Die Wagenknecht-Partei BSW -
Für Frieden, Meinungsfreiheit, soziale Gerechtigkeit. Mit diesen Versprechen hat die Wagenknecht-Partei bei ihren ersten Wahlen punkten können. Und auch bei den anstehenden Landtagswahlen im Osten sehen die Umfragen das BSW weit vorn. Doch hinter den Kulissen rumort es bereits: Zu autoritär sei Wagenknechts Führung, zu unklar die politische Ausrichtung. Mit der AfD oder nicht? Im Saarland und in Thüringen haben erste Führungsfiguren hingeschmissen. Und auch ihre Russlandnähe könnte Wagenknecht noch zum Problem werden. Kontraste traf unter anderem einen BSW-Ortsbürgermeister, besuchte die im Aufbau befindliche Parteizentrale und sprach mit der Chefin selbst: Sahra Wagenknecht.
Beitrag von Daniel Donath, Chris Humbs und Markus Pohl
Anmoderation: Siewar die erstaunlich große Kraft bei den Europawahlen. Das Bündnis um Sahra Wagenknecht hat noch nicht mal eine fertige Parteizentrale - dabei gilt ihr Einzug in die Landesparlamente bei den anstehenden Wahlen jetzt schon als so gut wie gesetzt. Aber: was ist das eigentlich für eine Partei – was will sie? Sie selbst macht es sich da fast rührend einfach: steht selbsterklärt für den "Frieden" satt den Krieg – als ob den alle anderen befürworten würden. Wir haben das "B" hinter Sahra "W" mal ausgeleuchtet – und auch mit Wagenknecht selbst gesprochen.
"Hallo, guten Tag. Wir sind vom Bündnis Sahra Wagenknecht."
BSW-Vorwahlkampf in Chemnitz. Die Partei braucht noch Unterschriften, um bei der sächsischen Landtagswahl im September antreten zu dürfen.
Mit dabei: Ronny Kupke, ein Polit-Neuling. Er hat das BSW in Sachsen mitbegründet.
Ronny Kupke, BSW
"Also die meisten unterstützen das. Die sind einfach enttäuscht von der Politik und sehen darin eine gute Möglichkeit, dass es zu einem Wechsel kommt."
Mehr als 15 Prozent der Stimmen hat das BSW bei der Europawahl in Chemnitz geholt. Für viele entscheidend: der Krieg in der Ukraine.
"Dann herzlichen Dank". "Ich bedanke mich."
Passanten
"Da die Sahra Wagenknecht gut auftritt und gute Ziele hat und die Partei aus meiner Sicht im Vordergrund den Frieden hat. Manche Leute drehen das immer ein bisschen rum, die meinen, sie müssen den Frieden mit Waffen schaffen. Ich sehe das genau andersrum."
"Genau, das sehen wir genauso!"
Wer dem Frieden aktuell im Wege steht – dazu haben die BSW-Kommunalpolitiker hier eine klare Meinung:
Nico Rudolph, BSW
"Ich denke, dass der Westen eigentlich kein Interesse hat an diesen Friedensverhandlungen. Es wird ja immer wieder gesagt, der Krieg kann noch Jahre dauern, hat Scholz gesagt, das sagen Politiker von der CDU. Man muss einfach wissen, dass da sehr viel Geld verdient wird für die Rüstungsindustrie, für die dahinterstehende Finanzindustrie."
Kontraste
"Aber wer hat denn aus Russland Friedensbereitschaft gezeigt?"
Nico Rudolph, BSW
"Das haben Sie ja mehrfach gesagt, das ist ja auch nachvollziehbar, dass die Frieden wollen, weil die können kein unsicheres Land neben sich haben."
Der Westen als Kriegstreiber – das hören wir hier häufiger. Mehrere Dutzend Passanten setzen an diesem Tag ihre Unterschrift für das BSW.
Frau
"Wir haben Enkelsöhne, die sind zwar jetzt erst knapp 14, aber mir macht das Angst, wenn das weiter so geht, dass die in den Krieg ziehen und dort sterben."
Kontraste
"Wer, die Deutschen?"
Frau
"Unsere Enkel, dass wir dort reingezogen werden am Ende. Denn Russland ist nicht so weit entfernt, da gibt es Polen dazwischen und dann sind wir dran. Und das macht mir einfach Angst, muss ich wirklich sagen. Ich hatte noch nie in meinem Leben so eine Angst vor dem Krieg wie jetzt."
Auch sie unterschreibt – und wäre beinahe bei einer anderen Partei gelandet.
"Bevor die BSW gekommen ist, wäre ich AfD-Wählerin geworden. Weil die auch gegen den Krieg sind. Der Krieg ist mein Hauptthema."
