Brandenburger Krankenhauskonferenz - Schrumpfen statt schließen?

Mo 06.05.24 | 14:02 Uhr
  10
Blick in eine Onkologie. (Bild: rbb)
Audio: rbb24 Antenne Brandenburg | 06.05.2024 | Ute Sander | Bild: rbb

Die geplante Krankenhausreform des Bundes soll Kliniken spezialisieren und dadurch entlasten - was auch bedeuten kann, dass manche schließen müssen. Über Lösungsansätze berät am Montag die zweite Krankenhauskonferenz in Potsdam.

Politiker und Gesundheitsexperten beraten am Montag in Potsdam über die Zukunft der Krankenhäuser in Brandenburg. Anlass der sogenannten Krankenhauskonferenz ist eine geplante Reform der Bundesregierung. Es geht im Kern darum, dass nicht mehr jede Klinik jede Leistung anbieten soll.

Stattdessen sollen sich die Häuser spezialisieren und dadurch effizienter und kostengünstiger arbeiten. Zahlreiche Kliniken im Land erwirtschaften seit Jahren Millionendefizite, der Fachkräftemangel und die zunehmend alternde Gesellschaft sind zusätzliche Herausforderungen.

Zusammenarbeit zwischen stationärer und ambulanter Versorgung gewinnt an Bedeutung

Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) kündigte am Sonntag an, die Krankenhäuser im Land fortentwickeln zu wollen, um sie zu erhalten. "Für Brandenburg geht es bei der Krankenhausreform nicht um Standortschließungen, sondern um die bedarfsgerechte Weiterentwicklung und Sicherung der Standorte", so Nonnemacher.

"Ein zentrales Anliegen bei der Krankenhausreform ist für Brandenburg, dass Kooperationen abgesichert sind", sagte die Gesundheitsministerin. Dabei geht es um die Zusammenarbeit von stationären Krankenhäusern und ambulanten Arztpraxen. Die Bedeutung dieser Zusammenarbeit hatte der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereits hervorgehoben. Wie die Weiterentwicklung aus Sicht der Landesregierung ansonsten konkret aussehen soll, führte Nonnemacher nicht näher aus.

An der Konferenz in der Potsdamer Staatskanzlei nehmen Landrätinnen und Landräte, Oberbürgermeister sowie Vertreterinnen und Vertreter der Krankenhäuser, Krankenkassen und der Kassenärzte teil. Auch die Wirtschaftsförderung, die Investitionsbank des Landes und Arbeitnehmervertreter werden erwartet.

Lauterbach will Vergütungssystem verändern

Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant, das bisherige Vergütungssystem mit Pauschalen für Behandlungsfälle zu ändern, um den Kliniken den Druck zu nehmen. Künftig sollen sie 60 Prozent der Vergütung schon für das Vorhalten von Leistungsangeboten bekommen.

Für eine Spezialisierung und Weiterentwicklung der Krankenhäuser soll es einen Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro geben. Klinikbetreiber und Gesundheitspolitiker in Brandenburg äußerten allerdings Befürchtungen, dass vor allem kleine Kliniken auf dem Land Nachteile haben oder schließen müssen.

Klinikbetreiber: Landesregierung soll entscheiden

Die Leitung des Carl-Thiem-Klinikums (CTK) in Cottbus sagte, es sei in Fachkreisen "unumstritten, dass wir eine Krankenhausreform benötigen". Die geplante Vergütung für das Vorhalten von Leistungen unabhängig von einer Behandlung sei wesentlich dafür, die Versorgung am Bedarf zu orientieren. Das CTK sieht sich dabei in einer Sonderrolle im Land: Zum einen, weil es bereits die konzentrierten Leistungen als einer der wenigen Maximalversorger abbilde, sagte der Sprecher. Zum anderen, weil es sich als Universitätsmedizin Lausitz in Zukunft verstärkt mit den Fragen der Versorgungsforschung, gerade in ländlich geprägten Regionen auseinandersetzen werde.

Der Chef der Recura-Gruppe, zu der die Beelitz Kliniken (Potsdam-Mittelmark) gehören, Matthias Lakotta, nannte es am Montag bemerkenswert, wie sehr die Landesregierung bisher die Brandenburger Position gegenüber dem Bund vertritt. Das erwarte er auch weiterhin, sagte er dem rbb. Wichtig sei, dass im Land selbst darüber entschieden wird, welche Versorgung die Bevölkerung wo braucht. Das könne nicht auf Bundesebene entschieden werden. Dass der Bund das bestimmen will, ist allerdings bisher auch gar nicht vorgesehen.

Experten: Ambulante Behandlung in kleineren Häusern

Eine von der Regierung eingesetzte Expertenkommission zur Zukunft der Krankenhäuser schlägt unter anderem vor, kleinere Häuser in ländlichen Regionen für eine "sektorenübergreifende Versorgung" aufzubauen. Sie sollten vorrangig ambulante Behandlungen ohne Übernachtung anbieten und bei Unterversorgung in einer Region einspringen. An den Standorten könnte es vielfältige Angebote auch mit Apotheken, Praxen und Sanitätshäusern geben. Mittel- und langfristig könnte der Kommission zufolge ein "Primärarztsystem" aus Allgemeinmedizinern, Internisten, Kinderärzten, Gynäkologen und Psychiatern aufgebaut werden. Es könnte dann auch die Steuerung von Patientinnen und Patienten durch die Versorgung übernehmen.

