- Behandlung 3. Klasse - Privat krankenversichert im Basistarif

Bislang galten privat Krankenversicherte als Patienten erster Klasse. Das gilt jedoch nicht für diejenigen, die im Basistarif stecken. Nicht jeder Arzt will sie behandeln, oder der Patient muss um die richtige Abrechnung ringen. Dabei ist der Tarif alles andere als billig.

Privatpatienten werden besser behandelt als gesetzlich Versicherte, ein Mythos, den wir in unseren letzten Sendungen auf den Prüfstand gestellt haben. Und offenbar haben wir damit einen Nerv getroffen, denn zahlreiche Zuschauer bestätigten uns, dass sie als Privatpatienten oft für Leistungen kämpfen müssen, die ihnen zustehen. Mehrere fragten uns sogar, ob es nicht eine Selbsthilfegruppe für geschädigte Privatpatienten gäbe. Kaum zu glauben. Wir haben das zum Anlass genommen, weiter zu recherchieren und festgestellt: Es gibt offenbar nicht nur Patienten zweiter, sondern sogar dritter Klasse. Caroline Walter und Andrea Böll.

Kerstin Hoppe hat einen Termin beim Arzt. Sie ist privat krankenversichert, allerdings im so genannten Basistarif. Was das für sie als Patientin bedeutet, erleben wir mit. In der Praxis muss sie statt einer Versichertenkarte jedes Mal ein Blatt ihrer privaten Krankenversicherung vorzeigen. Darauf stehen die Gebührensätze, nach denen der Arzt bei ihr abrechnen darf. Sie sind niedriger als die von „normalen" Privatpatienten. Deshalb gibt es jetzt eine Diskussion.

Gedächtnisprotokoll
„Ich muss den Doktor erstmal fragen, ob er Sie behandelt. Ich muss das erstmal mit ihm klären."

Für Frau Hoppe heißt das: warten, wie sich der Arzt entscheidet. Eine demütigende Situation. Als die Sprechstundenhilfe zurückkommt, spricht sie Klartext.

Gedächtnisprotokoll
„Basistarif ist kein guter Vertrag. Schlechter als bei Kassenpatienten und die sind schon schlecht gestellt. Das kann sein, dass einige Ärzte Sie gar nicht annehmen."

Die Arzthelferin lässt noch mehr durchblicken.

Gedächtnisprotokoll
„Also, richtig krank werden dürfen Sie bei dem Tarif nicht. Wenn Sie einen Unfall haben und Sie kommen ins Krankenhaus mit diesem Tarif, müssen Sie da vielleicht richtig draufzahlen, weil die Ärzte sagen, zu diesem Honorar behandeln wir nicht."

Nach langem Warten kommt Frau Hoppe endlich zum Arzt. Sie muss mehrmals darauf pochen, dass er sie nur nach den Gebühren für den Basistarif abrechnet. Irgendwann willigt er ein und behandelt sie. Die Situation ist beiden unangenehm.

Was hier passiert ist, hat Kerstin Hoppe schon bei mehreren Ärzten erlebt.

Kerstin Hoppe
„Es ist so, dass man Angst bekommt eigentlich davor, dass man mal schwer kranker wird, oder dass man mal einen Unfall hat, wo man keinen Einfluss hat, weil man Schmerzen hat oder ohnmächtig ist oder sonst irgendwas, einfach richtige Panik."

Kerstin Hoppe ist als Selbstständige seit 40 Jahren Privatpatientin. Im Moment ist sie arbeitslos. Deshalb musste sie in den Basistarif ihrer privaten Krankenversicherung wechseln. Da sie älter als 55 Jahre ist, darf sie nicht mehr in die gesetzliche Krankenversicherung.

Der Basistarif war ursprünglich gut gemeint - eingeführt hat ihn die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, mit dem Ziel:

Ulla Schmidt, Gesundheitsministerin a.D.
„Dass wirklich alle Menschen in diesem Land, ob jung oder alt, ob gesund oder krank, ob arm oder reich, das Recht haben, einen Krankenversicherungsschutz und zwar zu bezahlbaren Preisen zu erhalten."

