Die Reichsbürger, Quelle: rbb

Außenseiter auf dem Vormarsch - Wie gefährlich sind die Reichsbürger?

Sie lehnen die Bundesrepublik Deutschland ab und wollen das Deutsche Reich in den alten Grenzen zurück. Die so genannten "Reichsbürger" bilden ein Sammelbecken für Verschwörungstheoretiker, antisemitische Hetzer und völkische Ideologen. Staatsangehöriger kann bei ihnen nur werden, wer die richtige "Blutabstammung" hat. Kontraste deckt auf, dass sich die Reichsbürgerszene zunehmend radikalisiert. Bei Razzien werden immer häufiger Waffen entdeckt. Bürgermeister, Richter und Gerichtsvollzieher werden mittlerweile offen bedroht.

Anmoderation: Auf den Gedanken, dass wir NICHT in der Bundesrepublik Deutschland leben - auf den muss man erstmal kommen! Aber - Anhänger der sogenannten Reichsbürgerbewegung sind davon überzeugt, dass das Deutsche Reich immer noch existiert. Darum drucken sich viele ihre eigenen Pässe und zahlen keine Steuern. Klingt nach Spinnern, nach Wichtigtuern oder Verschwörungstheoretikern. Doch als wir recherchierten, stellten wir fest: als harmloses Randphänomen kann man die sogenannten Reichsbürger längst nicht mehr abtun.

Wir sind im westfälischen Warburg - in der Bundesrepublik Deutschland - dachten wir jedenfalls. Doch dieser Bürger sieht das ganz anders:

O-Ton Wolfgang Hartweg
"Die BRD ist ein Verwaltungskonstrukt, der von den Alliierten eingesetzt ist, zur Verwaltung des Deutschen Reiches. Und mehr haben wir nicht. Das ist kein Staat."

Frage Kontraste
"Aber wo befinde ich mich gerade im Moment, wenn ich hier gerade vor Ihnen stehe?"

Wolfgang Hartweg
"In Preußen"

Frage Kontraste
"Was?"

Wolfgang Hartweg
"Sie stehen im Freistaat Preußen."

Frage Kontraste
"Nein, ich stehe hier in der Bundesrepublik Deutschland?!"

Wolfgang Hartweg:
"Nein, das meinen Sie."

Wolfgang Hartweg hat seinen Personalausweis abgegeben, stattdessen zeigt er uns den "Heimatschein" vom "Freistaat Preußen" - und dessen Gebiet ist viel größer als unsere Bundesrepublik.

O-Ton Wolfgang Hartweg
"Wir fordern die Grenzen des zweiten deutschen Reichs vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Das ist das Gebiet, was Deutschland ist und was Deutschland zusteht. Völkerrechtlich."

Frage Kontraste
"Das heißt, das würde aber Polen betreffen?"

Wolfgang Hartweg
"Ja, die polnischen Ostgebiete, Ostpreußen - was unter russischer Verwaltung steht - die Teile von Frankreich, Elsass, Lothringen. Das alles."

Er gehört zur sogenannten Reichsbürgerszene. Die einen errichten eigene Königreiche, andere ernennen sich zum Reichskanzler und vergeben Fantasieausweise. Sie wollen die Bundesrepublik abschaffen und bezeichnen sie als BRD GmbH, eine Firma, die sie bekämpfen.

Doch ist das alles nur harmlose Spinnerei? Keineswegs wie dieses Video zeigt: Ein Reichsbürger bedroht eine Polizeieinheit und filmt das Ganze.

Video:
"Das ist nicht mein Name. Können Sie das begründen, dass das mein Name ist? Haben Sie einen Staatsvertrag? Ich werde jeden Einzelnen aufspüren, finden und dann werden wir uns wieder sprechen."

Eine Gruppierung mit großem Zulauf ist der "Freistaat Preußen" mit bundesweiten Aktivitäten: Auf ihrer Internetseite verharmlosen sie das Dritte Reich: "Von einer Nazidiktatur kann daher wohl kaum die Rede sein."

Wir sind in Brandenburg unterwegs, hier soll der "Freistaat Preußen" besonders aktiv sein. Zwei seiner so genannten "Regierungsmitglieder" führen diesen Militaria-Laden.

