Für die meisten ist er ein Fantastilliardär aus Entenhausen, der am liebsten in seinem Geldspeicher schwimmt. Anfang der 1990er aber wurde der Name Dagobert auch aus anderen Gründen berühmt.

Der arbeitslose gelernte Schilder- und Lichtreklamehersteller Arno Funke aus Berlin-Rudow hatte das Alias gewählt, um den Karstadt-Konzern um 1,4 Millionen Mark zu erpressen. Zwei Jahre lang legte er Sprengsätze und entwischte die Polizei - und das ganze Land sah amüsiert und gespannt zu.

Schon 1988 hatte Funke einen Sprengsatz im Berliner KaDeWe explodieren lassen. Der damalige Hertie-Konzern zahlte dem Erpresser tatsächlich 500.000 Mark, gegen den Rat der Polizei. Funke entkam unerkannt mit dem Geld. Nach vier Jahren aber hatte er die Beute ausgegeben und begann von neuem.

Er erpresste Karstadt erneut, diesmal um eine Millionensumme. Die Anschlagsserie begann 1992 mit zwei Rohrbomben im Karstadt in der Hamburger Mönckebergstraße. Niemand wurde verletzt, aber es gab einen großen Sachschaden. Um seine Zahlungsbereitschaft zu erklären, sollte der Konzern eine Anzeige im Hamburger Abendblatt schalten: "Dagobert grüßt seine Neffen", stand darin.

Es kam zu skurrilen Bildern: Hochseriöse Polizeibeamte mit bunten Krawatten hielten Turnbeutel mit dem Aufdruck der Comigfigur in die Kameras. Ja, von dem habe der Erpresser den Namen, hatte man bald verstanden. Es half aber nichts. Bald hingen in ganz Deutschland Fahndungsplakate - aber noch war der Erpresser ein Mann ohne Gesicht.

Nicht nur für Boulevardmedien war der gewitzte Verbrecher ein Geschenk des Himmels. Sie schrieben ihn zu einem Volkshelden hoch, der sich mit Tausenden Polizisten anlegte und doch nicht zu fassen war. Funke selbst hat diese Zuschreibung als vermeintlicher Robin Hood stets zurückgewiesen. Das Geld wollte er für niemand anderen als sich selbst.

Dagobert ließ bis 1994 Sprengsätze in mehreren Karstadt-Filialen in verschiedenen deutschen Städten hochgehen. Bei einem Anschlag in Hannover wurden zwei Menschen leicht verletzt. Ein anderer Sprengsatz detonierte im Karstadt am Hermannplatz in einem Aufzug, mitten im Weihnachtsgeschäft. Der pensionierte Polizeidirektor Martin Textor war einer derjenigen, die Dagobert mehr als zwei Jahre lang jagten. Die Häme, die damals über die Polizei ausgekippt worden sei, ärgere ihn bis heute, sagt der 79-Jährige.

Funke rief nach immer mal wieder nach einer der fast 30 gescheiterten Geldübergaben bei der Polizei an: Er entschuldigte sich dafür, dass seinetwegen wieder so viele Beamte zur Arbeit kommen mussten. Er schien die Ermittler zeitweise zu verspotten: "Fallen Sie bitte nicht mit dem Geld ins Wasser!", schrieb er auf dieser Skizze für eine Übergabe an der Spree. Er beteuerte später, er habe immer sichergestellt, dass durch seine Sprengsätze niemand verletzt werden konnte. Aber in einigen Fällen hatte er Glück, dass nicht mehr passierte.

Überhaupt, das Glück hatte er mehrere Male auf seiner Seite: Mit diesem Fahrrad fuhr er mit Vorliebe zu Geldübergaben oder um Telefonzellen auszukundschaften - es ließ ihn unauffällig wirken. Bei einer weiteren gescheiterten Übergabe versuchte Arno Funke, auf dem Rad zu fliehen. Ein Beamter hätte ihn fast umgestoßen, Funke aber hielt die Balance und floh, der Polizist rutschte aus. Man kann das Fahrrad heute in der polizeihistorischen Sammlung am Platz der Luftbrücke in Tempelhof besichtigen.

Arno Funke lebte von Sozialhilfe und musste sich das Geld für seine Geräte und Konstruktionen leihen. Ihm half sein Erfindungsreichtum. Dieses alte NVA-Nachtsichtgerät erstand er auf einem Trödelmarkt. Er benutzte es bei einer Geldübergabe nachts in einem Wald - und erkannte rechtzeitig, dass dort Polizisten warteten.

