Symbolbild: Taschendiebstahl auf einer Treppe, Quelle: rbb

Wie Banden aus Rumänien europaweit auf Raubzug gehen - Die Mafia der Taschendiebe

Es ist organisierte Kriminalität: Erstmals wurde in Berlin jetzt zwei Männern und einer Frau wegen bandenmäßigen Taschendiebstahls der Prozess gemacht. Die Täter stammen aus Rumänien und legten Geständnisse ab.  Sie stammen alle aus der rumänischen Stadt Iasi, der so genannten "Schule der Taschendiebe". Vor allem Kinder und Jugendliche werden dort für das kriminelle Geschäft rekrutiert.

Anmoderation: Es geht blitzschnell - und schon ist das Portemonnaie oder das neue Handy weg. Guten Abend meine Damen und Herren, herzlich willkommen.

Gut 168000 Fälle von Taschendiebstahl wurden im vergangenen Jahr in Deutschland angezeigt, aber aufgeklärt werden die wenigsten. Taschendiebstahl gilt oft immer noch als Bagatelldelikt, was ein fataler Irrtum ist.

Vor einigen Wochen wurden in Berlin drei Mitglieder einer europaweit agierenden Bande von Taschendieben zu teils mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Das Ermittlungsverfahren ist ein Novum, denn hier wurde schnell klar, die Täter zählen keineswegs zu den Armen und Verzweifelten. Adrian Bartocha und Olaf Sundermeyer haben die Hintergründe dieser Bande recherchiert. Es sind international kooperierende Profis.

Berlin Tegel
Eine Maschine aus Rumänien. An Bord der Kopf einer europaweit agierenden Bande von Taschendieben. In der Zelle am Berliner Flughafen schon eingekratzt: Der Name seiner Heimatstadt Iasi, im Osten Rumäniens.

Berlin Charlottenburg, Stuttgarter Platz
Hier begann vor drei Jahren die größte Ermittlung gegen organisierten Taschendiebstahl in Europa. Bis heute noch ist diese Gegend: Basis vieler Taschendiebe aus Südosteuropa.

O-Ton Sven Lichtenberg, Ermittler
"Guck mal, hier laufen auch zwei, da ist er wieder, alle beide, sehr geil. Hotel City-Blick - auch stark frequentiert durch die Jungs. Da kommen auch grad noch zwei mit der Mütze, mit dem Schal. Der mit der Mütze dürfte auch bekannt sein, ja."

Sven Lichtenberg gehört einer Sondereinheit der Bundespolizei an - spezialisiert auf Taschendiebstahl.

O-Ton Sven Lichtenberg, Ermittler
"Jo, Janny, biste in Charlottenburg? Gut, Hotel Adam sind grad zwei von den (…) rausgekommen. Ich steh jetzt hier auf dem Parkplatz, sind aber noch nicht an mir vorbei. Beide mit Jeansklamotten. Also wir halten auch voll gerade druff und schauen wir mal."

O-Ton Sven Lichtenberg, Ermittler
"Ganz klar, sind mehr Taschendiebe da. Mehr Gruppen von Taschendieben aus Südosteuropa. Früher, vor einigen Jahren, hatten wir mehr die Einzeltäter, die alleine unterwegs waren, beziehungsweise mit ein, zwei Leuten unterwegs waren, in ihre eigene Tasche gearbeitet haben, dann auch wirklich nur ein, zwei Tage in Berlin waren. In den letzten Jahren ist wirklich zu beobachten, dass massiv Gruppen nach Berlin kommen, hier dann wirklich über längere Zeit Taschendiebstahl begehen im großen Stil."

Die Zahl der Taschendiebstähle hat sich in Berlin innerhalb von sechs Jahren mehr als
verdreifacht. Allein im vergangenen Jahr wurden über 40000 Taschendiebstähle
angezeigt.