Verdeckte Aufnahmen: man kann hier T-Shirts und Flaggen vom Freistaat kaufen. Reichsbürger Lutz Prast zeigt uns auch sein Waffensortiment - von Messern, Totschlägern bis zur Schreckschusspistole.

Er will uns gleich für seine Sache anwerben. Die Ausländer, meint er, würden das Land bald übernehmen, uns Deutsche dann austauschen. Es gebe einen Plan - und zwar von reichen jüdischen Familien, die die Welt beherrschten.

Gedächtnisprotokoll Lutz Prast
"Wir wissen, dass die Merkel immer so dasteht - und wir wissen, dass die Merkel Jüdin ist und Freimaurerin. Und es gibt ein Bild, wo Adolf Hitler auch so dasteht. Der wurde von Anfang an von jüdischen Banken unterstützt."

Die Juden hätten den Holocaust nur inszeniert. Die sechs Millionen Toten zweifelt er an.

Er lädt uns zu einem Stammtisch vom "Freistaat Preußen" ein, den die Inhaberin des Ladens veranstaltet.

Wir finden heraus: Ihr Militaria-Laden wurde als Existenzgründung vom Land Brandenburg gefördert. Die Reichsbürgerin Anke Knappick ist sogar Werbefigur auf offiziellen Plakaten - ihr Laden ein Vorzeigeprojekt der Landesregierung.

Kontraste hat das Arbeitsministerium damit konfrontiert. Dort heißt es, man habe von der Gesinnung nichts gewusst. Erstaunlich, denn eine Prüfung wäre möglich gewesen. Und bis heute hält ein Projektleiter Kontakt zur Inhaberin. Reichsbürger, gefördert von dem Staat, den sie abschaffen wollen.

Was bislang nicht bekannt war: Viele Reichsbürger besitzen Schusswaffen.

Im Raum Höxter fand im letzten Jahr eine Razzia bei Anhängern vom "Freistaat Preußen" statt. Sie wollten Waffen im Ausland besorgen, um eine eigene Polizeitruppe aufzubauen. Die Aktion flog auf.

Der Reichsbürger Ingo K. fuhr bereits mit scharfen Waffen im Auto durch die Gegend – Zollfahnder erwischten ihn nur zufällig.

Video Ingo K.
"Am 25. Juli, das sag ich Euch, mach ich diese BRD platt. Ich hau sie runter, das ist vorbei."

Der Verfassungsschutz in Brandenburg hat das Reichsbürgermillieu seit längerem im Blick, weil ihre Akteure die demokratische Grundordnung bekämpfen. Die Szene radikalisiere sich zunehmend, so Experte Michael Hüllen.

O-Ton Michael Hüllen, Verfassungsschutz Brandenburg
"Wir beobachten mit großer Sorge, dass im Reichsbürgermilieu Waffen eine große Rolle spielen. In der Vergangenheit hat die Polizei bei verschiedenen Hausdurchsuchungen Waffenfunde gemacht, auch große Mengen an Munition gefunden. Und es ist nicht auszuschließen, dass Reichsbürger Waffen einsetzen, um die Gesellschaft in die Richtung zu drängen, die sie sozusagen aus ihren Theorien ableiten."

Wie aggressiv die Reichsbürger auftreten, das spüren immer mehr Mitarbeiter von Stadtverwaltungen wie hier in Schönebeck, Sachsen-Anhalt. Oberbürgermeister Bert Knoblauch erzählt uns, dass Reichsbürger sich weigern, Steuern und Bußgelder an die sogenannte BRD-Firma zu zahlen. Schon bei banalen Strafzetteln traktieren sie die Verwaltung mit seitenlangen Pamphleten und bedrohen Mitarbeiter.

O-Ton Bert Knoblauch, Oberbürgermeister Schönebeck
"Die Mitarbeiter hier in meiner Stadt sehen sich tagtäglichen Anfeindungen, in zunehmender Zahl, durch die Reichsbürger ausgesetzt. Das führt sogar soweit, dass ihnen mit dem Tode gedroht wird, aufhängen hier an einem Wahrzeichen in Schönebeck. Bis hin zu Beleidigungen, körperlichen Auseinandersetzungen."

In Sachsen-Anhalt gibt es bislang wenig fachliche Beratung für betroffene Kommunen. Der Oberbürgermeister ist mittlerweile ratlos, wie er seine Mitarbeiter schützen soll.

