Zeitschrift der Mölderianer (Quelle: rbb)

- Merkwürdige Traditionspflege: Nazi-Held als Vorbild für die Bundeswehr

Staatsekretär Christian Schmidt (CSU) hat eine Mission: Er möchte durch eine neue Kampagne einen Fliegerheld der Nationalsozialisten wieder hoffähig machen: Oberst Werner Mölders. Mölders trat freiwillig in die Legion Condor ein, die sich an Kriegsverbrechen beteiligte. Trotzdem trug ein Jagdgeschwader der Bundeswehr viele Jahre den Traditionsnamen Mölders. Erst 2005, nach einem KONTRASTE-Bericht, benannte der damalige Verteidigungsminister Struck die Einheit um. Doch viele in der Truppe wollen sich auch heute noch damit nicht zufrieden geben. Ihr prominentester Fürsprecher, Christian Schmidt (CSU), ist einer der Stellvertreter des Bundesverteidigungsministers. Alexander Kobylinski und Caroline Walter berichten.



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Über 7.000 deutsche Soldaten sind im Moment zu Auslandseinsätzen abkommandiert. Eine gefährliche Mission, manchmal lebensgefährlich. Umso wichtiger ist es, dass sich die Soldaten richtig verhalten. Dafür brauchen sie Werte und Vorbilder. Die Bundeswehr aber tut sich schwer mit dieser Wertevermittlung. Denn auch über 60 Jahre nach dem Ende II. Weltkrieges mag man sich nicht komplett von alten Nazi-Helden verabschieden. Vor zwei Jahren erst hatte auch die Berichterstattung von KONTRASTE dazu beigetragen, dass ein Flieger-Idol aus dem Dritten Reich nicht mehr in der Bundeswehr geehrt wird. Doch seitdem rumort es. Die Traditionalisten wollen keineswegs aufgeben. Mehr von Caroline Walter und Alexander Kobilinsky.

Pfingsttreffen vom „Kameradenkreis der Gebirgstruppe“ im bayerischen Mittenwald. Veteranen der Wehrmacht und Bundeswehrsoldaten gedenken hier auch der Gebirgsjäger des Dritten Reichs. Die haben etliche Kriegsverbrechen begangen.

Auch anwesend: Christian Schmidt, Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Der CSU-Mann hat offenbar kein Problem mit dieser Art Traditionspflege. Im Gegenteil: Schmidt will sogar einen Fliegerhelden der Nazis wieder hoffähig machen: Werner Mölders.

Mölders war eine Galionsfigur im Dritten Reich. Zu Hermann Göring, Chef von Hitlers Luftwaffe, pflegte er ein inniges Verhältnis. Jeder kannte den Jagdflieger, er wurde gefeiert für seine vielen Abschüsse von „Feinden“.

Hitler verlieh ihm für seine eifrigen Dienste die höchsten Orden. Als Mölders starb, bekam der „Held des Nationalsozialismus“ ein Staatsbegräbnis.

Doch CSU-Mann Schmidt verteidigt das Ansehen des Fliegerhelden im Lokalfernsehen.

Christian Schmidt (CSU), Staatssekretär im Verteidigungsministerium
„Mölders hat keine braunen Flecken auf seiner Weste gehabt.“

Keine braunen Flecken? Für den Historiker und Bundeswehrexperten Detlef Bald ist der Fall Mölders klar.

Detlef Bald, Militärhistoriker
“Mölders hat Karriere, soldatische Karriere als Offizier der Luftwaffe im Nationalsozialismus gemacht. Er hat diese Karriere geliebt, er hat mit ihr gespielt, er hat sich darin gesonnt, in seinen Erfolgen.“

Mölders hat an verbrecherischen Angriffen mitgewirkt. Der Jagdflieger schützte die deutschen Bomber, die 1940 Städte wie London oder Dünkirchen in Brand setzten, Tausende Unschuldige kamen in den Flammen ums Leben.

