Drückjagd, Petition und Bürgerantrag - Bürger streiten über Wildschweine in Kleinmachnow

Di 06.02.24 | 12:27 Uhr | Von Marie-Therese Harasim und Philipp Rother
  12
Archivbild: Eine Drueckjagt in Kleinmachnow im November 2023 werden Wildschweine geschossen. (Quelle: Pressestelle Kleinmachnow)
Bild: Pressestelle Kleinmachnow

Sie kommen immer wieder, und meist auch noch mit reichlich Nachwuchs: Wildschweine machen in Kleinmachnow immer wieder Ärger. Eine Drückjagd hat etwas Ruhe gebracht. Nun regt sich Widerstand dagegen. Von Marie-Therese Harasim und Philipp Rother

Die Gemeinde Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark) war im vergangenen Juli international in den Schlagzeilen. Etwa 30 Stunden lang wurde rund um den Ort nach einer Löwin gesucht, Hunderte Polizisten waren im Einsatz. Dann wurde Entwarnung gegeben. Das Tier sei höchstwahrscheinlich ein Wildschwein, hieß es.

Die Journalisten, Polizisten und Wildtierexperten zogen schnell wieder ab, das Wildschwein blieb. Und mit ihm viele seiner Artgenossen. Wie viele Wildschweine es in Kleinmachnow wirklich sind, sei nicht bekannt, sagte Gemeindesprecherin Martina Bellack auf Nachfrage: "Sie leben im Wald, sie können nicht gezählt werden."

Die Tiere folgen noch immer uralten Wildwechseln und stören sich nicht daran, dass dort nun Häuser stehen. Im Gegenteil: Sobald sie bei ihren nächtlichen kilometerweiten Wanderungen auf Nahrung stoßen, kommen sie immer wieder. Und Nahrung finden sie in Kleinmachnow jede Menge. Das beginnt auf den Maisfeldern der Region, geht weiter mit den Eicheln der Straßenbäume, mit Fallobst in den Gärten und mit einem reichen Angebot an Egerlingen und Larven in gut gewässerten Gärten und Komposthaufen.

Die Tiere dringen immer wieder in Gärten ein und plündern Mülltonnen - vor allem rund um den Stolper Weg. Die Siedlung zählt zu den am stärksten von den Wildschweinen heimgesuchten Orten in Kleinmachnow. Anwohner fordern nicht nur dort schon länger Maßnahmen gegen die Tiere. Auch Hunde wurden in der Dämmerung bereits angegriffen.

Drückjagd im November

"Es ist schon ein Problem, eine Plage", berichtete Bellack. Daher sei im November auch eine sogenannte Drückjagd durchgeführt worden. Jäger der Berliner Forsten und der Jagdgenossenschaft Kleinmachnow/Stahnsdorf hatten dabei nahe des Stolper Wegs 16 Wildschweine erlegt [kleinmachnow.de]. Bei einer solchen Jagd werden die Tiere gezielt in Richtung der zuvor aufgestellten Jäger getrieben. Beteiligt waren insgesamt 13 Treiber und 16 Jäger.

Danach sei es in Kleinmachnow "ruhiger geworden", so Bellack. Das sei auch der Sinn der Jagd gewesen. Einerseits sollte der Wildbestand reduziert werden, anderseits sollte den Tieren der Aufenthalt in diesem Waldstück nachhaltig vermiest werden. "Die merken sich das", so Bellack. Das Kleinmachnower Wohnviertel sei bisher ein "sicherer Ort" für die Wildschweine gewesen. Dagegen habe man vorgehen wollen.

Die Jagd sei nicht angekündigt worden, um keine Schaulustigen sowie Umweltschützer, die die Tiere vorher verscheuchen, anzulocken, hieß es im Nachgang. Eigentlich sollten auch weitere Drückjagden stattfinden. Nun regte sich aber Widerstand: Das Bündnis für Wildtierrespekt hat eine Petition gegen solche Drückjagden auf Wildschweine im Kleinmachnower Ortsgebiet ins Leben gerufen.

792 Unterstützer (Stand: 6.2.2024, 10:30 Uhr) haben sich in den vergangenen Tagen eingetragen. Es solle keine "Sondergenehmigung für Jagden in innerörtlichen Bereichen" geben, lautet eine Forderung. Stattdessen sollten "wirkungsvolle Vergrämungskonzepte" umgesetzt werden [campact.de].

