medizinische Einmalinstrumente (Quelle: rbb)

- Gesundheitsrisiken durch wiederaufbereite medizinische Einmalinstrumente – verantwortliche Gesundheitspolitiker greifen nicht ein

Um Kosten zu sparen, lassen viele Kliniken in Deutschland medizinische Einmalprodukte wiederaufbereiten. Dadurch können beispielsweise chirurgische Instrumente, die vom Hersteller nur für den einmaligen Gebrauch deklariert sind, mehrfach genutzt werden. Doch diese Form des Recycling kann Gefahren für Patienten mit sich bringen – von Infektionsrisiken bis hin zu Komplikationen bei der OP. Gesundheitsbehörden in vielen EU-Ländern haben längst Konsequenzen gezogen – die Aufbereitung von Einmalinstrumenten untersagt. Doch in Deutschland hat das Bundesgesundheitsministerium bis heute nicht gehandelt. Caroline Walter und Alexander Kobylinski haben recherchiert.

Krankenhäuser können krank machen. Die deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene schätzt, dass sich jedes Jahr eine halbe Million Menschen in Krankenhäusern mit gefährlichen Keimen infizieren. Ein Grund ist mangelnde Hygiene. Wer würde dabei schon an medizinische Einmal-Instrumente denken? Wie der Name schon sagt, sollen die ja nur einmal benutzt werden. Doch viele dieser Instrumente kommen häufiger zum Einsatz, weil sie recycelt werden. Dieses Recycling ist ein Tabu-Thema unter Medizinern. Caroline Walther und Alexander Kobilinsky berichten.

Die letzten Minuten vor einer Operation. Ab jetzt hat der Patient keinen Einfluss mehr darauf, was mit ihm geschieht. Er muss sich auf die Ärzte verlassen - und auf ihre Instrumente.

Operiert wird oft mit so genannten Einmalinstrumenten. Mit ihnen werden zum Beispiel Blutgefäße verschweißt oder Wunden geklammert. Diese Instrumente sind nur für den einmaligen Gebrauch vorgesehen. Nach der OP gehören sie eigentlich in den Müll.

Doch viele Kliniken lassen die Einmalinstrumente wiederaufbereiten statt sie zu entsorgen. Diese Kliniken geben nach der OP ihre verschmutzten Geräte an Aufbereitungsfirmen. Die reinigen und sterilisieren die Instrumente. Sie bereiten sie auf und schicken sie zurück an die Klinik – für den Einsatz am nächsten Patienten. Dieses Recycling von Einmalinstrumenten ist in Deutschland erlaubt.

Ganz anders in vielen europäischen Nachbarländern. Wir sind an den Landeskliniken Salzburg. Hier in Österreich ist die Aufbereitung von Einmalinstrumenten untersagt. Prof. Felix Unger, ein Pionier in der Herzchirurgie – und international renommiert. Er ist davon überzeugt, dass das Recycling von Einmalinstrumenten ein Risiko darstellt.

Prof. Felix Unger, Herzchirurgie Salzburg, Österreich
“Die Wiederaufbereitung von Einmalgeräten ist heute völlig unzulässig und für den Patienten untragbar. Sie bringen dadurch eine zusätzliche Gefahrenquelle in den Operationssaal, die überhaupt nicht notwendig ist.“

Eine Gefahr – der die Patienten in Deutschland aber ausgesetzt sind. Welches Risiko geht von recycelten Einmalinstrumenten aus? KONTRASTE hat ganz aktuelle Stichproben gemacht und Einmalinstrumente an Kliniken eingesammelt. Diese wurden von verschiedenen Firmen aufbereitet. Zwei unabhängige Gutachter haben überprüft, ob die Instrumente im Inneren sauber und sicher für Patienten sind.

Die Ergebnisse der Untersuchung sind erschreckend.

Diese aufbereiteten Einmalinstrumente sind verschmutzt – vor allem mit Resten vom Vorgängerpatienten. All das würde im nächsten Patienten landen. Gelangen Eiweiß- oder Blutreste in den Körper, können die darin enthaltenen Keime Infektionen auslösen, Hepatitis und andere Krankheiten übertragen.