O-Ton Sven Lichtenberg, Ermittler
"Aber die Zahl wird weitaus höher sein. Wir haben, mit verdeckten Maßnahmen konnten wir feststellen, dass wir zum Teil eine Dunkelziffer von eins zu zehn hatten zu Schlagzeiten, ja."

Die Aufklärungsquote beträgt gerade mal vier Prozent. Nur ein Bruchteil aller Diebstähle wird überhaupt der Polizei gemeldet. Vor allem auf Rolltreppen der S- und U-Bahnen schlagen die Diebe zu. Im Sommer 2013 hatten die Kollegen von Sven Lichtenberg erstmals einen Verdacht. Hinter dem drastischen Anstieg der Diebstähle könnte eine Organisation stecken. 

Die Zahl der Festnahmen häuft sich. Die meisten Diebe sind sehr jung und kommen fast alle aus derselben Stadt in Rumänien: Iasi.

O-Ton Sven Lichtenberg, Ermittler
"Die werden in Iasi als Taschendiebe ausgebildet von klein auf. Fangen teilweise mit acht, neun, zehn Jahren an, gehen dann drei, vier Jahre mit den Erwachsenen Taschendieben, mit den guten Taschendieben unterwegs, damit sie ihnen zeigen, wie es geht. Und wenn sie so weit sind, gehen sie auf die Europatournee. Da werden sie europaweit verschickt, mit Autos, mit Taxen, mit Bussen, die täglich fahren."

Iasi, Rumänien
Hier kommen sie her: Die Stadt Iasi, 20 km vor der Grenze Moldawiens. 300000 Menschen leben hier, am südöstlichen Ende der EU. Die Stadt gilt als eine der Schulen für Taschendiebe. Der örtlichen Polizei ist das Problem gut bekannt.

O-Ton Polizistin in Straßenbahn
"Guten Tag, das ist eine Aufklärungskampagne über Taschendiebstahl. Passen Sie bitte auf ihre Gegenstände auf. Ihre Mobiltelefone, das Geld, die Portemonnaies."

Wenn es um Taschendiebstahl in Iasi geht, hat die Polizei vor allem die Roma der
Stadt im Blick.

Elena Motas ist selbst eine Roma. Im Auftrag der Regierung kümmert sie sich um die Belange der übrigen Roma im Landkreis.

O-Ton Elena Motas, Roma-Beauftragte
"Ich denke, die meisten der Roma hier, die große Mehrheit, lebt entweder von der Bettelei oder vom Diebstahl und anderen Straftaten. Leider ist der Weggang in den Westen zum Stehlen ein Teil ihrer Normalität. Aber das vor dem Hintergrund, dass es für sie keine Alternative dazu - hier in Rumänien gibt."

O-Ton Roma in Iasi
"Und es wird weiter gestohlen, bis sie uns helfen."
"Und was, wenn ich Zigeunerin bin? Und was, wenn wir Zigeuner sind? Alle sagen: Iiiih, Zigeuner! Schau, die Zigeuner!"
"Ich war in vielen Ländern unterwegs, und ich war auch in Deutschland, wo ich gestohlen habe. Ja, ich war in Deutschland und habe dort gestohlen."
"Wenn man uns einen normalen Arbeitsplatz anbieten würde, würden wir Zigeuner nicht mehr stehlen. Dann würden wir nicht mehr stehlen, aber wir haben halt keine Arbeit."

O-Ton Elena Motas, Roma-Beauftragte
"Die Roma stehlen nur, sagen hier die Rumänen: Roma sind alle Diebe und darum werden wir, alle Rumänen, ebenfalls als Kriminelle betrachtet. Und deswegen gibt es einen weit verbreiteten Hass auf Roma in der rumänischen Gesellschaft, weil man ihnen allein die Schuld am schlechten Image Rumäniens zuschreibt."

In Iasi erzählt ein junger Taschendieb seine Geschichte. Auch er ist Roma.

