Transfers in Regional- und Oberliga - Die kleine Hoffnung auf den großen Deal

Sa 13.01.24 | 08:11 Uhr | Von Fabian Friedmann
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Erfurts Maximilian Pronichev im Zweikampf mit dem Leipziger Will Siakam. (Bild: imago/Jan Huebner)
Bild: imago/Jan Huebner

Das Winter-Transferfenster ist geöffnet - auch in der Regional- und Oberliga. Keine Orte der großen Deals. Hier beherrschen Existenzsicherung und kurzfristige Verträge den Markt. Und Spielerberater mischen munter mit. Von Fabian Friedmann

"Gerade ist es extrem ruhig, das habe ich so noch nicht erlebt", sagt Benjamin Borth. Der 30-Jährige ist seit November 2022 als Sportdirektor für die Kaderplanung bei Fußball-Oberligist Tennis Borussia zuständig. In der Winterpause ist er normalerweise damit beschäftigt, den Spielermarkt zu sondieren, Angebote zu prüfen - aber bislang klingelt sein Telefon eher selten. Der Hauptgrund dafür liegt in der geringeren Attraktivität der 5. Liga. Junge Spieler, die den nächsten Sprung machen wollen, würden sich zuerst bei Dritt- oder Viertligisten melden.

Wenn das Telefon später klingelt

"Das ist wie eine Kette. Die, die es nicht in die Regionalliga schaffen, werden früher oder später bei uns anklopfen. Ich schätze, dass in ein bis zwei Wochen das Telefon deutlich lauter wird", sagt Borth, der zuvor acht Jahre in Diensten des Regionalligisten Berliner AK stand, zwei davon als sportlicher Leiter.

Borth kennt die Hoffnungen der Spieler und die finanzielle Drucksituation der Vereine in den oberen Amateurligen. Wo viele Spieler Profis werden wollen, es aber die Wenigsten in die Bundesliga schaffen. Dazu gesellen sich windige Berater und Vereine, die auch mal über ihr finanzielles Limit gehen. Aber wie laufen die Transfers ab? Was sind die Besonderheiten? Und worauf kommt es an?

Der Rollentausch des Maximilian Zimmer

Jemand, der alle wichtigen Rollen dieses Geschäfts selbst durchlebt hat, ist Maximilian Zimmer. In der Jugend spielte der gebürtige Berliner für Hertha BSC, in der U18-Nationalmannschaft kickte er zusammen mit Mario Götze und Marc-André ter Stegen. Zimmers Karriere war jedoch geprägt von schweren Verletzungen. Mit Energie Cottbus wurde er zwar Regionalliga-Meister und stieg in die 3. Liga auf, aber dann riss zum dritten Mal sein Kreuzband. Der Mittelfeldspieler hing die Fußballschuhe an den Nagel - mit 26 Jahren.

Zimmer machte eine Umschulung zum Versicherungs- und Finanzkaufmann, nebenbei arbeitete er als Scout. 2021 kam das Angebot, den Posten des sportlichen Leiters von Regionalligist Energie Cottbus zu übernehmen. Plötzlich kümmerte er sich um die Transfers des Traditionsvereins und musste mit überschaubaren finanziellen Mitteln in der Lausitz klarkommen: "Da konnte ich keine Experimente machen. Darum habe ich auf Spieler aus meinem Netzwerk zurückgegriffen, bei denen ich wusste, die werden uns weiterhelfen. Irgendwann rufst du die Berater an und fragst, wie wir den Transfer hinkriegen."

Maximilian Zimmer als sportlicher Leiter von Energie Cottbus. (Bild: imago/Matthias Koch)Maximilian Zimmer als sportlicher Leiter von Energie Cottbus.

Spielerberater: Fluch oder Segen?

Heute ist Zimmer selbst Spielerberater. Sie sind in den letzten Jahren zum festen Bestandteil der Regionalliga geworden. Schon 2017 haben Recherchen des MDR ergeben, dass in der Regionalliga Nordost fast 60 Prozent der Spieler einen Berater besitzen. Mittlerweile sind es noch mehr. "Ohne Berater geht kaum noch was. Es gibt vielleicht ein paar ältere Spieler, die sich noch selbst vertreten, aber selbst in der Oberliga hat fast jeder einen Berater", sagt Benjamin Borth.

Kritik an den Beratern kommt zumeist von kleineren Vereinen. Der Vorwurf: Einige würden versuchen, ihre Spieler zu kurzfristigen Wechseln zu bewegen, um selbst bei größeren Klubs mehr Vermittlungsprovision kassieren zu können. Denn die Prämie eines Spielerberaters orientiert sich anteilig an dem Brutto-Gehalt des Spielers.

Da wird teilweise um Centbeträge gefeilscht.