Lauterbach hat sich zudem für eine stärker aufeinander abgestimmte Versorgung in Praxen und Kliniken ausgesprochen. "Ein ineffizientes System können wir uns nicht mehr leisten", sagte der SPD-Politiker. Unnötige Krankenhausaufenthalte, fehlende Abstimmung zwischen Praxis und Klinik sowie unnötiger Personaleinsatz seien weder im Interesse der Patienten, noch der Behandelnden und schon gar nicht im Interesse der Gemeinschaft.

Nach erster Konferenz landeseigenes Programm aufgelegt

Die erste Brandenburger Krankenhauskonferenz im vergangenen Januar hatte ergeben, dass das Land kurzfristig ein eigenes Landesprogramm auflegt, um Kliniken zu helfen und die Zeit bis zur Umsetzung der Krankenhausreform zu überbrücken. Das Ziel ist der Erhalt der Krankenhäuser.

In Brandenburg gibt es nach Angaben des Gesundheitsministeriums 54 Krankenhäuser an 66 Standorten. 1990 waren es noch 73 Krankenhäuser. Wenn Kliniken in akuter Finanznot sind, können sie Hilfen über Darlehen bei der Investitionsbank Brandenburg beantragen.

Sendung: rbb24 Antenne Brandenburg, 06.05.2024, 10:00 Uhr

10 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 10.

    Konzerne schrumpfen sich regelmäßig, um Dividenden zu 'maximieren". In diesem Fall (wieder) auf Kosten der Versicherten. Die Klinik 'um die Ecke für alles" bringt nur den Unternehmen etwas. Nicht Patienten und nicht der Gesellschaft, die das System stützt.

  2. 8.

    Es sind auch kleine Krankenhäuser sinnvoll mit angeschlossener Poliklinik. Fachkliniken sollten aber nicht nur Spezialisten auf einem Gebiet sein. Aktuell im Falle Heinz Hoenig wären 2 Spitzeneinrichtungen erforderlich.

  3. 7.

    Ich halte einen Erhalt der vielen Kliniken via " Gießkannenpriinzip" für wenig zielführend.
    Es wird in absehbarer Zeit kaum mehr medizinisches Personal geben ( woher auch ? ) und es macht m.E. eher Sinn, die Kompetenzen zu bündeln.
    Ansonsten wird weiter über Fachkräftemangel geklagt und Personal untereinander abgeworben.
    Ansonsten sollte der Focus mehr auf eine effizientere ambulante Versorgung und Prävention gelegt werden.

  4. 6.

    Man kann ja viel schließen, aber dass man über die Schließung der Geburtsstationen die Schwangeren in die Hausgeburten drängt, halte ich für eine sehr fragwürdige Entwicklung unter dem Gesichtspunkt, dass die Gebärenden immer älter werden und das HebammenSTUDIUM erst jetzt eingeführt wird. Wir haben eh schon eine höhere Säuglingssterblichkeit als andere Industrienationen. Das muss nicht mehr werden. In der Fläche muss es entweder Geburtsstationen oder Geburtshäuser mit ähnlicher Ausstattung und ständiger Arztpräsenz geben (wäre dann teurer als Geburtsstation...).

  5. 5.

    Schließen ist immer gut. Was nicht ist, kann auch keine Probleme bereiten. Der angebliche Erhalt der Krankenhäuser ist nur
    eine verbale Beruhigungspille. Jetzt werden so langsam die selbst geschaffenen Probleme der alternativlosen Politik sichtbar.

  6. 4.

    „wie sehr die Landesregierung bisher die Brandenburger Position gegenüber dem Bund vertritt“
    Brandenburg will eine sinnvolle Reform der Spezialisierung verhindern?
    Mit welchem Ergebnis? Irgendetwas erreicht? Noch mehr Geld vom Bund und der anderen zum „verbraten“? Das glückliche Händchen beim Geldausgeben für große Projekte fehlt doch völlig. Deshalb ist das Gegenteil von „Wichtig sei, dass im Land selbst darüber entschieden wird, welche Versorgung die Bevölkerung wo braucht“ genau richtig. Brandenburg muss genauer kontrolliert werden, damit „das Fass einen Boden bekommt“.

  7. 3.

    „Grundbedürfnisse einer sozialen Gesellschaft gehören nicht wirtschaftlichen Interessen untergeordnet“
    Ein verstaatlichtes Gesundheitssystem führt zu einem Anspruchsdenken das die Einzahlenden nicht bezahlen wollen. Hatten wir schon: Viel schneller steigende Beiträge.

  8. 2.

    Das Problem ist die immer weiter fortschreidende Privatisierung unseres Gesundheitssystems. Grundbedürfnisse einer sozialen Gesellschaft gehören nicht wirtschaftlichen Interessen untergeordnet. Der Erfog ist dass die Versorgungsstandorte immer weniger werden und die Leistungen immer schlechter. Die Arbeitsbedingungen für das Perosnal sind miserabel. Dafür steigen die Profite der Konzerne. Die Rechnung zahlen die Bürger dieses Landes. Ähnliche Entwicklungen sehen wir im Bereich Verkehrswesen. Die Infrastrutur bröckelt, die Kassen klingeln!

  9. 1.

    Die Reformpläne des Bundes sind gut und an vielen Stellen längst überfällig. Allein dass sich Krankenhäuser über mehrere Standorte erstrecken wirkt schon unwirtschaftlich. Insbesondere spezielle Eingriffe erfordern das unmittelbare zusammenwirken verschiedener Fachrichtungen. Räumliche Bündelung von Ressource und Expertise wird unweigerlich zu verhindern sein. Große Kliniken werden größer und kleine werden noch kleiner werden. Aber gut dass das Land die Initiative ergreift. Besser als abwarten.

Nächster Artikel