Klaus Roth ist Gutachter für Medizinprodukte, ein ausgewiesener Experte in Sachen Reinigung. Er sieht ein grundsätzliches Problem, wegen der besonderen Konstruktion der Geräte.

Klaus Roth, Gutachter Medizinprodukte
„Wir haben natürlich mit Einmalinstrumenten die Chance, komplexe Instrumente zu bauen, die sehr hilfreich sind für den Patienten, die Funktionen haben, die man Mehrweginstrumenten nicht mitgeben kann. Diese Mechanik lässt sich deswegen auch nur schlecht reinigen, weil das Instrument gefüllt ist damit. Es gibt viele Nischen und Winkel, wo sich der Schmutz absetzen kann, wo wir ihn aber nicht wieder ausspülen können.“

Roth hat für uns Stichproben von aufbereiteten Einmalinstrumenten untersucht. Mit diesen Geräten wird Arthrose operiert, zum Beispiel der Knorpel am Knie geglättet.

Auch in diesen recycelten Einmalinstrumenten fanden sich Verschmutzungen: Hinweise auf Reste von Reinigungsmitteln. Und: Borsten von Reinigungsbürsten blieben im Instrument. In einem Gerät fand sich sogar ein Stahldraht, der dort nicht hingehört. Ein Fremdkörper im Knie, der die Heilung stark beeinträchtigen kann.

Auffällig waren auch Macken an den Schneidklingen. Die Folge: der Knorpel wird gerupft statt geglättet.

Klaus Roth, Gutachter Medizinprodukte
„Wir haben teilweise Schäden an den Klingen gefunden, die dazu führen könnten, dass der Schnitt nicht sauber ausgeführt wird oder zum Beispiel eine Erwärmung von Gewebe auftritt, was zu einem schlechteren Heilungserfolg führen kann.“
KONTRASTE
„Waren die Instrumente in einem Zustand, wo man sagen kann: Die sollte man einsetzen?“
Klaus Roth, Gutachter Medizinprodukte
„Ich würde sie so nicht einsetzen, weil die neuen Instrumente sehen anders aus.“

Den Aufbereitungsfirmen zufolge sind recycelte Einmalinstrumente so sicher wie neue. Man kontrolliere das. Es bestehe kein Risiko für Patienten. Die Firmen verweisen darauf, dass die Aufbereitung ja gesetzlich nicht verboten ist.

Viele Krankenhäuser stehen unter Kostendruck. Ein Einmalinstrument recyceln zu lassen, ist billiger als jedes Mal ein neues zu benutzen. Jede dritte Klinik lässt nach unseren Informationen aufbereiten. Die meisten wollen das aber nicht offen zugeben und auch nicht darüber reden - ein Tabu-Thema.

Wir wenden uns an die Krankenkassen, Beispiel DAK. Bezahlt die Kasse für neue oder für recycelte Instrumente?

Cornelius Erbe, DAK
„Mit der Vergütung für die Krankenhäuser sind auch die Kosten für Einmalprodukte abgedeckt. Deshalb gehen wir davon aus, dass unseren Versicherten neue Einmalprodukte zur Verfügung gestellt werden.“

Wir zeigen Fotos von den verschmutzten Einmalinstrumenten. Die Krankenkasse erfährt nicht, ob die von ihnen bezahlten Kliniken recycelte statt neuer Einmalinstrumente benutzen. Entsetzen bei der DAK.

Cornelius Erbe, DAK
„Ich halte es für Betrug, wenn wir für eine Leistung bezahlen, die nicht erbracht wird, das halte ich für klärungsbedürftig. Wir möchten die Sicherheit haben, dass unsere Versicherten mit der richtigen Qualität versorgt werden.“

Doch auch der Patient erfährt nichts vom Recycling. Wenn mit solchen Instrumenten Patienten geschädigt werden, gelangt das nicht an die Öffentlichkeit.

Wir finden einen der wenigen Ärzte, der über dieses Problem redet. Prof. Beck vom Klinikum Konstanz macht viele Herzkatheteruntersuchungen. Mit den dünnen Einmalkathetern werden Verengungen am Herzen behandelt.

Gerade diese Geräte werden gerne recycelt. Prof. Beck ist strikt dagegen. Aufbereitete Katheter – so seine Studien - haben oft feine Risse oder raue Oberflächen. Die größte Gefahr: ein Katheterteil reißt im Patienten ab.

