#Wiegehtesuns? | Ukrainische Comedians in Berlin - "Ich war nie ein politischer Comedian. Das hat sich nach dem 24. Februar geändert."

Do 23.02.23 | 10:34 Uhr | Von Gabriela Hermer
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Die Stand Up Comedians Pavlo Voytovych und Dima Watermelon (Quelle: Lilly Extra/rbb)
Bild: Lilly Extra/rbb)

Die Ukrainer Pavlo Voytovych und Dima Watermelon leben in Berlin und machen Stand-Up-Comedy. Doch nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine war damit erstmal Schluss. Erst langsam kehrten sie zurück auf die Bühne. Ein Gesprächsprotokoll

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Dima ist 32 Jahre alt, lebt seit neun Jahren in Berlin. Er kam hierher, um sein Master-Studium zu beenden. Tagsüber arbeitet er bei einem Start-Up, seit einigen Jahren tritt er zusätzlich abends als Stand-Up-Comedian auf. Pavlo kam vor sieben Jahren der Liebe wegen nach Berlin. Er ist 35 Jahre alt. Pavlo arbeitet als Drehbuchautor und viele Jahre schon als Comedian. Seit einem Jahr treten die beiden in ihrer gemeinsamen Show "From Ukraine with Laughs" auf.

Pavlo: Als Russland vor einem Jahr die Ukraine überfallen hat, war es für mich erst mal aus mit Comedy. Ich habe alle meine Auftritte gecancelt. Ich hatte gerade eine Solo-Tour geplant, hatte einige Shows in der Pipeline, aber ich habe alles gecancelt. Ich kümmerte mich stattdessen um meine Verwandten, die nach Berlin geflohen waren und engagierte mich ehrenamtlich für ukrainische Geflüchtete.

Außerdem habe ich rund um die Uhr Nachrichten aus der Ukraine konsumiert. Ich weiß nicht mehr, wie lang das so ging. Mehrere Wochen, vielleicht Monate. Irgendwann habe ich dann im Netz gesehen, wie einige Comedians in der Ukraine sich zusammentaten und anfingen, ihre Treffen zu streamen. Nach einer Weile wurden ihre Gespräche etwas unbeschwerter, sie begannen, sich sogar Witze zu erzählen, anfangs vor allem über Russland – später über alles Mögliche. Und dann habe ich mir gedacht, wenn sie es schaffen, wieder Comedy zu machen, sollte ich vielleicht auch darüber nachdenken.

Dima: Um gute Witze zu schreiben, muss man entspannt sein. Je deprimierter man ist, desto schwerer fällt es, Gags zu schreiben. Meine Gedanken kreisten anfangs nur darum, was gerade in der Ukraine passiert und wie es meiner Familie geht. Ich steckte gedanklich so tief im Krieg drin, da ging erst mal gar nichts.

Pavlo: Nach einer Weile begann ich, Charity-Shows zu hosten. Die englischsprachige Show heißt "Good Laugh – Comedy Charity for Ukraine". Ich lade Comedians ein, großartige, witzige Leute. Sie schenken uns ihre Zeit und ihre Gags. Weder die Comedians noch ich verdienen etwas daran. Der Eintritt zu der Show ist kostenlos, aber am Ende der Veranstaltung bitten wir das Publikum, zu spenden. Die gesamten Einnahmen gehen an Hilfsorganisationen für die Ukraine.

Dima: Mittlerweile fällt es mir nicht mehr schwer, Witze über politische Themen zu schreiben. Ich habe das auch schon vor der Invasion gemacht, schließlich läuft dieser Krieg seit 2014. Und schon damals habe ich Gags über die Krim geschrieben. Sobald ich innerlich dazu bereit war, habe ich die älteren Gags umgeschrieben und aktualisiert. Wichtig ist mir nur, dass der Witz in seinem Kern ein Stück Wahrheit enthält.

Um gute Witze zu schreiben, muss man entspannt sein. Je deprimierter man ist, desto schwerer fällt es, Gags zu schreiben.