Diese Streusandkiste steht heute im Hamburger Polizeimuseum. Funke hatte sie selbst gebaut und eine Klappe in den Boden gebaut. Er schob die Kiste unbemerkt am hellichten Tag über einen Gullyschacht nahe des U-Bahnhofs Britz-Süd. Dort legte die Polizei das verabredete Paket hinein - und blickte später in ein Loch im Boden und eine leere Kiste. Doch es waren wie fast immer nur Papierschnipsel in dem Paket. Deshalb geriet Arno Funke mehr und mehr unter finanziellen Druck.

Diese ferngesteuerte Lore hätte Arno Funke fast die ersehnten 1,4 Millionen gebracht: Bei einem der wenigen Male steckte die Polizei tatsächlich Geld in ein Paket. Doch kurz vor Funke entgleiste die Lore noch, er musste ohne Beute verschwinden. "Der war uns nicht immer einen Schritt voraus, das hat er auch später zugegeben. Der war vor allem ängstlich: Sobald er auch nur irgendwas von Polizei gewittert hat, ist er sofort abgehauen", sagt der frühere LKA-Mann Textor heute. Funkes Vorsicht hat ihn allerdings auch lange im Spiel gehalten.

Die Polizei überwachte erfolglos Tausende Telefonzellen in Berlin, wie zum Beispiel diese, die heute (wie seine selbstgebaute Lore) in der polizeihistorischen Sammlung zu sehen ist. Wenn man reingeht löst ein Bewegungsmelder aus. Das Telefon klingelt. Und wenn man abhebt hört man die Originalaufzeichnungen der Anrufe, die Dagobert als Erpresser getätigt hat.

Am 22. April 1994 endete die mehr als zwei Jahre lange Jagd auf den Erpresser: Arno Funke machte am Vormittag seinen letzten Anruf als Dagobert - die Polizei verfolgte das Signal in diese Telefonzelle in der Hagedornstraße in Johannisthal zurück. Als Funke auf den Gehweg trat, nahmen ihn Zivilfahnder fest. Die hatten ihn bereits seit einem Tag beschattet. Er gab zu: "Ja, ich bin Dagobert". Er sei erleichtert, dass es vorbei sei.

Polizei und Presse belagerten Funkes Wohnsitz im Marmaraweg in Mariendorf. Dort lebte er unauffällig, mit seiner Frau und seinem Sohn. Die Polizisten feierten seine Festnahme mit Sektpullen und Tänzen auf dem Parkplatz ihrer Dienststelle. Zehn Millionen Mark kostete der Einsatz den Steuerzahler.

Am 17. Januar 1995 begann der Prozess gegen Arno Funke vor dem Berliner Landgericht - unter riesigem Medieninteresse. Knapp drei Monate später, an seinem 45. Geburtstag, wurde Funke wegen Herbeiführung von sechs Sprengstoffanschlägen, versuchter und vollendeter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt.

Der Staatsanwalt legte aber Revision ein, ihm war die Strafe zu niedrig. In zweiter Instanz wurde Arno Funke zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht erkannte schuldmindernd an, dass er als junger Mann in einer Autowerkstatt jahrelang hochgiftige Lösungsmittel eingeatmet und davon Hirnschäden erlitten hat.

Funke saß seine Strafe in der JVA Plötzensee ab. Er beschrieb die Zeit später als eine Erfahrung wie im Kloster - und als seine Rettung. Er wurde mit Antidepressiva behandelt, machte eine Therapie. Im Gefängnis schrieb er auch seine Autobiografie und begann, als Zeichner für das Satiremagazin "Eulenspiegel" zu arbeiten. Im August 2000 wurde er wegen guter Führung vorzeitig entlassen, inklusive der Untersuchungshaft hatte er zwei Drittel seiner Strafe verbüßt.

Nach der Rückkehr in die Gesellschaft wurde Arno Funke zum Medienstar, er wurde immer wieder in Talkshows eingeladen und für Dokumentarfilme angefragt, um über seine Zeit als Dagobert zu sprechen. Später ging er ins Dschungelcamp. Einerseits nervte ihn diese Reduzierung auf diese zwei Jahre seines Lebens, wie er sagte. Andererseits profitiert er auch bis heute von seiner Bekanntheit als ehemaliger Erpresser. Hier steht er 2014 bei einer Ausstellung seiner Karikaturen.

Mit seinem ehemaligen Verfolger Martin Textor (rechts) hat er heute ein gutes Verhältnis. Die beiden sehen sich mehrmals bei Dreharbeiten, um aus der Perspektive von Jäger und Gejagtem zu sprechen. Seit einigen Jahren duzen sie sich. "Ich habe kein Problem damit, dass es ihm heute gut geht. Er hat seine Strafe abgesessen", sagt der frühere LKA-Mann Textor.

Funke ist heute 74 Jahre alt, er arbeitet immer noch erfolgreich als Zeichner und Grafiker und lebt in Berlin. Straffällig ist er nicht mehr geworden. Aber Dagobert bleibt er lebenslänglich. | Zum Beitrag