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Ob bei der BBC oder beim ORF: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerät europaweit zunehmend unter Druck. In Deutschland steht er seit der so genannten "rbb-Affäre" besonders heftig in der Kritik. Ein neuer Staatsvertrag soll dem Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb) nun eine neue Grundausrichtung geben: Mehr Kontrolle und mehr nach Bundesländern getrennte Berichterstattung wünschen sich Landespolitiker für die Metropolregion. Doch was erstmal gut klingt, könnte höchstproblematisch sein – und am Ende vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Denn: die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg wollen im Sender zwei vom Rundfunkrat gewählte Landesbeauftragte installieren, die künftig bei der Programmgestaltung mitreden sollen. Nicht nur Verfassungsrechtler melden hier große Bedenken an. Will die Politik so möglicherweise indirekt Einfluss auf die Berichterstattung nehmen?
Beitrag von Daniel Laufer
Anmoderation: Jetzt kommt etwas, darauf würden wir sehr gern verzichten. Ganz ehrlich: wir würden lieber anderswo gefährliche Schieflagen benennen – aber unglücklicherweise hat diese Geschichte nun mal mit uns zu tun: mit dem rbb. Nach dem sogenannten Schlesinger-Skandel soll nun ein neuer rbb-Staatsvertrag für mehr Kontrolle sorgen. Hört sich erstmal gut an, allerdings gibt es da - Sie ahnen es - ein Problem: Denn da könnte angetastet werden, was uns im Kern ausmacht - und für alle im Land wichtig ist: die journalistische Unabhängigkeit.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht europaweit unter Druck. In Österreich ist gerade das Verfassungsgericht eingeschritten: zu groß sei der Einfluss der Regierungspartei ÖVP auf die ORF-Gremien.
In Großbritannien soll die Regierung direkten Einfluss genommen haben auf die Berichterstattung der BBC.
Anton Rainer, Redakteur "Der Spiegel"
Ich glaube, es ist eine Riesengefahr und ich glaube, westliche Demokratien tun nicht gut daran, wenn sie versuchen, ein kleines bisschen diesem Wunsch nach größerer Kontrolle nachzukommen. Weil wenn der Dammbruch mal da ist, dann geht es oft ganz schnell.
Nun befürchtet auch der rbb politische Einflussnahme. Es geht um die Neufassung des rbb-Staatsvertrags durch Berlin und Brandenburg.
Intendantin Ulrike Demmer dazu vergangene Woche im Landtag in Potsdam:
Ulrike Demmer, rbb-Intendantin
"Dieser Staatsvertrag verletzt unsere aus Rundfunk- und Programmfreiheit resultierenden Garantien. Der Staatsvertrag macht uns so kleinteilige Vorschriften, dass wir dem Anspruch der Staatsferne nicht mehr genügen können."
Besonders kontrovers: Der Entwurf des Staatsvertrags sieht eine Neuerung vor, die die Macht des Rundfunkrats ausbaut.
Diesem Kontrollgremium gehören zum Beispiel Abgesandte der Kirchen an, von Sozialverbänden, von Arbeitgebern und Gewerkschaften.
Insgesamt sieben der derzeit 30 Mitglieder sind Abgeordnete aus den Parlamenten in Berlin und Brandenburg.
Künftig soll der Rundfunkrat alle fünf Jahre je eine von der Intendantin vorgeschlagene Person wählen, die das jeweilige Landesangebot leitet.
Diese gewählten Landesleitungen verantworten das Programm und sollen mitentscheiden, welche Journalistinnen und Journalisten für die Landesangebote eingestellt und entlassen werden.
"Spiegel"-Redakteur Anton Rainer befürchtet, das könnte Folgen haben für die Berichterstattung.
Anton Rainer, Redakteur "Der Spiegel"
"Allein die Erwartung, dass jemand, der auf diesem Posten sitzt, nur deswegen dort sitzt, weil er die Einstellung von gewissen Kreisen vertritt, die hat einen Effekt, der sich wie eine Welle durch den ganzen Sender ziehen kann."
Zum Beispiel sieht Rainer die Gefahr, freie Mitarbeitende könnten sich aus Angst um Aufträge einer Art Selbstzensur unterziehen und bestimmte Themen gar nicht mehr vorschlagen.
Die Forderung nach mehr Kontrolle ist eine Folge der Affäre um die geschasste Intendantin Patricia Schlesinger. Sie soll im großen Stil Beitragsgelder verschwendet haben. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt – auch gegen den Verwaltungsratsvorsitzenden, der verantwortlich war für die Kontrolle der Finanzen.
Ins Rollen gebracht hatten dies Recherchen des "Business Insider". Chefredakteur Kayhan Özgenç begrüßt, dass der Staatsvertragsentwurf mehr Transparenz und eine stärkere finanzielle Kontrolle vorsieht. Aber: Vom Rundfunkrat gewählte Landesleitungen hält er für eine Gefahr für kritischen Journalismus.
Kayhan Özgenç, Chefredakteur "Business Insider"
"Das geht überhaupt nicht, weil hier in diesem Fall ist es wirklich so, dass die Politik den Skandal missbraucht hat, um in die Redaktion reinzufunken. […] Und das macht mich auch wütend als Journalist. Ich meine, wir haben bei 'Business Insider' letztes Jahr die RBB-Affäre entdeckt und enthüllt. Und jetzt sehe ich das, was daraus gemacht wird in diesem Punkt."
Der rbb hat angekündigt, notfalls bis vors Bundesverfassungsgericht zu ziehen – und ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben.
Eine Kurzfassung hat der Verfassungsrechtler Joachim Wieland in dieser Woche bereits vorgelegt.
Prof. Dr. Joachim Wieland, Verfassungsrechtler
"Der Rundfunkrat soll nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben das Programm kontrollieren, er soll aber nicht die journalistische Autonomie beeinträchtigen und er soll nicht in die Programmgestaltung eingreifen. Das ist verfassungswidrig, weil der Rundfunkrat auch zu einem erheblichen Teil mit Politikerinnen und Politikern besetzt ist. Die sollen gerade keinen Einfluss auf das Rundfunkprogramm bekommen."
Der Medienrechtler Matthias Cornils hat eine andere Auffassung. Er sieht die Staatsferne zwar gewahrt, hat aber Zweifel, ob der Rundfunkrat kompetent genug ist, die Landesleitungen mit Einfluss aufs Programm zu wählen.
Die Berliner und Brandenburger Staatskanzleien bestreiten die Gefahr politischer Einflussnahme. Aus Brandenburg heißt es:
Zitat: "Von den zukünftig 33 Rundfunkräten werden insgesamt lediglich sieben durch die Parlamente der Länder benannt. Die Zusammensetzung des Rundfunkrates entspricht damit Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an eine staatsferne Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks."
Doch selbst, wenn kein Einfluss genommen wird – schon der Verdacht sei gefährlich, so Anton Rainer.
Anton Rainer, Redakteur "Der Spiegel"
"Ich glaube, es ist auch nicht im Interesse der Politik, dass dieser Eindruck entsteht. Also allein der Eindruck selbst ist möglicherweise schon ein Problem."