Die private Krankenversicherung muss per Gesetz einen Basistarif anbieten - zum Beispiel für Privatversicherte, die arbeitslos werden oder für ältere, kranke Menschen, die ihre Prämien nicht mehr bezahlen können. Kein Billigtarif - bis zu 580 Euro im Monat kostet er.

Wenn Frau Hoppe die Arztrechnungen kontrolliert, stellt sie regelmäßig fest, dass sich die Ärzte nicht an die Gebühren des Basistarifs halten. Sie ignorieren sie einfach.

Kerstin Hoppe
„Ich habe die Aussage bekommen, wir behandeln Sie nicht nach diesem Tarif. Wenn man dann angewiesen ist darauf, gerade zu dem Arzt zu gehen, weil man Schmerzen hat, dann macht man es trotzdem, bleibt man dort und müsste dann den Rest der Rechnung selber tragen."

Das kann sie mit Hartz IV nicht. Bei dieser Zahnarztrechnung sollte sie über 100 Euro zahlen - ihre Versicherung übernimmt aber nur einen Teil.

Sind Basistarif-Versicherte sogar schlechter gestellt als Kassenpatienten? Im Internet finden wir eine Hotline für Basistarifversicherte - angegeben von der Zahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Wir rufen an, geben uns als Patient im Basistarif aus, wohnhaft in Heilbronn und wollen wissen: Behandelt uns dort jeder Zahnarzt?

Berater
„Nein, da habe ich eine Liste, wo ich Ihnen sagen kann, wer Sie behandelt. Das sind fünf Zahnärzte."

Wir staunen - nur 5 Zahnärzte von 128 in Heilbronn behandeln nach Basistarif. Warum ist das so? fragen wir.

Berater
„Es ist so geregelt, dass Zahnärzte Basistarif-Patienten nur in Notfällen behandeln müssen. Also, sie können ansonsten die Behandlung ablehnen. Viele Zahnärzte sind nicht bereit, ihr Honorar zu kürzen."

Solche Berichte kann Dörte Elß von der Verbraucherzentrale Berlin bestätigen. Patienten mit Basistarif bekämen oft gar keinen Termin beim Arzt. Sie berichtet, dass sogar der Wechsel in diesen Tarif schwer gemacht wird.

Dörte Elß, Verbraucherzentrale Berlin
„Die privaten Krankenversicherungen mögen diesen Tarif nicht, weil sie zum ersten Mal verpflichtet sind, Menschen in diesen Tarif aufzunehmen. Sie können jetzt nicht mehr sagen: 'Du bist zu alt oder Du bist zu krank und Dir geben wir keinen Tarif', sondern sie sind verpflichtet, ihn aufzunehmen."

Die Leistungen sollten vergleichbar mit denen von Kassenpatienten sein - ebenso die Bezahlung der Ärzte. Deshalb stehen im Gesetz konkrete Gebührensätze. Kerstin Hoppe hatte diese auch auf ihrem Behandlungsausweis - bis vor einigen Monaten ein neuer ins Haus flatterte - mit deutlich niedrigeren Sätzen.

Möglich macht das eine Ausnahmeregelung im Gesetz. Da heißt es:

Zitat
„Solange und soweit nichts … Abweichendes vereinbart oder festgesetzt wird…"

Doch genau das ist passiert: Der Verband der privaten Krankenversicherung und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben eine abweichende Vereinbarung getroffen und die Honorare für Ärzte noch weiter gedrückt. Grund dafür: Sie wollen den Basistarif so unattraktiv wie möglich machen und verhindern, dass zu viele in den Tarif gehen.

Die Folgen tragen die Patienten. Das sagt Rolf Wachendorf. Er ist Psychotherapeut und einer der wenigen, der offen ausspricht, wie es in der Realität für seine Patienten aussieht.

Rolf Wachendorf, Psychotherapeut
„Der Basistarif bedeutet, dass man 40 Prozent weniger Honorar bekommt als bei einem normal gesetzlich Versicherten. Wenn jetzt also jemand anruft, der im Basistarif versichert ist, wird er normalerweise keinen Termin bekommen. Er erfährt natürlich nicht, warum er keinen Termin bekommt. Nur hier in der Praxis ist es so, wir haben Selbstkosten von circa 70 Euro pro Stunde und bekommen tun wir 48 Euro. Da müsste man ja die Therapie des Patienten selber bezahlen. Und das macht natürlich keine vernünftige Praxis."