Über seinen Einsatz schreibt Mölders:
Zitat:
„Es ist für uns Deutsche ein herrliches Gefühl in diesem Krieg mitzukämpfen...Dünkirchen brennt, wie ich noch nie eine Stadt habe brennen sehen.“

Trotzdem war Mölders jahrzehntelang Namensgeber in der Bundeswehr. Eine Kaserne und ein Jagdgeschwader trugen seinen Namen. Die Flieger identifizierten sich mit dem Wehrmachtshelden.

Vor zwei Jahren: Mölders Name wurde vom damaligen Verteidigungsminister Peter Struck endlich aus der Bundeswehr entfernt.

Aber bis heute torpediert Staatssekretär Schmidt diese Entscheidung. Auf seiner CSU-Seite im Internet kritisiert er offen, dass Mölders kein Vorbild mehr in der Bundeswehr ist. Er spricht von „Bilderstürmerei“. Und behauptet: Mölders sei „nicht in die NS-Ideologie verstrickt“ gewesen.

Dabei sollte Schmidt den Grund für die Streichung des Namens kennen. Ein Bundestagsbeschluss zur Traditionspflege in der Bundeswehr besagt,
Zitat:
„dass Mitgliedern der Legion Condor nicht weiter...ehrendes Gedenken zuteil wird.“

Und Mölders war Mitglied von Hitlers Legion Condor, hat sich freiwillig gemeldet. Die Legion verhalf dem Faschisten Franco in Spanien an die Macht. Zahllose Städte wurden in Schutt und Asche gebombt, Tausende Zivilisten getötet. Auch Mölders war im Einsatz, hier startete seine Karriere im Dritten Reich.

Vom Verteidigungsministerium wurde der Name Mölders zwar gestrichen. Aber die Traditionalisten in der Bundeswehr geben nicht auf. Auf der CSU-Seite von Schmidt finden wir einen Link zur Mölders-Vereinigung, einem Verein von Wehrmachts- und Bundeswehrsoldaten. Sie betreiben seit Jahren eine Kampagne, Mölders rein zu waschen.

Martin Kutz weiß, dass Mölders ein Symbol für einen Machtkampf in der Bundeswehr ist. Kutz war über 30 Jahre Dozent an der Führungsakademie der Bundeswehr.

Martin Kutz, ehemaliger Dozent Führungsakademie der Bundeswehr
„Beim Streit um Mölders geht es um sehr viel mehr als nur um den Namen. Es geht um die Zukunft der Bundeswehr. In der Bundeswehr gibt es sehr viele Traditionalisten und die machen sich für Mölders stark, weil sie Vertreter einer anderen Auffassung vom Soldaten sind. Sie wollen den Kämpfertypen propagieren, einen Kämpfertypen, der weltweit einsetzbar ist, der sich nicht fragt, ob das politisch sinnvoll ist oder ob es moralisch zu verantworten ist, was er tut.“

Mit Schmidt sitzt ein Mölders-Befürworter auf der Regierungsbank. Er benutzte sogar eine Rede zu einem offiziellen Anlass, um Mölders Rolle zu verharmlosen:
Zitat:
„So dauerte es nicht lange, bis er wie manch andere…weitgehend unpolitischen Idole seiner Zeit vom NS-Regime instrumentalisiert wurde...Ich spreche von Werner Mölders.“

Detlef Bald, Militärhistoriker
„Diese Behauptung ist ganz gefährlich. Sie ist falsch, sie ist sogar schlimm, weil sie aus Mölders ein Opfer seiner Umstände macht. Stattdessen war er ein aktiver Träger einer Propaganda für den Krieg und für nationalsozialistische Eroberungsziele in allen Bereichen Europas.”

Doch die Mölders-Anhänger versuchen jetzt erneut, seine Verantwortung in der NS-Zeit herunterzuspielen: So habe Mölders einem Schulfreund geholfen. Georg Küch, der von den Nazis als Halbjude eingestuft wurde, bat Mölders um Rat: Wie er am besten das Geschäft der Familie selbst verkaufen könnte.

Diese Geschichte wird für die Pro-Mölders-Kampagne benutzt.

Detlef Bald, Militärhistoriker
„Mölders hat diesem Schulfreund ein wenig geholfen. Na ja. Aber das ist keine Äußerung darüber, dass Mölders in irgendeiner Weise Distanz zum Nationalsozialismus, Distanz zur Judenpolitik, geschweige denn zur Judenvernichtung gewonnen hätte.”