Dima Watermelon

Pavlo: Ich war nie ein politischer Comedian. Das hat sich nach dem 24. Februar geändert. Da habe ich angefangen, Gags über den Krieg zu schreiben. Allerdings handeln sie nie vom Krieg selbst. Sie handeln von meinen Verwandten, die als Geflüchtete nach Deutschland kamen, dem Stress, den ich hatte, für sie eine Wohnung zu finden, und all das. Die Gags spielen zwar vor dem Hintergrund des Krieges, aber es geht immer darum, wie ich persönlich den Krieg erlebe. Das ist mein Zugang zu diesem Thema.

Dima: Ich habe auch eine Nummer über Selenskyj in meinem Repertoire. Den Kern des Gags habe ich vor Beginn des Krieges geschrieben, kurz nachdem Selenskyj zum Präsidenten gewählt wurde. Der Witz geht davon aus, dass wir einen lustigen Typen zum Präsidenten gewählt haben, weil wir selber lustige Menschen sind. Wir dachten uns, wir wählen ihn und schicken ihn dann zu Putin, damit er ihm gute Witze erzählt. Vielleicht gibt uns Putin dann ja die Krim wieder zurück. Na ja, der Plan ging nicht auf. Putin hat nicht gelacht, im Gegenteil. Deshalb musste ich an meinem Gag weiterschreiben, ihn aktualisieren.

Pavlo: Selenskyj habe ich schon gekannt, bevor er Präsident wurde. Jeder kannte seinen Namen. Das hat mir auch geholfen, meiner Oma zu erklären, was ich da eigentlich mache. Ich habe ihr gesagt: Kennst Du diesen Typen? Ich mache das gleiche wie er, bevor er Präsident geworden ist.

Aber ich mochte weder ihn als Comedian noch seine Produktionen. Doch was seine Firma macht, das finde ich gut. Sie hat vielen jungen Comedians die Möglichkeit gegeben, neue Ideen zu entwickeln. Comedians können sich bewerben, ihr Talent beweisen und dann bekommen sie die Möglichkeit, im Fernsehen oder Radio aufzutreten. Für viele ist das der Beginn ihrer Karriere.

Dima: Jetzt waren Pavlo und ich gerade mit unserer gemeinsamen Show auf einer Europa-Tournee. Wir waren in drei Ländern, hatten sechs großartige Auftritte. Wir wollen dem internationalen Publikum unsere ukrainische Sichtweise vermitteln – am besten können wir das über Comedy und Humor.

Das Gespräch führten Gabriela Hermer und Lana Oryshchyn

Sendung: "Deep Doku", rbbkultur, 22.02.2023, 19 Uhr

Beitrag von Gabriela Hermer

3 Kommentare

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  1. 3.

    Zitat: "Nach Kriegsausbruch hat er alle Auftritte gecancelt und ist nach Berlin um seinen Verwandten zu helfen."

    Meine Güte, es steht doch im Artikel, dass die beiden seit neun bzw. sieben Jahren in Berlin leben. Die Auftritte wurden also von zuhause aus gecancelt. Aber Ihnen geht es offensichtlich darum, die beiden als "Fahnenflüchtige" zu diskreditieren, und dazu heucheln Sie Betroffenheit mit "anderen Männer aus der Ukraine" vor. Unterste Schublade, David Weber.

  2. 2.

    Bitte den Text richtig lesen, beide leben schon länger in Berlin, sind nicht erst letztes Jahr nach Berlin gekommen !

  3. 1.

    Nach Kriegsausbruch hat er alle Auftritte gecancelt und ist nach Berlin um seinen Verwandten zu helfen.
    20.000 andere Männer aus der Ukraine wurden an der Grenze aufgegriffen. Anscheinend wollten sie nicht kämpfen, sie hatten nicht so viel Glück wie der Comedien. Was aus ihnen geworden ist, wurde nicht berichtet.

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