O-Ton Junger Taschendieb
"Ich bin ins Ausland gegangen, nach Frankreich. Dort traf ich ein paar Jungs, die schon da waren. Wir kannten uns von früher. Auch sie waren Zigeuner. Sie waren professionelle Taschendiebe; die wussten alles und wiesen mich ein. Und ich sagte ihnen: Ihr wisst doch, ich bin mutig. Aber an die Taschen selber haben sie mich nicht vom Anfang an rangelassen, erst viel später. Zuerst war ich tiră - das ist derjenige, der den Dieb abschirmt. Tiră nennen wir das."

O-Ton Junger Taschendieb
"In Paris wohnten wir in einem Romacamp. Wir hatten ein festes Tagesprogramm. Gegen fünf ging es los. Wenn wir in zwei Stunden so viel Geld gemacht hatten wie beabsichtigt -wir waren eine Dreiergruppe, also etwa 200 bis 300 Euro pro Kopf musste es schon sein -dann zogen wir an dem Tag nicht noch einmal los."

Auch hier in Paris schlugen die Diebe am liebsten auf Rolltreppen zu, mit dem gleichen Trick wie in Berlin.

O-Ton Junger Taschendieb
"Am besten lief es auf den Rolltreppen. Meine zwei Kumpels stahlen. Und ich war noch nicht reif für die Taschen; ich musste die Rolltreppe anhalten, auf den Knopf drücken und sie zu stoppen. Das verwirrte die Leute. Und genau in diesem Moment bestahl einer der beiden das Opfer. Bis zum Anhalten der Rolltreppe stand er dicht dahinter und dann, zack, hielt ich die Treppe an und die Person wurde abgefrühstückt."

O-Ton Junger Taschendieb
"Louvre, Triumphbogen, Eiffelturm, Das waren die U-Bahn-Stationen, wo man richtig Geld machen konnte. In der Haltestelle vom Louvre konnte man das meiste Geld machen, da waren die Chinesen."

Touristen aus Asien reisen oft mit viel Bargeld durch Europa. Im Sommer 2013 muss der Louvre schließen. Das Wachpersonal streikt - wegen der vielen Taschendiebe. Aus dem gleichen Grund schließt später auch der Eiffelturm.

O-Ton Junger Taschendieb
"In Paris machte man ganz einfach kein Geld mehr. Im Louvre wurden überall Plakate an den Wänden angebracht: 'Achtung Taschendiebe!'. Man konnte ganz einfach kein Geld mehr machen. Deshalb wurden wir (?) weiter in das nächste Land geschickt."

Weiter, weiter nach Deutschland.

Nordrhein-Westfalen
Doch dieses Revier ist schon besetzt: Von Taschendieben aus Nordafrika.

O-Ton Junger Taschendieb
"Es waren schon andere da, diese Marokkaner oder so was. Sie sind sehr gute Diebe. Die Marokkaner sind krass. Mit denen hatten wir richtig Zoff. Es ging um das Recht auf eine bestimmte Haltestelle. Aber diese Haltestelle gehörte schon ihnen. Denn als Taschendieb gehört dir immer ein ganz bestimmtes Revier. In Düsseldorf hatten wir deshalb eine Schlägerei mit diesen Arabern, diesen Marokkanern. Die haben uns angegriffen. Wir hatten keine Chancen. Ssie waren älter als wir und auch viel mehr. Ein Marokkaner hat mir einen Faustschlag verpasst und mein oberer Schneidezahn ist seit damals eingedrückt."

Berlin
Also zogen die Diebe aus dem rumänischen Iasi weiter - per Bus nach Berlin. Revierkämpfe in Nordrhein-Westfalen. Das war einer der Gründe, warum es die Polizei in Berlin mit den Dieben aus Iasi zu tun bekam.

O-Ton Sven Lichtenberg, Ermittler
"Wir haben das Phänomen deutschlandweit, dass halt auch Nordafrikaner langsam über den Westen einsickern. Quasi haben sie sich hier in den westlichen Teilen breitgemacht im Bereich St. Augustin, Köln, Dortmund, Düsseldorf. Und verdrängen natürlich die Südosteuropäer in die östliche Bereiche."