TeBe-Sportdirektor Benjamin Borth

Auch Benjamin Borth musste schon Bekanntschaft mit so manchem schwarzen Schaf der Branche machen. "Da wird teilweise um Cent-Beträge gefeilscht", erzählt er. Manch guter Berater würde aber auch auf Provisionen verzichten, weil es ihm allein um die Perspektive des Spielers gehe.

Für Maximilian Zimmer ist das schlechte Image der Spielerberater in den meisten Fällen unbegründet. Wenn man als Verein ein gutes Netzwerk an Beratern habe, dann sei das erstmal gut, weil sie viele Informationen über unbekannte Spieler liefern könnten, sagt er. "In der Regionalliga ist das noch wichtiger, weil es hier kein Scouting-System gibt", so Zimmer. Für ihn sei ein gutes Netzwerk das Allerwichtigste im Fußballgeschäft. Spieler würden am Tag teils Hunderte Anrufe kriegen, jeder wolle etwas von ihnen. "Du musst sie überzeugen, dass du der Richtige bist, sie zu vertreten. Und dann musst du ein Netzwerk haben, um diese Deals herzustellen", so Zimmer.

Bis zu 300.000 Euro Provision für den großen Deal

Daneben müsse man die Perspektive der Spieler berücksichtigen, sagt Zimmer - schließlich gehe es um deren Lebensunterhalt. Rund 80 Prozent der Akteure könnten in der Regionalliga vom Fußball leben. Der Spielerberater kennt den Markt und weiß, was ein Spieler verdienen kann. "Man kann nicht davon ausgehen, dass der Spieler all diese Informationen hat", meint Zimmer: "Von daher versucht der Berater, das Bestmögliche für ihn herauszuholen." Zumal die Vereine mit einer dritten Partei ganz anders verhandeln würden als mit einem Spieler.

Zimmer arbeitet mittlerweile für die Schweizer Agentur SBE, einen international ausgerichteten Player unter den Beraterfirmen. Dortmunds Keeper Gregor Kobel gehört zu den Klienten. Das große Geld winkt in diesem Geschäft denjenigen, die Spieler in die großen Top-Ligen vermitteln. Zuletzt ist das SBE mit Omar Traoré gelungen: Von Osnabrück aus der 3. Liga wechselte der rechte Außenverteidiger nach Heidenheim in die Bundesliga. Ein Deal, den Maximilian Zimmer eingefädelt hatte.

"Wenn du einen Spieler zu einem Topklub bringst, dann bekommst du mitunter 200.000 bis 300.000 Euro Provision. Es lebt immer die Hoffnung - auch bei den Beratern und Funktionären, dass man auf das richtige Pferd setzt, auf den Spieler, der es schaffen kann." Regionalliga-Akteure seien in Zimmers Portfolio aber eher die Ausnahme, sagt er. Die betreue er mehr aus freundschaftlicher Verbundenheit.

Es lebt immer die Hoffnung – auch bei den Beratern und Funktionären, dass man auf das richtige Pferd setzt, auf den Spieler, der es schaffen kann.

Maximilian Zimmer, Spielerberater und ehemaliger sportlicher Leiter von Energie Cottbus

Der schwierige Weg des Maximilian Pronichevs

Ein solcher "Freundschafts-Klient" ist Maximilian Pronichev. Der Ex-Cottbusser wechselte im vergangenen Sommer zu Rot-Weiß Erfurt in die Regionalliga Nordost, galt dort als Hoffnungsträger. Doch nach einem Negativlauf des Teams wurde Pronichev Ende November freigestellt, durfte fortan nicht mehr mit der Mannschaft trainieren. "Das war eine neue Situation für mich", sagt Pronichev. Nicht mehr Teil des Teams zu sein, sei für ihn nicht einfach gewesen. Zunächst hielt sich der zweimalige russische U21-Nationalspieler in Berlin mit einem befreundeten Trainer fit.

Anfangs sah Pronichev die Situation gelassen, das Transferfenster sei schließlich bis zum 1. Februar offen und sein Freund und Berater Maximilian Zimmer würde alle Hebel für ihn in Bewegung setzen: "Hätte man bis zum Ende Transferperiode nichts, dann würde man sich schon Druck machen. Aber der Verein muss passen. Irgendwo schnell hinzugehen, würde nichts bringen."

Geduld ist eine große Tugend in diesem Transferspiel. Aber manchmal kann es auch schnell gehen. Am 12. Januar vermeldet Energie Cottbus die erneute Verpflichtung von Maximilian Pronichev. Der Offensivspieler kehrt nach eineinhalb Jahren zurück in die Lausitz. "Cottbus ist die Wunschlösung für mich. Ich fühle mich da wie zu Hause und brauche keine große Eingewöhnungsphase. Ich habe mich sehr gefreut über das Wiedersehen mit vielen alten Bekannten", sagt Pronichev im Anschluss an das erste Training mit der Mannschaft.