Petition soll an Bürgermeister übergeben werden

Die Initiatorinnen und Initiatoren der Unterschriftensammlung waren am Freitag und Montag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Christine Herling, eine der Mitinitiatorinnen, kam aber bereits in den "Potsdamer Neuesten Nachrichten" [Bezahlinhalt] zu Wort: "Wir sind aber nicht grundsätzlich gegen die Jagd - nur gegen die Bewegungsjagd." Diese sei zu gefährlich für Anwohner, Haustiere und letztlich auch die Jäger. Die Jagd vom Hochsitz aus, die "Ansitzjagd", sei sicherer, denn da werde das Geschoss von der Erde gefangen, sagt sie. Es stimme aber, dass sie auch aufwändiger sei. Den Bürgern seien die Gefahren nicht klar, so Herling.

Wenn 800 Unterschriften zusammen gekommen sind, will das Bündnis gemeinsam mit Anwohnern diese an den Bürgermeister von Kleinmachnow und Stahnsdorf, Michael Grubert (SPD), die Jagdgenossenschaft Kleinmachnow und Stahnsdorf, die Leitung des Südwestkirchhofs Stahnsdorf sowie das Forstamt Grunewald übergeben.

Jagdpachtverträge laufen aus

Anlass für die Petition ist auch, dass die aktuellen Jagdpachtverträge auslaufen [kleinmachnow.de], zum 1. April sollen neue geschlossen werden. Die bejagbaren Flächen der Gemeinde werden für fünf Jahre an zwei Pächter verpachtet. Nur sie und von ihnen autorisierte Jäger dürfen auf den Flächen jagen. Es ist im Gespräch, dass auch Drückjagden in den neuen Verträgen zum Thema werden.

Die 20.000-Einwohner-Gemeinde wolle nun erst einmal die neuen Jagdpachtverträge schließen, erklärte Bellack. Erst danach werde das weitere Vorgehen besprochen. Parallel beraten die Gemeindevertreter laut Bellack über einen Bürgerantrag [gemeindekleinmachnow.de], der ein entschlossenes Vorgehen gegen die Wildschweine fordert. Darin wird der Bürgermeister aufgefordert, "erneut eine Ausnahmegenehmigung für den Abschuss von Schwarzwild" innerhalb des befriedeten (urbanen) Teils von Kleinmachnow zu beantragen. Zudem soll der Landtag um rechtliche Änderungen "zur effektiveren Reduzierung von Schwarzwild innerhalb von Ortschaften" gebeten werden.

Beitrag von Marie-Therese Harasim und Philipp Rother

12 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 12.

    Sie bringen da einiges durcheinander. Einen Förster gibt es in Kleinmachnow nicht, nur den Bauhof und die Jagdgenossenschaft. Wildverbiß wird von Rehen verursacht, nicht von Wildschweinen. Wildschweine sind sogar sehr wichtig für den Wald, denn sie graben ihn um und sorgen so dafür, daß der Boden durchlüftet wird, neue Bäume wachsen können und der Wald sich so verjüngt. Wildschweine sind im Wald keine Schädlinge, wie jemand hier behauptet, können aber auf Feldern natürlich große Schäden anrichten. Felder gibt es in Kleinmachnow aber keine, dafür große Waldbereiche. Weiterhin gibt es viele unnütze Rasenflächen der Anwohner, die von den Wildschweinen gerne mal neu gestaltet werden. Zäune würden hier viel helfen! Vom Friedhof lese ich im Artikel nichts, aber auch den Stahnsdorfer Südwestkirchhof würde ein stabiler Zaun gut schützen können. Da aus dem Umland immer neue Wildschweine nachrücken werden, ist das aktuelle Rumgeballer mitten im Ort nicht nur gefährlich sondern schlicht nutzlos.

  2. 11.

    Nun der Südwestkirchhof in Stahnsdorf ist einer der schönsten im Grossraum Berlin..als die gross Germania phantastereien in Berlin Mitte losgingen ließ Mann innerstädtische Friedhöfe räumen und ins Umland verlagern..kaum irgendwoanders ist solch eine fülle toller Gräber zu bestaunen. Ein Paradies für Fotografen...
    Im Bereich Kleinmachnow Zehlendorf Grunewald wuehlen Gruppen von bis zu 50 Tieren regelmäßig die Wälder um rennen im düsteren über die Strasse und stellen eine Gefahr dar. (Schaeferberg und avusbruecke oben b1)
    Der Abschuss des Bestandes ist seit langem über fällig. Lieber Wildschweinbraten als auf der Motorhaube. 8-))

  3. 10.