In der deutschen Hauptstadt fühlten sich die Taschendiebe lange unbehelligt. Und präsentierten sich ihren Freunden auf Facebook: als "Arbeitsbrigade" - im Einsatz in Berlin.

Doch da hatte die Bundespolizei sie schon im Visier. Markus Haustein leitet die Ermittlungen. EUROPOL wird eingeschaltet. Telefone werden abgehört. Sieben europäische Länder beteiligen sich. Die Ermittlung bekommt den Namen "Scara Rulanta", rumänisch für "Rolltreppe".

Das Verfahren ist bis jetzt das größte, das je gegen organisierte Taschendiebe in Europa geführt wurde. Viele der Diebe sind miteinander verwandt. Ihre Spuren führten über den halben Kontinent. Und nach und nach wird klar: Sie sind nur die unterste Stufe einer Pyramide.

O-Ton Markus Haustein, Bundespolizei
"Es gibt Organisationsstrukturen dahingehend, dass Unterkünfte besorgt werden, es gibt Organisationsstrukturen dahingehend, dass es bestimmte Örtlichkeiten, dass bestimmte Örtlichkeiten aufgesucht werden sollen, ja. Ja genau, es gab verschiedene Ansagen von möglichen Organisatoren, bestimmte Summen zu entwenden und erst danach Feierabend zu machen. Und anschließend die Gelder an Mittelsmänner zu übergeben, die dann wiederum die Geldbeträge ins Ausland transferierten."

O-Ton Sven Lichtenberg, Ermittler
"Hier rechts ist Western Union. Hier wird das Geld einbezahlt und dann anschließend nach Rumänien transferiert."

Western Union: Auch Kriminelle nutzen den Finanzdienstleister. Gegen eine Gebühr kann hier jedermann Bargeld verschicken – weltweit. So taten es auch die Mittelsmänner. Sie kontrollierten die Taschendiebe, sammelten das Geld ein und schickten es an die Chefs.

Iasi, Rumänien
Oft waren es mehrere Tausend Euro an einem Tag, die hierher flossen: In diese Roma-Siedlung am Stadtrand von Iasi. Sieben Großfamilien leben hier - etwa 1000 Menschen.

O-Ton Elena Motas, Roma-Beauftragte
"In dem ganzen Viertel gibt es nur eine Person, die einen Job hat und einen einzigen regulären Rentenempfänger."

O-Ton Elena Motas, Roma-Beauftragte
"Das Erfolgsmodell in diesem Viertel ist der schlaue Emporkömmling: der kann für das Einkommen der gesamten Familie aufkommen, der fährt ein möglichst tolles und teures Auto, der besitzt ein modern hergerichtetes Haus. Aber so etwas kann man natürlich nicht mit einem bescheidenen Lohn finanzieren. Und so kommt es, dass derjenige, der ins Ausland geht und nach möglichst kurzer Zeit mit Geld zurückkehrt, zu einem der Chefs der Community aufsteigt."

Wer so aufsteigen will, der benutzt dafür auch Kinder.

O-Ton Elena Motas, Roma-Beauftragte
"In der Kultur dieser Gruppe hier ist die Verantwortung der Kinder für ihre Eltern zentral. Es ist die Pflicht der Kinder, für ihre Eltern zu sorgen. Das ist auch eine Erklärung dafür, dass die Kinder stehlen. Die Kinder handeln in dem Bewusstsein, für die Eltern zu sorgen. De facto bedeutet es natürlich eine Ausbeutung der Kinder durch die Eltern. Die Eltern sind sich durchaus dessen bewusst, wozu sie die Kinder anhalten und sind darum die moralischen 'Autoren' des Diebstahls. Es ist, wenn Sie so wollen, auch eine Art emotionale Erpressung durch die Eltern."

