Kontraste: Altersvorsorge ohne Skrupel

Wie manche Renten- und Pensionsfonds mit Kinderarbeit und Kriegsverbrechen Kasse machen - Altersvorsorge ohne Skrupel

Ob staatlich geförderte Riester- und Rürup-Rente oder Pensionsfonds - für alle gilt: Versicherungen und Banken legen dort an, wo sichere und hohe Renditen zu erwarten sind. Anders als in Norwegen gibt es in Deutschland keine Verpflichtung, nur in sozial, ökologisch und ethisch handelnde Unternehmen zu investieren. Die Folge: Deutsche Rentner und Pensionäre profitieren von Umweltzerstörung, Kinderarbeit und Streumunition. Dabei ist längst klar, auch ethisch und ökologisch bewusst handelnde Unternehmen erzielen hohe Renditen.

Anmoderation: Riesterrente, Rüruprente, seit Jahren wird dafür geworben, dass Menschen sich für ihr Alter zusätzlich zu ihrer gesetzlichen Rente privat absichern. Viele tun das, zum Beispiel auch, indem sie in Renten- oder Pensionsfonds einzahlen. Die wenigsten machen sich allerdings Gedanken darüber, womit die Fonds ihr Geld verdienen. Sollten sie aber: Denn oft wird mit Kinderarbeit, Umweltzerstörung oder Kriegsverbrechen Kasse gemacht. 

Jörg Wolter Sube ist stinkesauer. Der Tischler ist auf umweltgerechten Bootsbau spezialisiert, legt viel Wert auf Nachhaltigkeit, engagiert sich für Friedenspolitik. 2007 schloss Sube eine Rürup-Rente ab - monatlich 250 Euro. Sein Wunsch: Das Angesparte sollte ethisch korrekt angelegt werden. Er vertraute seinem Renten-Berater und unterschrieb. Heute weiß er, was er alles mit seinem Geld unterstützt.

Jörg Wolter Sube, Tischler
"Meine Rente. Das geht gar nicht. Das ganze was ich hier habe ist eigentlich komplett für die Tonne. Ich hätte das Produkt nie gekauft."

Hat er aber, denn als er unterschrieb, wussten weder er noch sein Makler, wer alles von seinem Gesparten profitieren wird. Sein Geld steckt nicht nur in der Rüstungsindustrie.
Er investierte auch in Tabakkonzerne - inklusive Kinderarbeit in Afrika und Asien.
Auch Unternehmen, die Gewinn mit der Rodung von Urwäldern machen, hat der Ökotischler unterstützt.

Jörg Wolter Sube, Tischler
"
Die sagen, ok, da machen wir mal einen Fonds, den setzen wir aus dem und dem zusammen und dann machen wir ein bisschen Bombengeschäft rein, da machen wir ein bisschen dies rein, ein bisschen Lebensmittelspekulation rein, damit auch am Ende genügend Kohle dabei rum kommt, die wir brauchen, um sie den Leuten zu versprechen, dann kriegt das Ganze noch einen kunstvollen Namen, den keiner mehr versteht, den auch die Vermittler gar nicht verstehen, was sie da verkaufen, tja und dann wird das verkauft an Ottonormalver-braucher, der da in Milliardenhöhe sein Geld rein steckt in solche Projekte."

Bei der Verbraucherschutzorganisation Facing Finance wird recherchiert, welche unethischen Unternehmen in Altersvorsorgeprodukten stecken.

Nicht nur bei Rürup, sondern auch bei den deutlich häufigeren Riester-Verträgen sind die Anbieter meist hemmungslos.

Immerhin: Beim Riestern gibt es zumindest eine Pflicht der Anbieter, die Kunden darüber zu informieren, ob Nachhaltigkeitskriterien bei der Auswahl der Aktien berücksichtigt werden.

Bei Angeboten der Volksbank steht im Kleingedruckten zum Beispiel:

Zitat
"Damit wir ihre eingezahlten Altersvorsorgebeiträge wirtschaftlich für sie anlegen können, stehen ethische, soziale und ökologische Belange bei dieser Kapitalanlage nicht im Fokus."

Der Text ist typisch. Die Regierung, die vor Jahren noch nachdrücklich für Nachhaltigkeit warb, hat diese Infopflicht umgesetzt. Denn: der Staat trägt Verantwortung, da er bei Riester sogar cash dazu zahlt: Seit Einführung der Zusatzrente mehr als 20 Milliarden Euro aus Steuermitteln.

Thomas Küchenmeister, Facing Finance e. V.
"Deutschland hat als Staat zum Beispiel jetzt das Verbot von Streumunition unterzeichnet, ist der Kinderrechtskonvention beigetreten, will keine Atomwaffen will das Klima retten und all das spielt bei der Subventionierung von Riester Produkten keine Rolle. Da kann man in jeden Missstand in diesem Land investieren und wird dafür sogar noch steuerlich belohnt und das ist eigentlich ein Skandal."

2011 unterschrieb Außenminister Steinmeier für Deutschland den Oslo-Vertrag, das völkerrechtliche Abkommen zur Ächtung von Streubomben. Es sollte Schluss sein mit all den zivilen Opfern. Trotzdem flossen Jahr für Jahr auch Steuergelder in dieses Geschäft.
Einer der Profiteure: der US-Rüstungskonzern Textron.

Für den Staatsrechtler Andreas Fischer-Lescano ist diese Finanzierung ein klarer Rechtsbruch.

