Polizeiliche Kriminalstatistik 2023 - Bundesweit mehr Straftaten als im Vorjahr erfasst

Di 09.04.24 | 20:05 Uhr
09.04.2024, Berlin: Nancy Faeser (SPD, r) Bundesministerin des Innern und Heimat, und Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), präsentieren die Polizeiliche Kriminalstatistik 2023 (PKS).(Quelle:dpa/B.Pedersen)
Video: rbb24 Abendschau | 09.04.2024 | T. Rostek | Bild: dpa/B.Pedersen

Knapp sechs Millionen Straftaten hat die Polizei 2023 registriert - auch in Berlin und Brandenburg stieg die Zahl. Körperverletzung und Diebstahl spielen in der Kriminalstatistik eine Rolle - Kriminologen warnen vor falschen Schlussfolgerungen.

  • Zahl der Straftaten in Deutschland auf höchstem Stand seit 2016
  • Starker Anstieg bei Gewaltkriminalität und Diebstahl
  • Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen plus 17,8 Prozent
  • Experten erklären das auch mit hohen Zuwanderungsraten

Mehr Diebstähle, mehr Gewaltdelikte: Die Zahl der Straftaten in Deutschland ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen und liegt damit auf dem höchsten Stand seit 2016.

Insgesamt registrierte die Polizei 5,941 Millionen Fälle von Kriminalität, wie aus der am Dienstag veröffentlichten polizeilichen Kriminalstatistik 2023 des Bundeskriminalamts (BKA) hervorgeht. Demnach wurde ein Anstieg von 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und von 9,3 Prozent gegenüber dem letzten Vor-Corona-Jahr 2019 ermittelt.

Zuletzt war die Gesamtzahl der Straftaten im Jahr 2016 höher. Starke Anstiege wurden 2023 bei der Gewaltkriminalität und bei Diebstahlsdelikten registriert. Allein 1,97 Millionen Fälle wurden der Diebstahlskriminalität zugeordnet - 10,7 Prozent mehr als 2022. Rund 214.000 Fälle gab es im Bereich Gewaltkriminalität, also Körperverletzungen, Raubdelikte und verschiedene Sexualstraftaten. Das waren 8,6 Prozent mehr als 2022.

Zuvor hatten die Polizei Brandenburg und Polizei Berlin bereits die Kriminalstatistiken 2023 für die Region veröffentlicht.

In Berlin gab es demnach vergangenes Jahr eine Zunahme der Straftaten um 3,2 Prozent auf 536.697 Fälle [berlin.de/polizei] – das sind 16.870 Fälle mehr als 2022. Einfluss auf die Entwicklung der Gesamtfallzahl hatte zum Beispiel die Zahl der Körperverletzungen - diese stieg innerhalb eines Jahres um mehr als 3.800 Fälle an – von 44.425 Fälle auf 48.254. Eine Zunahme gab es auch bei Ladendiebstählen und Kellereinbrüchen; in beiden Deliktsarten wurden jeweils mehr als 5.000 Fälle mehr registriert. Die Zahl der Ladendiebstähle liegt somit bei rund 39.000 – die der Kellereinbrüche bei 16.800. Die Zahl der Waren und Warenkreditbetrüge um 9.700 Fälle zurück.

Auch in Brandenburg stiegen die registrierten Straftaten vergangenes Jahr an [polizei.brandenburg.de]. Insgesamt wurden 186.242 Straftaten gezählt. Damit liegt die Kriminalität im Land um 9,4 Prozentpunkte oder um 16.038 Fälle höher als 2022. In der Gewaltkriminalität wurde mit rund 5.500 Fällen der höchste Stand der vergangenen 15 Jahre verzeichnet. Die erfassten Fälle sind somit um 17,4 Prozent (2022: 4.685 Fälle) gestiegen.

Zahl der Morde in Berlin gesunken - in Brandenburg gleich

Maßgeblich wird Gewaltkriminalität durch Fälle der gefährlichen und schweren Körperverletzungen geprägt – 2023 gab es in Brandenburg 3.837 Fälle, im Jahr zuvor 3.379 Fälle.

Mit Blick auf die Zahlen der vergangenen Jahre lassen sich die absoluten Zahl jedoch auch anders interpretieren. Wird die Zahl der Straftaten in Berlin betrachtet, wird ersichtlich, dass es 2014 mit rund 543.000 Delikten mehr Straftaten gab als 2023. Erst ab 2017 und dann verstärkt während der Corona-Pandemie ging die Zahl der Straftaten in Berlin stetig zurück – nach der Pandemie stiegen die Zahlen.

