Überfall auf einen Geldtransporter in Berlin. Bild: rbb
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Kampf gegen Clankriminalität - Vermögen soll schneller eingefroren werden

Waffenhandel, Drogengeschäfte, Geldwäsche: Berlin ist einer der Hotspots für Clankriminalität. Nun kündigt die neue Justizsenatorin bei Kontraste an, Vermögen aus kriminellen Geschäften schneller einfrieren zu wollen. Künftig sollen illegal erworbene Vermögen in die Kassen der Justiz fließen. Die Idee dahinter: Kriminell erworbenes Clan-Geld soll die Bekämpfung von Clankriminalität finanzieren. Auch der Bund plant neue Regelungen, um einfacher an kriminell erlangtes Vermögen zu kommen.

Anmoderation: Die Berliner Clans - die machen ja besonders viel von sich Reden: Ihre brachialen Diebeszüge – mit Äxten durch Museen und Edel-Juweliere sind, wenn man so will, Stoff für Legenden: Der Schaden regelmäßig groß, die Beute märchenhaft: Gold und Geschmeide schnellstens eingeschmolzen und angelegt: In Luxusuhren und fette Autos etwa. Um dieses Treiben endlich zu stoppen, will die Berliner Politik die Kriminellen jetzt an ihrer empfindlichsten Stelle treffen: ihren teuren Spielzeugen.

Der Einbruch ins Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe, der Juwelendiebstahl aus dem Dresdner Grünen Gewölbe und dieser Raubüberfall auf einen Geldtransporter in der Hauptstadt – was aussieht wie im Actionfilm sind schwere Straftaten, verübt von Mitgliedern krimineller Clans.

Weltweit Schlagzeilen machte der Diebstahl einer 100-Kilo-Goldmünze aus dem Bode-Museum. Reiner Materialwert 3,3 Millionen Euro. Verantwortlich dafür: Mitglieder der bekannten Großfamilie Remmo.

Was den Clans besonders weh tut: Wenn man ihnen das Vermögen wegnimmt. 2018 konnten die Behörden immerhin 77 Immobilien von Mitgliedern des Remmo-Clans beschlagnahmen.

Im Strafgesetz gibt es die Möglichkeit, zu Beginn eines Verfahrens mutmaßlich illegal erworbenes Vermögen einzufrieren. Im vergangenen Jahr wurden so in Berlin insgesamt knapp 63 Millionen Euro Vermögen sichergestellt. Doch es könnte weit mehr Geld sein, das am Ende dem Staat zufließt.

Denn diese Möglichkeit wird zumindest im Clan-Hotspot Berlin bislang offenbar nicht ausreichend genutzt.

Dafür fehle es schlicht an Personal an den entscheidenden Stellen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften, sagt die neue Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg.

Felor Badenberg (parteilos), Justizsenatorin

"Die Realität momentan ist, dass dem Land Berlin jährlich mehrere Millionen entgehen, weil es uns nicht gelingt, zu Beginn eines Verfahrens alle Vermögenswerte entsprechend zu sichern."

Die Verfahren ziehen sich oft über Jahre hin. Kommt es dann zu einer Verurteilung, sind die Luxusuhren längst weggeschafft, die Immobilien übertragen, die Millionen ins Ausland gebracht.

Um künftig frühzeitig deutlich mehr so genannte Clan-Gelder einfrieren zu können, will Badenberg nun genau an diesen Stellen das Personal um ein Vielfaches aufstocken.

Felor Badenberg (parteilos), Justizsenatorin

"In dem Fall habe ich mich mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin darauf geeinigt, dass ein Teil dieser Gelder, die dann dem Land Berlin zugutekommen, für die Berliner Justiz verwendet werden."

Die Idee dahinter: Illegal erlangtes "Clan-Geld" soll künftig vermehrt für die Bekämpfung der Clankriminalität verwendet werden.

Und auch der Bund plant derzeit eine Gesetzesänderung. Künftig solle es auch außerhalb von Strafverfahren möglich sein, Clan-Vermögen aus illegalen Geschäften zu beschlagnahmen, so der kriminalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Sebastian Fiedler.

Sebastian Fiedler (SPD)

"Im Moment arbeitet die Bundesregierung, wir arbeiten im Parlament parallel ebenfalls daran, an einem komplett neuen Instrument, nämlich, dass außerhalb von Strafverfahren, kriminelle oder aus krimineller Herkunft stammende Vermögenswerte zunächst einmal identifiziert."

Anhand bestimmter Kriterien solle dann bewertet werden, ob die Vermögen wie etwa Luxusautos oder Immobilien möglicherweise kriminell erworben wurden. Vor Gericht müssten Betroffene dann entsprechende Gegenbeweise vorlegen.

Sebastian Fiedler (SPD)

"Dahinter steckt die Idee, der Rechtsstaat muss seine Naivität ablegen und das wäre eines der schärfsten Schwerter zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und damit auch der Clankriminalität."

Beitrag von Anne Grandjean und Lisa Wandt

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