O-Ton Bert Knoblauch, Oberbürgermeister Schönebeck
"Dabei fehlt mir aber tatsächlich auch die Unterstützung des Landes, hier geordnete Strategien fahren zu können. Handlungsanweisungen, möglicherweise, wie vorgegangen wird. Wir fühlen uns alleine gelassen, weil die Polizeipräsenz nicht mehr so gegeben ist, wie sie notwendig wäre."

Viele Reichsbürger filmen ihre Übergriffe und stellen sie ins Internet, um ihre Macht zu beweisen.

Selbst Gerichte werden als Instanz abgelehnt. In Bayern stürmten Reichsbürger einen Prozess und entwendeten die Akte vom Richtertisch.

Auch Richter Bruns wurde von so einer Situation überrascht - bei einem einfachen Verkehrsdelikt. Der Reichsbürger weigert sich Platz zu nehmen, immer wieder tritt er respektlos an den Richtertisch. Von hinten pöbeln rund 15 Unterstützer, einer von ihnen filmt.

Video
"Sind Sie nach Grundgesetz Artikel 101 gesetzlicher Richter? Oh, er hat Angst!" Richter Bruns versucht die Wachtmeister zu rufen, aber es ist keiner erreichbar. "Legitimieren Sie sich doch. Haben Sie einen Amtsausweis?"

O-Ton Eike Bruns, Richter Amtsgericht Schönebeck
"Ich beobachte jedenfalls in meiner Praxis auch, das in letzter Zeit die Aggressivität des Auftretens zunimmt. Sie können ja nicht bei einem solche kleinem Gericht - wie zum Beispiel dem unseren - permanent 25 Wachtmeister vorhalten oder eine Einsatzhundertschaft der Polizei. Und dann haben sie eben das Problem, sie werden überrannt."

Alarmierend ist, dass sich die Reichsbürgerszene immer mehr vernetzt und rechtsextremes Gedankengut verbreitet.

Ein Hauptakteur ist die "Exilregierung Deutsches Reich" - schon auf ihrer Internetseite wird fremdenfeindlich gehetzt: Asylheime werden als "Invasorenunterkünfte" betitelt. Und an anderer Stelle heißt es: die rassische Mischung und genetische Kreuzung bedrohe deutsche Tugenden.

Er nennt sich Chef des Reichskanzleramts dieser Exilregierung: Alexander Schlowak, im wirklichen Leben Finanzberater.

Wir nehmen Kontakt zu Schlowak auf und geben uns als Gleichgesinnte aus. Er lädt uns zu einem Beratungsgespräch ein, wie man sein Geld vor der BRD in Sicherheit bringen kann. Gleich zu Beginn erklärt er uns, dass er die Grenzen vom Deutschen Kaiserreich wieder will. In der Bundesrepublik seien wir alle rechtlose Sklaven.

Gedächtnisprotokoll Alexander Schlowak, "Exilregierung Deutsches Reich"
"Die BRD ist nichts anderes als ein riesengroßes KZ mit Lagernummern, denn die Postleitzahlen sind amerikanische Lagercodes."

Auch er spricht von mächtigen jüdischen Familien, die Kontrolle über die Menschheit erlangen wollten. Aber die Reichsbürgerbewegung bekomme immer mehr Zulauf. Allein die Exilregierung habe Anhänger im sechsstelligen Bereich, behauptet er.

Gedächtnisprotokoll Alexander Schlowak, "Exilregierung Deutsches Reich"
„Wir haben zum Beispiel auch viele Polizisten und Feuerwehrleute unter uns. Wenn das Deutsche Reich wiederhergestellt ist, braucht man dann ja auch Polizisten."

Er verrät, welche Strategie sie angeblich verfolgen.

Gedächtnisprotokoll Alexander Schlowak, "Exilregierung Deutsches Reich"
"Das ist doch das Beste, was man machen kann, die BRD zu unterlaufen. Wir haben auch zur AfD einen sehr guten Kontakt, weil die ähnlich ticken und die versuchen auch, das System auszuhöhlen."

Am Schluss kommt er zum Geschäft. Er rät uns, unser Geld nur in Gold und Silbermünzen anzulegen. Der Vertrag würde über ihn laufen - und eine Firma, mit der die Exilregierung eng verbunden sei.

Die Reichsbürgerszene - viel zu lange verkannt, ein gefährliches Netzwerk von Rechtsextremisten und Holocaustleugnern.