Und zentrales Mobilisierungs-Thema des BSW. Die Partei schürt die Angst vor einem Atomschlag. Und geißelt die "Kriegsbesoffenen in Berlin, Brüssel und Washington". Von Moskau dagegen keine Rede.
Im Kreml scheint man das mit Wohlwollen zu sehen. Kurz vor der Europawahl tauchten in sozialen Netzwerken zahlreiche Posts auf, die für das BSW warben. Wie das Nachrichtenportal t-Online recherchierte, verbreitet von Accounts, die dem sogenannten "Doppelgänger-Netzwerk" zugerechnet werden, einer Desinformations-Kampagne, für die der russische Staat verantwortlich sein soll.
Das Netzwerk verbreitet Propaganda mittels gefälschter Artikel, hier etwa des Spiegels, Fehler wie "Außenminister Berbock" inklusive. Diese Fake-Artikel werden dann von den Accounts des Netzwerks gestreut.
In der provisorischen Parteizentrale in einer Berliner Mietswohnung treffen wir Sahra Wagenknecht. Wir konfrontieren sie mit dem Rückenwind aus Moskau.
Kontraste
"Ist das eine Unterstützung, wo Sie sagen, ja gut, können wir nichts machen, oder macht Ihnen das ein bisschen Sorge, dass Sie so in diese Richtung da auch gedrängt werden, dass sie sozusagen Interessen Moskaus vertreten?"
Sahra Wagenknecht
"Wir vertreten nicht die Interessen Moskaus, wir vertreten die Interessen unseres Landes (...) Ich bin nicht im Kreml, ich weiß nicht, wen die wohlwollend betrachten und wen sie unterstützen. Das ist mir auch egal. Wir sind unabhängig. Und was uns interessiert, ist, dass hier der Frieden gewahrt bleibt."
Krieg oder Frieden – sie haben jetzt die Wahl. So wirbt Wagenknecht für sich und ihre Partei. Eine Zuspitzung, die der Publizist Albrecht von Lucke scharf kritisiert.
Albrecht von Lucke, Herausgeber Blätter für deutsche und internationale Politik
"Die permanente Suggestion: Nur wir, das Bündnis Sahra Wagenknecht, sind für den Frieden, der Rest sind alle Kriegsparteien, ist die eigentliche populistische Zuspitzung, die natürlich unterdrücken soll, dass damit einhergeht die Bereitschaft, die Ukraine faktisch aufzugeben. Sofortiger Frieden wird suggeriert. Wir sind bereit, ihn zu schließen. Und damit kommen wieder russisches Gas und russisches Öl. Und ihr habt wieder einen Benefit davon. Uns geht es allen besser. Das ist das große Versprechen, und das hat natürlich enorm verfangen, vor allem im Osten.
Gut sechs Prozent konnte das BSW bundesweit einfahren, in Ostdeutschland aber sogar 13,8 Prozent.
In nur fünf Monaten hat das Bündnis die deutsche Parteienlandschaft gehörig durcheinandergewirbelt. Im Januar der Start mit ebenso selbstbewussten wie populistischen Tönen:
Sahra Wagenknecht BPK nach Parteigründung 08.01.2024
"Wir haben die neue Partei gegründet, damit diese falsche Politik, damit die Unfähigkeit und Arroganz hier im Berliner Regierungsbezirk, die unser Land spaltet, (...) damit das überwunden werden kann."
In PR-Videos inszeniert sich Wagenknecht als Kämpferin gegen die da oben:
BSW PR Video, Quelle: Bündnis Sahra Wagenknecht
"Seit Jahren wird an den Wünschen der Mehrheit vorbeiregiert, statt Leistung zu belohnen, wurde von den Fleißigen zu den oberen 10:000 umverteilt."
Albrecht von Lucke, Herausgeber Blätter für deutsche und internationale Politik
"Das ist die klassische populistische Ansprache. Wir, die Guten, meistens die Vertretung des guten Volkes, dort die böse Elite, die böse Regierung. Und das geht durchgängig durch alle Plakate Krieg oder Frieden, Meinungsfreiheit oder Maulkorb. Das macht ihren Populismus aus. Und das Interessante ist, dass er nicht klar links oder klar rechts konnotiert ist, sondern Versatzstücke von beiden Richtungen aufnimmt."
In den 90er Jahren galt Wagenknecht als Beton-Kommunistin. Mittlerweile lobt sie Ludwig Erhard und die soziale Marktwirtschaft. Wagenknecht fordert eine strenge Migrationspolitik, sozialpolitisch aber steht sie klar links.
Sahra Wagenknecht: 16.05.2024
"Wie sozial ist ein Staat, der immer mehr alte Menschen in die Armut schickt"
Das aktuelle Parteiprogramm des BSW umfasst gerade einmal vier Seiten. Denn das eigentliche Programm heißt: Sahra Wagenknecht.