Die Polizei in Iasi sieht in dieser Roma-Siedlung einfach nur eine Brutstätte des
organisierten Verbrechens. Entsprechend martialisch tritt sie hier auf. Die Staatsanwaltschaft kämpft seit Jahren gegen diese kriminellen Großfamilien. Vasile Chifan wurde wegen seiner Ermittlungen gegen die Familien-Clans schon mit dem Tode bedroht.

O-Ton Vasile Chifan, Staatsanwalt
"Es ist keine subjektive Wahrnehmung wenn Sie sagen, dass es sich in dieser Roma-Siedlung um eine Zone der Rekrutierung handelt. Tatsächlich werden dort die minderjährigen Jungs und Mädchen rekrutiert, entweder um zum Stehlen oder zur Prostitution ins Ausland gebracht zu werden. Es ist eine Zone, wo die Chefs ihre Opfer hernehmen. Alle handeln dort nach ihren eigenen Regeln. Und spazieren dann durch ganz Europa. Für sie ist Europa ein Land."

Madrid
Die Diebe sind ständig unterwegs. Von einer europäischen Metropole in die nächste. Auch sie kommt aus der Romasiedlung in Iasi. Gesucht mit internationalem Haftbefehl, verhaftet in Spaniens Hauptstadt: Mutter und eines der sieben führenden Bandenmitglieder in dem Verfahren "Scara Rulanta". Die Bundespolizei holt sie im Februar ab.

Berliner Kriminalgericht
Hier wird der Bande der Prozess gemacht. Zum ersten Mal überhaupt in Europa wird Taschendiebstahl als organisierte Kriminalität verfolgt. Es ist ein Präzedenzfall.

O-Ton Dirk Eckert, Staatsanwaltschaft Berlin
"Die Bande besteht aus den Eltern und den Kindern. Natürlich spielt es eine Rolle, dass Eltern ihre eigenen Kinder hierher geschickt haben nach Deutschland, und letztlich diese Familien davon leben, das wie eine Art Firma betreiben und die Kinder letztlich nichts anderes lernen, als Taschendiebstahl zu begehen. Und das war einer der Gründe, weshalb wir gesagt haben: Wir wollen versuchen, erstmals nicht nur die Taschendiebe einer Verurteilung zuzuführen, sondern an die Hintermänner heranzukommen. Hier an die eigenen Eltern."

Iasi, Rumänien
Hier in Iasi hat niemand damit gerechnet, dass man sie bis hierher verfolgt. Dennoch - auf den Besuch eines Kamerateams hat sich die Familie des in Deutschland verhafteten Bandenchefs anscheinend vorbereitet.

O-Ton Familienangehörige
"Schaut, was wir haben."
"Wir haben gar nichts, wir sind bettelarm!"
"Wir haben gar nichts."
"Schaut – hier ist die Mafia!"

O-Ton Georghe Constantin
"Wenn sie tatsächlich Straftäter wären, wenn sie Diebe wären, würden sie besser leben, dann hätten sie Autos und Häuser, es würde ihnen an nichts fehlen. Doch sie haben gar nichts, nicht einmal zum Essen reicht es, und wir verstehen nicht, warum sie nach Deutschland gebracht wurden und jetzt dort in Haft sind. Wir bitten Sie von ganzem Herzen: Helfen Sie uns, denn unsere Kinder haben nichts getan, keinerlei Straftat verübt."

Doch wo kommt dann das Geld für diese Häuser in der unmittelbaren Nachbarschaft her? Und: Im rumänischen Fernsehen hat die Familie, die eben noch ihre Armut präsentiert hatte, öffentlich einen Streit um eine ihrer Immobilien ausgetragen. Dieses Haus hat sie erst vor zwei Jahren erworben.