Rolf Wachendorf ist sauer, dass die Ärztevereinigung beim Gebühren-Dumping mitgemacht hat.

Rolf Wachendorf, Psychotherapeut
„Das ist natürlich für den Versicherten sehr tragisch, weil er möchte ja Hilfe, er will ja, dass was passiert, und er bekommt die Hilfe nicht."

Mit verantwortlich dafür ist Andreas Köhler, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Er saß am Verhandlungstisch mit den Privaten Versicherungen. Wir konfrontieren ihn.

KONTRASTE
„Das Gesetz sieht aber andere Gebührensätze vor und Sie haben sie weiter abgesenkt, so dass die Ärzte sagen: ‚Das geht gar nicht.‘“
Dr. Andreas Köhler, Kassenärztliche Bundesvereinigung
„Wir mussten die absenken, weil unser Vertragspartner, die private Krankenversicherung, ansonsten vor ein Schiedsamt gegangen wäre, bei dem wir noch schlechtere Konditionen haben erwarten müssen."
KONTRASTE
„Das heißt, der PKV-Verband, die privaten Krankenversicherer, haben Sie irgendwie auch unter Druck gesetzt?“
Dr. Andreas Köhler, Kassenärztliche Bundesvereinigung
„Aber natürlich, sonst hätten wir andere Gebührenordnungssätze verhandeln wollen."

Er schiebt den schwarzen Peter auf den mächtigen Verband der Privatversicherer. Dort wollte man uns erst kein Interview geben. Doch wir treffen den Chef des PKV-Verbandes auf einer Veranstaltung, und fragen, warum der Basistarif derart torpediert wird.

Dr. Volker Leienbach, Verband der privaten Krankenversicherung
„Wir haben gegen den Tarif in Karlsruhe geklagt. In diesem Punkt haben wir in Karlsruhe verloren. Das heißt, wir bieten jetzt natürlich gesetzeskonform diesen Tarif an, ist völlig klar."
KONTRASTE
„Sie machen aber den Basistarif schon auch unattraktiv, damit nicht so viele Leute da hinein wechseln?“
Dr. Volker Leienbach, Verband der privaten Krankenversicherung
„Das kann ich überhaupt nicht sehen. Der Basistarif ist ein Tarif, der dem gesetzlichen Krankenversicherungstarif vergleichbar ist."
KONTRASTE
„Aber auch nur vergleichbar oder schlechter?“
Dr. Volker Leienbach, Verband der privaten Krankenversicherung
„Vergleichbar oder schlechter oder besser…“
KONTRASTE
„Was denn nun?“
Dr. Volker Leienbach, Verband der privaten Krankenversicherung
„Ja, vergleichbar ist vergleichbar. Das ist nun mal so."

Basistarif-Versicherte werden aber zu Patienten dritter Klasse. Eingreifen könnte das Gesundheitsministerium. Zu einem Interview war man nicht bereit. Schriftlich teilt man uns mit: Dem Ministerium liegen keine Hinweise darauf vor, dass Basistarif-Versicherte schlechter behandelt würden. Einen Handlungsbedarf sieht man hier nicht.

Für Kerstin Hoppe bedeutet das: Sie wird im Stich gelassen. Weil sie arbeitslos, also in einer Notlage ist, musste sie in den Tarif. Und hat kaum eine Chance, jemals wieder herauszukommen.

Kerstin Hoppe
„Ich bin wütend und frustriert, weil ich nicht weiß, wie geht es mir in einem halben Jahr, in zwei Monaten, fall ich jetzt vom Bordstein, brech mir ein Bein, wie bin ich versichert. Ich bin schlecht versichert, für einen hohen Beitrag."

Wenn Sie zu diesem Thema auch Erfahrungen gesammelt haben, können Sie mit uns Bloggen. Sie erreichen uns unter www.kontraste.de, wir sind gespannt auf Ihre Meinung.



Beitrag von Caroline Walter