Wir dürfen beim Zusammentritt des BSW-Präsidiums in Berlin drehen. Dieser kleine Zirkel um Wagenknecht entscheidet über die Geschicke der Partei und jede einzelne Neuaufnahme. Bislang sind es bundesweit erst 700 Mitglieder. Ein handverlesener Kreis.
Albrecht von Lucke, Herausgeber Blätter für deutsche und internationale Politik
"Von innerparteilicher Demokratie konnte man bisher nicht reden. Die Parteitage wurden durchgezogen, orchestriert und alles ist nur auf Wagenknecht konzentriert (..) Das macht natürlich demokratietheoretisch die Partei angreifbar. Und die große Frage wird sein: Wie treten all die anderen Personen, die man bisher noch gar nicht kennt, eines Tages wirklich in Erscheinung, wenn sie spätestens mit den Wahlen im Osten, dann in den Landtagen wirklich sitzen und Parteipolitik machen müssen?"
Zum Beispiel in Thüringen, wo der Landtag am 1. September gewählt wird. In der alten Bergbau-Stadt Bleicherode trägt das BSW bereits Verantwortung. Ende Mai wurde Robert Henning hier mit fast 57 Prozent Ortschaftsbürgermeister – der erste gewählte Amtsträger des BSW. Vor Ort setze er auf Sachpolitik, sagt Henning, im Zweifel auch mit der AfD.
Robert Henning, BSW, Ortschaftsbürgermeister Bleicherode
"Brandmauern im Kommunalen muss man wirklich betonen, also ich kann da nur für mich sprechen, gibt es nicht."
Kontraste
"Wie sieht es aus, wenn die AfD einen Antrag einbringt, den sie für sinnvoll erachten?"
Robert Henning, BSW, Ortschaftsbürgermeister Bleicherode
"Wenn der sachlich fundiert ist und wirklich auch geprüft, also ich wirklich für mein Mandat habe damit dann kein Problem."
Seit der Wende hat Bleicherode rund die Hälfte seiner Einwohner verloren. Viele Häuser stehen leer, Textilindustrie und Bergbau sind weggebrochen. Sozialpolitisch fühlt sich Henning immer noch der Linkspartei verbunden, bei der er bis Anfang des Jahres aktiv war. Die Linke aber habe sich zu sehr auf ein rot-grünes Großstadtmilieu ausgerichtet – vor allem in der Flüchtlingspolitik.
Robert Henning, BSW, Ortsbürgermeister Bleicherode
"Wenn der Kalifat irgendwo ausgerufen wird jetzt teilweise oder salafistische Demonstrationen stattfinden oder auch die Straffälligen, wir sehen den Polizistenmord in Mannheim, dann ist das absolut zu verurteilen, da sind solche Leute auch auszuweisen."
Kontraste
"Aber hier in Bleicherode wahrscheinlich nicht das große Problem, dass hier jemand das Kalifat ausruft, oder?"
Robert Henning, BSW, Ortsbürgermeister Bleicherode
"Wir wissen nicht, was die in den Hinterstübchen alle machen. Das muss man ja eigentlich sagen. Man kann ja nur den Leuten vor den Kopf schauen und nicht dahinter."
Es ist auch die Angst vor der Migration, mit dem das BSW hier punktet, und offenbar die Stimmung trifft.
"Hallo, alles schick?"
Viele im Ort finden Gründe, das BSW auch in den Landtag zu wählen:
"Die Meinungsfreiheit, das ist so ein Punkt, wo ich sage, das stimmt wirklich, die haben wir gar nicht mehr so richtig. Man muss wirklich aufpassen, was man sagt. Und das ist auch was, was BSW somit im Programm hat. Das geht schon los, dass man nicht mehr Mohrenkopf sagen soll oder Zigeunerschnitzel oder all diese Begriffe. Oder dann dieses, dieses Gendern ist total albern."
Nach aktuellen Umfragen kann das BSW in Thüringen auf 21 Prozent der Stimmen hoffen.
Für den Landtag kandidiert auch Henning. Ein Bündnis mit der AfD schließt er dort aus, schließlich sei Björn Höcke ein erwiesener Rechtsextremist. Eine Regierung mit der CDU aber könnte er sich vorstellen – genau wie seine Chefin.
Sahra Wagenknecht
"Nach den Ost Wahlen könnte es ja durchaus sein, dass wir ganz reale Verbesserungen bei der Bildung, bei der Aufarbeitung der Corona-Zeit, bei vielen anderen Themen durchsetzen können. Sollten wir das in einer Landesregierung schaffen, dann würden wir in so eine Regierung eintreten."
Und dann müsste sich zeigen, ob Wagenknecht mehr kann als Fundamentalopposition.