2023 gab es in Berlin 77 Fälle von Mord und Totschlag – davon wurden 34 Fälle vollendet. "Dies liegt unter dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre", heißt es in der Kriminalstatistik. In Brandenburg gab es 2023 9 Fälle von versuchtem Mord – so viel wie 2022. In beiden Jahren gab es 2 vollendete Fälle.

Kriminologe warnt vor falscher Interpretation der Statistik

Der Berliner Kriminologe und Soziologe Vincenz Leuschner warnt vor falschen Schlussfolgerungen. Bei der Polizeilichen Kriminalstatistik würde es sich eher um einen "Tätigkeitsbericht der Polizei" handeln, sagt der Kriminologe im rbb24-Podcast Newsjunkies [inforadio.de].

Erfasst werden Leuschner zufolge stets Fälle, die von der Polizei an die Staatsanwaltschaft abgegeben werden. "Ob die Tatverdächtigen am Ende auch verurteilt werden, steht auf einem ganz anderen Blatt." Mit Blick darauf verrate diese Statistik eher was die Polizei als Straftat erfasst. Zudem könne eine Person mehrere Gewaltdelikte ausführen - mehr Gewalt bedeutet nicht immer, dass es mehr Täter gibt.

"Gerade beim Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger muss man sehr vorsichtig sein. Es sind mehr Menschen nach Deutschland zugewandert, die Bevölkerung ist also insgesamt gewachsen, dadurch ist auch der Anteil nichtdeutscher Menschen angestiegen. Wenn diese Menschen gleichermaßen kriminell wie Deutsche sind, entstehen automatisch mehr Straftaten. Man darf sich hier nicht nur die absoluten Zahlen anschauen", sagte Leuschner.

Anteil nichtdeutscher Tatverdächtige erhöht sich leicht

In Berlin wurden laut Polizei 140.620 Tatverdächtige ermittelt – das sind 4.050 mehr als 2022. Der Anteil der in Berlin wohnenden mutmaßlichen Täter lag bei 72,7 Prozent. Und: Der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen an allen Verdächtigen zu Straftaten ohne ausländerrechtliche Verstöße erhöhte sich demnach von 41,9 Prozent auf 43,2 Prozent.

"Da hat man immer so die Vorstellung davon, da verbergen sich die hier ansässig lebenden Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, aber tatsächlich sind natürlich Touristen mit dabei, es sind die so genannten reisenden Täter, die aus dem Ausland hierher kommen, um Straftaten zu begehen", sagte Helmut Tausendteufel, Kriminologieprofessor an der HWR Berlin, dem rbb. Tätergruppen wie Taschendiebe, Einbrecher, Automatensprenger leben laut Polizei oft nicht in Berlin, nicht einmal in Deutschland, sie reisen nur für die Taten an und ziehen weiter.

Sensibilität der Bevölkerung spiegelt sich in Statistik

Ähnlich wie Leuschner sehen Kriminalisten Angaben zufolge den Grund für die stark gestiegenen Zahlen ausländischer Tatverdächtiger in den insgesamt weiter hohen Zuwanderungsraten. Dadurch steige die Bevölkerungszahl insgesamt und der Anteil der Nichtdeutschen daran. Zu den Risikofaktoren gehörten auch die Lebensbedingungen in Erstaufnahmeeinrichtungen, die wirtschaftliche Unsicherheit sowie Gewalterfahrungen.

Durch die hohe Migration der vergangenen Jahre sei die Bevölkerungszahl insgesamt und auch der Anteil der Nichtdeutschen gestiegen, betonte Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA) am Dienstag. Der Anstieg der Ausländerkriminalität ist demnach teilweise auch ein statistischer Effekt. Dazu kämen Risikofaktoren wie Lebensbedingungen, soziale Unsicherheit sowie Gewalterfahrungen, die zu mehr Kriminalität führten. "Der Zusammenhang ist richtig, dass steigende Migration zu mehr Straftaten geführt hat", konstatierte aber die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

Laut der am Dienstag vom BKA veröffentlichten Statistik stieg die Zahl der deutschen Tatverdächtigen bundesweit innerhalb eines Jahres um ein Prozent auf etwa 1,32 Millionen an - dagegen wuchs die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen um 17,8 Prozent auf rund 923.000 an.

Bei den Diebstahlsdelikten stieg die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen sogar um 22,8 Prozent, die der deutschen Verdächtigen dagegen nur um 7,4 Prozent. Trotzdem gab es in dem Bereich mit gut 237.000 immer noch mehr deutsche als nichtdeutsche Verdächtige.

Sendung: rbb24, 09.04.2024, 21:45 Uhr

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