Konzertkritik | Olli Schulz im Festsaal Kreuzberg - Menschen, Kissen, Sensationen

Sa 25.11.23 | 13:02 Uhr | Von Magdalena Bienert
  4
Olli Schulz, Musiker und Schauspieler, singt beim Konzert (Quelle: dpa/Sebastian Willnow)
Audio: rbb24 Inforadio | 25.11.2023 | Magdalena Bienert | Bild: dpa/Sebastian Willnow

"Der Zirkus kommt in die Stadt" – so hat Liedermacher und Songwriter Olli Schulz seine aktuelle kleine Clubtour genannt. Zum Abschlusskonzert im Festsaal Kreuzberg flogen nicht die Fetzen - aber Kissen. Von Magdalena Bienert

Außer nach nassen Jacken, riecht es im Festsaal Kreuzberg auch süßlich. Tatsache; es werden Crêpes verteilt. Und zwar im Akkord, denn der Club platzt aus allen Nähten. Kapuzenpullis und Glitzer-Shirts, Goldkettchen, Westernboots und Sneakers dichtgedrängt. Links vor der Bühne wehen Herzchen-Ballons und am "Service-Point" können sich Menschen treffen, die alleine zum Konzert gekommen sind.

Typisch Berlin trifft sich jedoch hier, wo auch die Treppe auf die abgesperrte Balustrade hoch führt, eine illustre Schauspieler:innen-Runde mit Heike Makatsch, Bjarne Mädel und Jördis Triebel. Letztere spielt auch im aktuellen Musikvideo von Olli Schulz zu "Einfach so" mit.

Kein Zylinder, dafür große Spielfreude

Zirkusdirektor Schulz kommt im braven schwarzen Jackett und schwarzem Hemd, sichtlich aufgekratzt und voller Freude auf sein Abschlusskonzert in seiner Wahlheimat Berlin. Den Festsaal Kreuzberg kenne er noch gar nicht, gefalle ihm aber ziemlich gut, sagt er. Und erklärt, warum es sechs Jahre gedauert hat, bis endlich wieder neue Songs entstanden sind: "Weil ich alle Texte und alle Songs selber schreiben wollte."

Im Februar 2024 erscheint sein neues Album "Vom Rand der Zeit". Schon die erste Single "Einfach so", auch Opener an diesem Abend, ist ein typischer Schulz: eine emotionale Bestandsaufnahme der aktuellen Zeit. Er erzählt wie wichtig es ist aus unserem Hamsterrad ab und zu mal auszusteigen, damit die Herzen wieder "blühen" können.

Von Vaterfreuden und Vaterschmerzen

Der 50-Jährige beschwert sich auch schon mal über die "Bahnhofsatmosphäre" hinten im Saal, schließlich geht's hier um mehr als bloße Songs, die er gefällig abliefern will. Olli Schulz meint es ernst, wenn er unsere ganze Aufmerksamkeit will. Mehr als einmal macht er sein Herz auf. Zum Beispiel als er den neuen Track "Silvester" ankündigt. Ein Lied für seinen kleinen Sohn, der letztes Jahr geboren wurde. Und gleichzeitig erfuhr Olli Schulz, dass sein leiblicher Vater gestorben sei. Auch wenn er ihn nicht wirklich kannte, hat ihn das nicht kalt gelassen.

Und das ist seine große Stärke: Geschichten, sehr lustig oder sehr bewegend, erzählen. Das kann er. Ohne oder mit Melodien.

Nicht umsonst ist Schulz seit über zehn Jahren zusammen mit Jan Böhmermann einer der erfolgreichsten deutschen Podcaster ("fest&flauschig" auf Spotify).

Rampensau im "Olliversum"

Seine vierköpfige Band rund um Gitarrist Max Schröder, der schon 2003 als Hund Marie eine Band mit Schulz gründete, ist eine solide Bank. Unaufgeregt und auch sehr artig zurückgenommen. Es ist halt nur Platz für eine Rampensau im "Olliversum".

Zum Schluss erzählt der gebürtige Hamburger noch, wie er seinem Booker und seinem Tourmanager schlaflose Nächte beschwert hat, weil ihm bei seiner kleinen Zirkustour am Ende eine Kissenschlacht vorschwebte. Naja, kurzerhand fuhr man zum großen Möbelschweden und kaufte hunderte kleine Kissen. Die fliegen zum Abschluss minutenlang blitzschnell durch die Gegend und 1.000 Leute haben ein dickes Grinsen im Gesicht. Wer braucht schon wilde Tiere, wenn er Olli Schulz haben kann?

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.11.2023, 07:00 Uhr

Beitrag von Magdalena Bienert

4 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 3.

    Leider waren im Publikum auch viele Schaulustige, die nichts mitsingen konnten. Das tat mir sehr leid..

  2. 2.

    Das nennt man ganz einfach Freundschaft. ;-) und noch was: so Leute wie Böhmermann sind einfach wichtig!

  3. 1.

    Was soll ich sagen außer: Gefällt mir. Der Olli Schulz ist schon ein waschechtes Unikum. Keine Ahnung warum der mit diesem… (mir fällt kein umfassendes Adjektiv ein) Herrn Böhmermann abhängt. Irgendwie sind die doch total unterschiedlich: Schulz ist authentisch - Böhmermann würde jeden Mist machen, nur um „on air“ zu sein. Und wenn ihn jemand bedroht, ruft er Mutti um Hilfe.

Nächster Artikel