Offiziell ist das Gedenken an Mölders aus der Bundeswehr entfernt worden. Doch die Zeitschrift für die Soldaten des Bundeswehrgeschwaders heißt nach wie vor
„Der Mölderianer“, herausgegeben von der Mölders-Vereinigung.

In einer aktuellen Ausgabe wird die Mölders-Kampagne unverhohlen betrieben.
Zitat:
„Seine Person stand und steht für all jene Charaktereigenschaften und soldatischen Tugenden, die für jeden von uns als erstrebenswerte Ideale auch in Zukunft erhalten werden müssen.“

Dies alles geschieht unter den Augen des Verteidigungsministeriums. Und das ist nicht nur in Sachen Mölders inkonsequent.

Das zeigt diese geheime Liste, die KONTRASTE vorliegt. Viele Kasernen tragen immer noch belastete Namen, vor allem aus dem Dritten Reich. Zum Beispiel: die General-Konrad-Kaserne. Konrad war ein überzeugter Nationalsozialist und Antisemit. Passend zum Kasernennamen: An die Wand gemalte Wehrmachtssoldaten.

Zu all diesen strittigen Kasernenamen liegen längst Gutachten vor. Aber das Verteidigungsministerium hält sie unter Verschluss, nichts passiert.

Detlef Bald, Militärhistoriker
„Das ist heutzutage unglaublich und unglaubwürdig. Es ist allerhöchste Zeit, dass Konsequenzen gezogen werden und die Wehrmachtsgeschichte in der Geschichte der Bundeswehr ihr Ende findet.“

Wie gefährlich diese Art der Traditionspflege für junge Soldaten ist, zeigt auch der neueste Bericht des Wehrbeauftragen. Dort ist von Vorfällen mit nationalsozialistischen Parolen die Rede. Von „Sieg Heil“ in der Kaserne bis hin zur Äußerung: „Juden gehören vergast, das sind niedrige Wesen und in Deutschland ist eine Herrenrasse“.

Für Rechtsextreme ist Mölders eine Ikone. In ihren einschlägigen Publikationen empören sie sich, dass er nicht mehr in der Bundeswehr geehrt wird.

Umso schlimmer, was Staatssekretär Christian Schmidt mit seinem Mölders-Engagement anrichtet. Immerhin vertritt er den Verteidigungsminister.

Detlef Bald, Militärhistoriker
„Diese Umdeutung der Geschichte, wie sie politisch ja auch betrieben wird, ist ein Reflex und eine Bestärkung des Rechtsradikalismus in der Bundeswehr. Denn die Bundeswehr leidet seit mehr als einem Jahrzehnt permanent über 100, 150, 200 rechtsradikalen Einzelfällen pro Jahr. Wenn ein Staatssekretär nun eine Politik der Wehrmachtsglättung, der Säuberung der Wehrmacht aufgreift, dann fördert er diese Elemente.“

Wir wollten Staatssekretär Schmidt zu seinen Aktivitäten in Sachen Mölders befragen: Doch kein Interview. Nach unserer Anfrage stellen wir fest, Schmidt hat auf seiner CSU-Seite schnell alle seine Äußerungen zu Mölders gelöscht. Wir wollen von Verteidigungsminister Jung wissen, warum er die Traditionspflege seines Staatssekretärs zulässt. Kein Interview.



Zusätzliche Informationen zum Einsatz Mölders in der Legion Condor

Mölders schreibt über seinen Einsatz im Raum Corbera/Ebrobogen:
„Seit einer Woche hat die große Offensive bei den Nationalen zur Säuberung des Ebrobogens begonnen.... Noch nie im Spanischen Bürgerkrieg ist so massiert Artillerie und Luftwaffe eingesetzt worden, wie hier im Ebrobogen...“

„Am 19. und 20. November bin ich mit der ganzen Staffel am Ebrobogen gewesen. Corbera ist vollkommen zerstört. Es ist sehr interessant, das ganze Gelände, über dem wir fast vier Monate geflogen sind, nun einmal von unten zu sehen...Wir finden noch einige Tote und viel Material...“