Maximilian Pronichev. (Foto: imago/Funke Foto Services)Maximilian Pronichev im Dress von Rot-Weiß Erfurt.

Einjahresverträge zur Regel geworden

Schon zuvor ist seine Karriere geprägt von zahlreichen Wechseln und Leihen: Hertha BSC, St. Petersburg, Schalke, Aue, Halle und Essen sind einige seiner Stationen. In Erfurt wurde Pronichev zuletzt mit einem Einjahresvertrag ausgestattet, der sich bei einer gewissen Anzahl von Spielen automatisch verlängert hätte.

Diese kurzfristigen, leistungsbezogenen Arbeitspapiere sind in der Regional- und Oberliga zur Regel geworden. "Für viele Jungs ist es besser so. Wenn sie gute Leistungen zeigen, dann können sie nach seinem sehr guten Jahr in den Profibereich wechseln. Man sollte das als Vorteil sehen", findet Pronichev. Problematisch kann es aber dann werden, wenn schwere Verletzungen dazwischenkommen oder die Top-Leistungen ausbleiben. Dann werden Spieler mit kurzen Vertragslaufzeiten schnell zu Vereinslosen.

Wohlfühloase Tennis Borussia

Bei Tennis Borussia will man deshalb bewusst den Druck rausnehmen und einen anderen Weg gehen: TeBe will zukünftig längerfristige Verträge mit seinen Spielern abschließen.

Nach dem letztjährigen Abstieg aus der Regionalliga stehen aktuell sehr viele junge Spieler im Kader, kaum einer ist über 30 Jahre alt. Das Risiko, dass Leistungsträger kurzfristig weiterziehen, sei immer gegeben, meint Benjamin Borth. Zumal keiner seiner Spieler von seinem Einkommen als Fußballer leben kann; fast alle arbeiten oder studieren nebenbei.

Borth möchte daher eine Art "Wohlfühloase" schaffen. Die Spieler sollten merken, "dass sie nicht im nächsten Jahr den Sprung schaffen müssen, sie können noch ein Jahr warten oder mit uns den Schritt in die nächsthöhere Liga gehen".

Das Prinzip Hoffnung

Nach oben wollen aber fast alle jungen Spieler, doch nur ein äußerst geringer Anteil schafft es. "Die Frustration ist immer da", sagt Benjamin Borth. Dass die Karriere stagniert - das ist eher die Regel als die Ausnahme. Eine Studie der Spielerberatung Dahm/Richter [fupa.net] hat im März 2023 herausgefunden, dass nur rund ein Prozent der Akteure der Regionalliga West sich nachhaltig im Profifußball etablieren konnten.

Natürlich gibt es die medienwirksamen Ausnahmen wie etwa Unions-Stürmer Kevin Behrens oder der Hoffenheimer und Ex-Unioner Marius Bülter, die es von der Regionalliga bis hoch in die Bundesliga geschafft haben. Behrens durfte sogar einmalig das Trikot der Nationalmannschaft überstreifen. "Und da sind wir wieder beim Thema Hoffnung", erklärt Maximilian Zimmer: "Die Spieler sagen sich: 'Die haben das geschafft, warum nicht auch ich?'"

Für seinen Klienten Maximilian Pronichev hat sich diese Hoffnung vorerst erfüllt. Er ist bei einem namhaften Klub gelandet, der das Ziel hat, in die 3. Liga aufzusteigen. Laut Vereinsangaben hat er einen sehr leistungsbezogenen Vertrag in Cottbus unterschrieben. "Wir kennen seine sportlichen Qualitäten und diese möchten wir wieder in unser Offensivspiel transportieren", wird Cheftrainer Claus-Dieter Wollitz in der Pressemitteilung zu Pronichevs Verpflichtung zitiert. Es wird sich zeigen, ob es am Ende für beide Seiten ein Happy End geben wird.

Sendung: rbb24|Inforadio, 15.01.2023, 10:15 Uhr

Beitrag von Fabian Friedmann

1 Kommentar

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    Ein abenteuerliches Geschäft, das viele Vereine ruiniert. Die fünfte ist eine Todesliga. Die vierte und auch die dritte sind ebenfalls für viele Vereine viel zu hoch. Da kommen bei vielen keine 1000 Zuschauer, es sollen aber Profibedingungen herrschen. Frag nach bei TeBe, meuselwitz, Viktoria…
    1 % Erfolgsquote ist fast wie Lotto spielen. Dann lieber gepflegter Amateurfußball mit ein paar schönen Derbys. Aber ein paar Spielerberater und Hassadeure in den Clubs sorgen weiterhin vom großen Traum.

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