuliert. Einige Experten haben Umweltgifte und gefährliche Weichmacher, die unser Hormonsystem beeinflussen, im Verdacht. Solche Phtalate befinden sich in vielen Gegenständen, mit denen wir tagtäglich in Kontakt sind. Über Plastikverpackungen etwa gelangen sie in unser Essen und in unseren Körper. Laut Umweltbundesministerium sind Phtalate inzwischen im Blut oder Urin von fast jedem Menschen nachweisbar.
Auch Pestizide, die bei der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt werden und deren Rückstände man in Obst und Gemüse findet, stehen schon lange im Verdacht, sich negativ auf die Fruchtbarkeit auszuwirken.
Hinzu kommt aber noch ein weiterer entscheidender Faktor: Die Männer und Frauen in den westlichen Industriestaaten bekommen ihre Kinder immer später. Statt mit Mitte 20, wie es noch vor einigen Generationen üblich war, fangen immer mehr erst mit Ende Dreißig, Anfang Vierzig mit der Familienplanung an. Und dann ist es rein biologisch oft zu spät.
Wo gibt es Hilfe?
Erster Anlaufpunkt für Paare, die keine Kinder bekommen können, sind die sogenannten Kinderwunschzentren. Davon gibt es mittlerweile deutschlandweit über 130.
Die Ärztinnen und Ärzte dort untersuchen, an welchem der beiden Partner es liegt. In einem Drittel der Fälle liegt es am Mann, in einem weiteren Drittel an der Frau und zu einem Drittel an beiden zusammen.
Der Andrang in den Kinderwunschzentren steigt. Immer mehr Paare in Deutschland brauchen bei ihrem Kinderwunsch Hilfe durch eine künstliche Befruchtung. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Hälfte der Kosten für die ersten drei Versuche – aber nur für verheiratete Paare.
Benedikt Schwan empfiehlt, bei der Auswahl eines Kinderwunschzentrums darauf zu achten, dass dort ein Urologe mit Schwerpunkt Andrologie arbeitet. Das sind Ärzte, die auf die Behandlung der Männer spezialisiert sind. Wichtig sei auch, dass die sog. „M-Tese“ angeboten wird. Diese Behandlungsmethode um Spermien aus dem Hoden zu gewinnen sei sehr viel erfolgversprechender als nur die reine „Tese“.
Der Umgang mit Zeugungsunfähigkeit ist für die Betroffenen emotional und psychisch belastend. Benedikt Schwan empfiehlt daher, sich professionelle Unterstützung durch einen Psychologen oder Paartherapeuten zu suchen. Die Deutsche Gesellschaft für Kinderwunschberatungen kann bei der Vermittlung von Therapeuten und Psychologen helfen.
Beitrag von Sina Krambeck