Russisches Haus der Wissenschaft und Kultur in Berlin-Mitte (Bild: IMAGO / Nikito)
IMAGO / Nikito
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Das "Russische Haus" - Kulturzentrum oder Propagandastützpunkt?

Seit DDR-Zeiten ist das "Russische Haus" als Kulturinstitution in Berlins Mitte etabliert. Bis zu Beginn des russischen Angriffskrieges pflegte man in der deutschen Politik engen Kontakt zu diesem Haus – von der AfD bis zur Linkspartei. Doch dient das Kulturzentrum womöglich als verdecktes Instrument zur Verbreitung der politischen Botschaften des Kreml? Und warum darf es dann schalten und walten, wie es möchte? Denn während die Bundesregierung sogar Generalkonsulate geschlossen hat, bleibt das "Russische Haus" geöffnet. Dabei steht die staatliche Organisation, die das "Russische Haus" betreibt, auf einer Sanktionsliste der EU.

Anmoderation: Es ist nichts neues, und gerade das macht es so verheerend. Der Krieg in der Ukraine dauert an, seit fast 16 Monaten - allen Machtworten, allen Protesten, allen Sanktionen gegen Russland zum Trotz. Aber möglicherweise eben auch, weil die nur sehr halbherzig erhoben werden. Und weil man die, die hier in Putins Auftrag Stimmung für den Krieg machen, erstmal einfach machen lässt. Ein Beispiel aus der Mitte der Hauptstadt.

Das Russische Haus: ein Kulturzentrum – oder ein Propagandastützpunkt in Berlins Mitte? Hunderttausende sollen hier pro Jahr Veranstaltungen besucht haben – vor Beginn des russischen Angriffskrieges.

Geöffnet hat das Russische Haus noch immer. Im eigenen Kino etwa führte es 2022 einen Film über den Holocaust vor. Zentrale Botschaft: Die Gräueltaten der Nationalsozialisten wiederholen sich – in der Ukraine und in Europa:

"Es gibt Menschen, die den Faschismus wiederbeleben. All das, was jetzt in der Ukraine und in Europa passiert, ist erschreckend."

Die heutige Ukraine und das heutige Europa: gleichgesetzt mit dem Nationalsozialismus. Der Vorsitzende des Osteuropa-Zentrums Berlin, Dmitri Stratievski, hält das Russische Haus für ein Werkzeug zur Einflussnahme.

Dmitri Stratievski Dmitri Stratievski, Politikwissenschaftler

"In meinen Augen geht es nicht um die Vermittlung der russischen Kultur an sich, sondern um Vermittlung von bestimmten politischen und geopolitischen Narrativen, die einfach unter dem Deckmantel der Kultur laufen."

Formal gehört das Russische Haus zu Rossotrudnitschestwo: einer staatlichen Agentur mit Vertretungen in 80 Ländern. In Werbevideos stellt sie eine kulturelle und humanitäre Mission in den Mittelpunkt.

Expert:innen halten die "Kulturzentren" hingegen für ein Machtinstrument Wladimir Putins – mit dem Ziel, die Weltsicht des Kreml zu verbreiten.

Es gelingt uns, mit Tatjana Poloskowa zu sprechen, die in Russland lebt. Sie stand viele Jahre lang im Dienst der Agentur. Heute warnt sie vor dem Einfluss des Sicherheitsapparates.

Tatjana Poloskowa, arbeitete für Rossotrudnitschestwo

"Wenn es bei uns im Land in allen Behörden diese Geheimdienstlobby gibt – warum sollte Rossotrudnitschestwo dann eine Ausnahme sein? […] Vor zehn oder sogar vor fünf Jahren konnte man noch sagen: Mischt euch nicht ein, kümmert euch um eure eigenen Angelegenheiten! Das geht jetzt nicht mehr."

2013 ermittelte das FBI gegen den damaligen Leiter des russischen "Kulturzentrums" in Washington D.C. Der Verdacht: Er könnte heimlich Agenten rekrutieren.

Auch seinen Nachfolger hielten US-Behörden offenbar für einen Spion.

Das Russische Haus knüpft Kontakte – zum Beispiel zu ihr: Elena Kolbasnikova. Im November dankte Rossotrudnitschestwo ihr öffentlich für die Lieferung von Hilfsgütern in die von Russland besetzte Ostukraine.

Kolbasnikova und ihr Mann Max Schlund sind tonangebend bei prorussischen Protesten. Sie organisieren Demos wie diesen Autokorso vor einem Jahr in Köln.

Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters soll das Russische Haus Kolbasnikova und Schlund Tickets bezahlt haben, um das Paar nach Moskau einzufliegen — zu einer Konferenz im vergangenen Dezember, auf der auch Wladimir Putin auftrat. Die russische Journalistin Maria Tsvetkova war an dieser Recherche beteiligt.

Maria Tsvetkova Maria Tsvetkova, Journalistin "Reuters"

"Russland profitiert eindeutig von dem, was Kolbasnikova in Deutschland tut, weil es im Einklang mit der russischen Propaganda steht und die russische Position unterstützt."

Kontraste wurden Nachrichten aus einer Chatgruppe zugespielt. Am 6. Dezember nannte Kolbasnikova das Russische Haus ihren "Sponsor für den Kauf von Flugtickets". Sogar den Reiseverlauf hatte sie geteilt, alles war akribisch geplant. Dann kam das Paar angeblich zu spät und verpasste seinen Flug.

Russisches Geld für prorussische Propagandist:innen in Deutschland. Wir fragen Kolbasnikova nach den Flugtickets, die das Russische Haus finanziert haben soll.

Kontraste

"…weil wir natürlich darauf kommen, weil Reuters darüber berichtet hat und…"

Elena Kolbasnikova

"Ja, Reuters hat ganz viel berichtet. Glauben Sie an das, was in Zeitungen steht?"

Kontraste

"Aber das heißt, das Russische Haus hat diese Tickets nicht bezahlt und diese Tickets gab es auch nicht?"

Elena Kolbasnikova

"Fragen Sie besser Russisches Haus. Ich sage kein Wort mehr dazu. Punkt."

Auf Russisch wendet sich Kolbasnikova an ihren Mann, denkt wohl, wir verstünden sie nicht.

Elena Kolbasnikova

"Ihn interessiert das Russische Haus, wie es uns das Flugticket für die Reise nach Moskau bezahlt hat – damals, als wir nicht hinfliegen konnten."

Sie sagt also selbst: Das Russische Haus hat die Tickets bezahlt.

Elena Kolbasnikova und ihre Demos: Was nach zivilgesellschaftlichem Protest aussieht, könnte womöglich durch Russland gesteuert sein. Das Russische Haus will sich auf Anfrage nicht zu seiner Verbindung zu Kolbasnikova äußern.

Seit Anfang des Jahres ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft, ob der Betrieb des Zentrums gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstößt – Rossotrudnitschestwo steht auf der Sanktionsliste der EU. In anderen europäischen Ländern wird es für die Kulturzentren längst ungemütlich. Und in Deutschland?

Gegen das Russische Haus, teilt das Auswärtige Amt Kontraste mit, habe man keine weiteren Maßnahmen ergriffen.

Aus juristischen Gründen haben wir eine Passage über Pawel Iswolskij, den Leiter des Russischen Haus in Berlin, entfernt.

Beitrag von Andrea Becker, David Hoffmann und Daniel Laufer

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