Prof. Andreas Beck, Chefarzt Klinikum Konstanz
“Wir haben Fälle gesammelt, im Freundes- und Bekanntenkreis, wo bei defekten Ballonkathetern Gefäße geschädigt worden sind, eine Niere verloren gegangen ist bei einem Patienten und ein Beckengefäß zerrissen war bei einem Patienten. Allein schon diese zwei, drei Patienten die ich persönlich kenne, genügen mir, um wieder aufbereitetes Material nicht mehr einzusetzen.”

Wir recherchieren weiter in England. Hier haben die Behörden längst auf die Gefahr durch aufbereitete Einmalinstrumente reagiert. Das britische Gesundheitsministerium hat eine Warnung an alle Kliniken herausgegeben, Einmalinstrumente nicht zu recyceln und wiederzubenutzen.

Philip Grohmann, Britische Gesundheitsbehörde (MHRA)
„Es gibt ein Infektionsrisiko für die Patienten. Bekommt ein Patient durch ein aufbereitetes Einmalinstrument eine Infektion, sind die Folgekosten sehr viel höher als die Kostenersparnis, die man durch die Wiederaufbereitung hat.“

Die Behörde verweist noch auf ein besonderes Risiko: die Übertragung der tödlichen Creuzfeldt-Jakob-Krankheit. Sie wird durch Prionen ausgelöst. Auch die Variante, deren Ursache BSE bei Rindern ist. Ist ein Patient mit Prionen infiziert, können diese durch chirurgische Instrumente von einem Patienten auf einen anderen übertragen werden. Dieses Risiko erhöht sich bei recycelten Einmalinstrumenten.

Philip Grohmann, Britische Gesundheitsbehörde (MHRA)
„Das Risiko bei diesen Instrumenten ist höher. Denn es ist sehr schwierig, Prionen von Einmalinstrumenten zu entfernen, weil die hohen Temperaturen und Chemikalien, die für die Reinigung und Abtötung von Prionen nötig sind, bei Einmalinstrumenten nicht einsetzbar sind. Sie würden die Instrumente zerstören.“

Auch in Deutschland besteht ein Risiko durch die Prionen. Hierzulande sterben jedes Jahr Menschen an der Creuzfeldt-Jakob Krankheit, der herkömmlichen Variante.
Die deutschen Behörden wissen um die Übertragungsgefahr. Aus einem Bericht des Robert-Koch-Instituts geht hervor, dass es keine sichere Methode gibt, Prionen von recycelten Einmalinstrumenten zu entfernen. Denn diese werden mit Gas sterilisiert, ein unwirksames Verfahren, um Prionen abzutöten.

Das Bundesgesundheitsministerium wurde von uns schon vor Monaten auf die Risiken durch recycelte Einmalinstrumente hingewiesen. Ein Interview mit der Ministerin zu diesem Thema wird abgelehnt. Wir versuchen es trotzdem bei Ulla Schmidt.

KONTRASTE
„ARD, zum Stichwort Einmalinstrumente: die Wiederaufbereitung. Wir wollten Sie fragen, warum das nicht verbieten in Deutschland?“
Ulla Schmidt (SPD), Bundesgesundheitsministerin
„Das ist zu komplex, um das jetzt hier zu besprechen.“

Ausweichen – weil das Problem zu lange ignoriert wurde. Das Gesundheitsministerium hat nach unseren Recherchen keine eigenen Untersuchungen in Auftrag gegeben. Stattdessen ruft die Behörde jetzt im Internet „Jedermann“ dazu auf, Erfahrungen mit recycelten Einmalinstrumenten zu schildern.

Ein Armutszeugnis – angesichts solcher Befunde aus unseren Gutachten. In Österreich wundert sich Herzchirurg Prof. Unger über die deutschen Behörden und darüber, was dem Patienten im Nachbarland zugemutet wird.

Prof. Felix Unger, Herzchirurgie Salzburg, Österreich
„Wäre ich Patient und würde ich von der Krankenhausverwaltung gefragt werden, ob bei mir wiederaufbereitete Geräte verwendet werden können, da würde ich schlicht fluchtartig das Spital verlassen.“

Hm. Man wird ja nicht gefragt.