    Wenn's in Kleinmachnow irgendetwas nicht gibt , dann sind es feldfrüchte oder Landwirte. Bei uns in Kleinmachnow gibt es nur alteingesessene oder neureiche neu zugezogene Mitbürger, die es vermeiden, einen Zaun um ihr Grundstück zu ziehen, weil man ja schließlich am Wald wohnt. Der Nachteil ist, dass der Wald in den Garten kommt. Auch die Wildschweine . und der verbiss an den Bäumen in Kleinmachnow kann so groß nicht sein. Die Wildschweine finden immer etwas besseres als baumrinde. Sonst wären sie nicht bei uns im Kaff,
    Einfach mal vor Ort informieren. Umwelt und Menschen beobachten. Das hilft ;-)

  4. 8.

    Wildschweine sind genauso wie Ratten, Ungeziefer.

  5. 7.

    Bevor Sie dummes Zeug verbreiten, einmal mit einem Förster unterhalten, der gibt Auskunft über Wildverbiss an Bäumen, Landwirte haben erheblichen Schaden an den Feldfrüchten.
    Es wird nicht wild herumgeballert, die Forstbehörden geben Vorgaben an die Jagdpächter wieviel und welches Wild zu erlegen ist. Wird die Quote nicht erfüllt ist sogar eine Strafgebühr zu zahlen.
    Bin kein Jäger, aber informiert.

  6. 6.

    Mich interessiert, wie viele Unterstützer aus Kleinmachnow sind.

  7. 5.

    ihr Kommentar.Den hoffentlich viele lesen! zu ergänzen wäre,dass im Artikel dargestellt wurde „die Wildschweine kämen nicht in die Stadt „also wo wäre das Problem,außer Jagdhunger?

  8. 4.

    Was haben Friedhöfe dort zu suchen? Bzw. wann hat der Mensch endlich genug davon sich auszudehnen (er selbst als ;-)).
    Da ist es dann eben 'urban', so wie der Aley urban ist. Und immer wieder dieser Ballerdrang 437.000 Jagdscheine gibts, starker Wachstum in den letzten Jahren, die Jagdverbände, die Jagdwaffen( und Zubehör) industrie, die zugeneigeten Politiker(innen), wie in den USA. Mensch dehne er sich nicht aus, schütze seine Grundstücke mit tsbilen Zäunen, lasse nicht seinen Müll rumstehen, gehe mit dem Wissen ins Grüne, dass er auch eben nur ein Tier ist (welches eben ungezähmt ballern möchte). Es gibt ja bekannterweise andere Orte zum Ballern - ihr Helden

  9. 3.

    Wenn die Drückjagd Erfolg hat, dann ist es die richtige Maßnahme.

  10. 2.

    Frau Herling hat wohl Recht. Ich hätte es auch nicht gut gefunden, wenn ich ins wilde Geballer gekommen wäre. Jagdpächter, die 2 Tage an Löwen glauben, erkennen auch keine großen braunen Hunde...
    Ein Zaun um den Garten, hier leider völlig unüblich, ein geschlossener Kompost, kein Katzenfutter auf der Terrasse und die Hunde wie vorgeschrieben an die Leine im Wald, und gut is. Mich hat noch NIE ein Schweinderl bedroht hier! Ich bin fast täglich im Dunkeln unterwegs im Kaff. Ich weiß, wo die Wildschweine sind und kann eigentlich täglich jemanden (?) informieren über Anzahl und Ort. Aber nach 17 Uhr interessiert das keinen mehr, und vorher kommen sie nicht raus. Die Wildschweine flüchten wie die Wölfe. Aber den Dackel sollte man nicht hinterher schicken. Der letzte Keiler hat auch Zähne ;-) Katzen sind nicht gefährdet, Keiler klettern nicht :-)) und bei Autos, Radlern und Fußgängern verdrücken sie sich, wenn auch gemächlich...
    Mich stören sie nicht (bis auf die... "Köttel" )

  11. 1.

    Wildschweine haben absolut nichts auf Friedhöfen verloren.
    Die Tiere können sich gern auf den privaten Bereichen der Gegner der Jagd tummeln.

Nächster Artikel