O-Ton Vasile Chifan, Staatsanwalt
"Wenn wir mit den Ermittlungen bei jenem aufhören, der Anrufe tätigt und sagt: 'Schickt das Geld, überweise das Geld', dann wird er dadurch der Wichtigste. Wenn wir aber weitergehen und verfolgen, wo das Geld wirklich hinkommt und warum das Geld ausgerechnet zu einer gewissen Person hinkommt und welche Rolle jene Person für die gesamte Struktur ist, dann werden wir die Überraschung erleben, dass jener, der das Geld bekommen hat, nur ein kleiner Fisch in diesem Spiel ist und dass jene, die alles verwalten, gar nicht in Erscheinung treten müssen. Und es ist wahrscheinlich, dass das Geld gerade einem weniger bedeutenden Mitglied der Organisation geschickt wird, um dem Wichtigsten die Anonymität zu sichern. Denn die wichtigsten Straftäter sind oft die unbekanntesten. Im Vordergrund stehen jene, die von der Polizei gefasst werden. Die wahren Bosse sind im Hintergrund, und niemand kennt sie. Die sind es, die wir kriegen müssen."

Manche dieser "wahren" Bosse aus Iasi sind offenbar seit Jahren "im Geschäft". Die Stadt geriet schon mehrmals in die Schlagzeilen in Deutschland. Immer wieder in Verbindung mit Kinderbanden. Das erste Mal vor 16 Jahren:

Archiv: Cathrin Böhme, Abendschau Berlin, 31.03.2000
"Verkauft, verschleppt, verurteilt, auf Diebestour zu gehen, ein gnadenloses Schicksal für Kinder aus Osteuropa, die von skrupellosen Banden, speziell aus Rumänien, auf diese Weise zum Verbrechen angestiftet und gedrillt wurden."

Unter den Angeklagten: der damals flüchtige Cosmos Tanase, heute einer der wichtigsten Gangsterbosse von Iasi.

Archiv: Rumänisches Fernsehen
"Der reichste und am meisten gesuchte Zigeuner-Prinz und regionale Gangsterboss Cosmos Tanase wurde jetzt wegen Kokain-Schmuggels verhaftet."

Cosmos Tanase: als Clanchef ist er verantwortlich für internationalen Drogen- und Menschenhandel. Zieht er auch die Fäden beim europaweiten Taschendiebstahl?

O-Ton Vasile Chifan, Staatsanwalt
"Würden Sie etwas aufgeben, was Ihnen etwas einbringt? Würden Sie etwas aufgeben, was Sie zu tun gelernt haben? Sie werden es nicht aufgeben. Sie tun im Leben das, was Sie zu tun gelernt haben."

Den in Rumänien gefassten Kopf der Bande aus Iasi verurteilte das Berliner Landgericht bereits zu drei Jahren und sechs Monaten Haft. Seine Ehefrau muss für zwei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Ihr gemeinsamer Sohn erhielt eine Bewährungsstrafe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

O-Ton Sven Lichtenberg, Ermittler
"Wie geht's weiter in Berlin? Naja, wir suchen uns ein neues Verfahren. Wir haben jetzt wieder eine Gruppe da. Selbe Ethnie, selbes Land - nur anders aufgestellt und das Verfahren ist im Anlaufen. Und vielleicht sprechen wir uns in zwei Jahren nochmal."

Film von Adrian Bartocha und Olaf Sundermeyer 

Abmoderation: Ja, es sind Roma, die hier in Berlin verurteilt wurden. Aber was heißt das? Die Richterin erklärte am Ende des Berliner Verfahrens: "Die Angeklagten fügten nicht nur den Opfern Schaden zu, sondern auch dem Ansehen Rumäniens und dem ihrer eigenen Volksgruppe, der Roma."

Das war Kontraste für heute. Die Sendung gibt es wie immer zum Nachschauen und Lesen unter www.kontraste.de, und auf Facebook können Sie über den Film diskutieren. Kommenden Dienstag begrüßen Sie die Kollegen von Report Mainz und hier folgen wie immer die Tagesthemen. Tschüß und Auf Wiedersehen.