Prof. Andreas Fischer-Lescano, Staatsrechtler, Uni Bremen
"Die Bundesrepublik Deutschland ist völkerrechtlich verpflichtet, keine aktiven Zuschüsse zum Beispiel zu geben für Riester-Verträge in denen im Portfolio Streumunitionsunternehmen auftauchen weil das eine mittelbare Förderung eben dieser Unternehmen darstellt und das verstößt gegen die Oslo-Konvention und das ist ein Bruch des geltenden Völkerrechts."

In Norwegen sieht man das genauso. Der dortige Pensionsfonds ist 800 Milliarden Euro schwer und soll im Sinne der künftigen Generationen vernünftig angelegt werden.
Dazu hat das norwegische Finanzministerium eine schwarze Liste erstellt: vom Kohlebergbau, über Tabak bis zu Waffen:

Tore Vamraak, Staatssekretär, Finanzministerium Norwegen
"Die norwegische Bevölkerung lehnt es durch das Parlament ab, in solche Firmen zu investieren. Wir wollen nicht unseren Wohlstand mehren, indem solche Produkte hergestellt werden."

In Berlin sieht man das anders. So lässt der Finanzminister z. B. zu den Streubomben erklären:

Zitat
"Es ist Unternehmen … verboten, völkerrechtswidrige Waffen wie … Streumunition herzustellen. Ein generelles Verbot von Investitionen in Unternehmen der Rüstungsindustrie besteht im Völkerrecht nicht."

Eine bizarre Logik. Die Herstellung der Streumunition ist verboten, aber die Finanzierung soll erlaubt sein.

Und auch für den eigenen Pensionsfonds will die Bundesregierung keine ethischen Vorschriften. Für seine Beamten, Bundesrichter und Soldaten legt der Bund fast drei Milliarden Euro in Aktien an. Nachhaltigkeit? Fehlanzeige!

Gerhard Schick, MdB, Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher B´90/Grünen
"Der Bundesfinanzminister hat die Fragen der Ökologie am Finanzmarkt über Jahre hinweg völlig ignoriert. Eigentlich herrscht immer noch die Denke vor, im Finanzmarkt, da geht’s um Geld und alles andere spielt keine Rolle und das ist aber genau die Denke, die in Krisen führt und die dazu führt, dass völlig verantwortungslos mit Geld umgegangen werden kann."

Auf Länderebene hat man das bereits erkannt wie hier in Hessen. Das Geld für den Pensionsfonds seiner Beamten hat das schwarz-grün-regierte Land nicht nur nachhaltig, sondern auch noch hochrentabel angelegt. Sigrid Erfurth beaufsichtigt die hessische Versorgungskasse seit Jahren.

Sigrid Erfurth, Beirat Versorgungsrücklage Hessen
"Die Grundidee war, das wir ethische Mindeststandards einziehen wollten, weil wir eben das Geld, das wir verwalten für unsere Beamtinnen und Beamten so anlegen wollten, dass wir zum Beispiel nicht in Kriegswaffen investieren."

Frage Reporter
"Und ist das wirtschaftlich zum Nachteil?"

Sigrid Erfurth, Beirat Versorgungsrücklage Hessen
"Das ist wirtschaftlich nicht nachteilig. Die Erfahrung über die Jahre zeigt, dass wir etwas besser sind als andere Indizes, auch zum Beispiel die des Bundes und dass wir nicht nur was für die Umwelt tun, sondern auch noch ein bisschen was in der Kasse haben."

Allein beim Kassenwart des Bundes ist die Idee noch nicht angekommen. Dort fragen wir mehrfach vergeblich nach, warum man weder bei den Beamtenpensionen, noch bei Rürup und Riester Investitionen in unethische Unternehmen verbietet. Antwort: keine. Also versuchen wir es spontan in der Bundespressekonferenz.

Sprecherin Finanzministerin
"Also jetzt hier an dieser Stelle kann ich Ihnen nicht mehr dazu sagen und verweise auf die Antworten, die Sie bereits aus unserem Hause erhalten haben."

Und dort heißt es lediglich - eine:

Zitat
"… Nachhaltigkeitsstrategie wird nicht verfolgt."

Basta!

Gerhard Schick, MdB, finanzpolitischer Sprecher B´90/Grünen
"Immer mehr Menschen wollen bei ihrer Altersvorsorge auch berücksichtigen, wo das Geld angelegt wird ist. Wir wissen aus Umfragen, dass es deutliche Mehrheit der Bevölkerung ist und gleichzeitig gibt es aber nach wie vor ganz wenig nachhaltige Geldanlagen. Und das zeigt, dass die politischen Rahmenbedingungen fehlen."

Die hat das Finanzministerium sogar weiter verschlechtert. Ab Januar kann der Riester-Kunde vor Abschluss eines Vertrages nicht mal mehr im Kleingedruckten nachlesen, ob ein Fonds nachhaltig ist. Die bisherige Informationspflicht:

Zitat
"… ob und wie ethische, ökologische und soziale Kriterien bei der Verwendung der eingezahlten Altersvorsorgebeiträge berücksichtigt wurden …"

wird gestrichen.

Eine Begründung hierfür lieferte das Finanzminister bis heute nicht. Tischler Sube hat keine Chance, ohne erhebliche Verluste seinen Vertrag zu kündigen. Einen Ausstieg aus moralischen Gründen sieht der Gesetzgeber nicht vor.

Beitrag von Sascha Adamek & Chris Humbs