Konzert in Luckenwalde - "Pussy Riot" will junge Menschen in Deutschland wachrütteln

So 05.05.24 | 10:52 Uhr | Von Antje Bonhage
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Archivbild: Die Band Pussy Riot steht auf der Bühne bei einem Konzert in Deutschland. (Quelle: dpa/Glaser)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 4.5.2024 | Juliane Gunser | Bild: dpa/Glaser

Die russische Punkband "Pussy Riot" hat vor kurzem wieder von sich Reden gemacht, als sie in der Pinakothek in München auf ein Bild von Staatschef Putin urinierte. Am Samstagabend gab Pussy Riot erstmals in Brandenburg, in Luckenwalde, ein Konzert. Antje Bonhage war dabei.

Ein französisch-barocker Garten, Skulpturen der griechisch-römischen Mythologie, eine breite Freitreppe, die vom Garten hinauf ins Herrenhaus führt. Die Vögel zwitschern, ansonsten ist Ruhe. Auf Schloss Wiepersdorf, dem einstigen Wohnsitz des Schriftstellerpaares Achim und Bettina von Arnim und heutiger Künstlerresidenz, wirkt die Welt heil und lässt nichts ahnen von Gefangenschaft und Unterdrückung, die Pussy Riot in ihrem Auftritt "Riot Days" (zu deutsch: Tage der Aufruhr) besingen.

Die Künstlerresidenz hat die Teilnahme von Pussy Riot beim Luckenwalder Festival "The Drop Out: Tell Them I Said No" gefördert. Wie bereits im vergangenen Jahr sind die Mitglieder der feministischen Punkband für ein paar Tage mit einem Gruppenstipendium an diesem idyllischen Ort südöstlich von Jüterbog im Landkreis Teltow-Fläming untergekommen.

Multimediale Schau über die Bandgeschichte

Die Multimedia-Perfomance "Riot Days" basiert auf dem gleichnamigen Buch der Pussy-Riot-Aktivistin Maria ("Masha") Aljochina und erzählt - in einer Mischung aus Dokumentartheater, Videoeinspielungen und Konzert - deren Geschichte: vom 40-sekündigen Spontanauftritt mit dem Punkgebet "Jungfrau Maria, treib Putin hinaus" in der Christ-Erlöser-Kirche in Moskau, von der anschließenden zweijährigen Haft, vom letzten Tag im Gefängnis.

Auch Songs, die Putins Krieg in der Ukraine kritisieren, integriert die Gruppe in ihre Schau, mit der sie jetzt zwei Jahre lang durch Deutschland getourt ist. Der Auftritt im E-Werk in Luckenwalde war die letzte Station der Tournee. In Russland kann die Band nicht auftreten, alle Mitglieder leben längst im Exil, in ihrer russischen Heimat müssten sie um ihr Leben fürchten.

Gefährdete Demokratie – auch in Deutschland

Deutschland sei ein passender Ort für ihre Auftritte. Auch hier müsse man die Menschen wachrütteln, sagt Bandmitglied Olga Borisova. "Auf der Bühne zeigen wir, wie schnell sich Zeiten ändern können, wie schnell sich die Schlinge um den Hals zuziehen und wie schnell es vorbei sein kann mit Demokratie", so die Aktivistin.

"Verschließt Eure Augen nicht, nutzt Eure Meinungs- und Pressefreiheit!" Das sei es, was sie dem Publikum in Deutschland sagen wollen, ergänzt Taso Pletner, ein weiteres Mitglied der Gruppe. Sie finde es "beängstigend" zu erleben, wie unpolitisch gerade auch junge Menschen in Deutschland häufig seien und dass sie sich über wenig anderes Gedanken machten als über Clubs und Bier. Pletner: "Da denke ich dann: Hey Jungs, erschöpft sich Eure Freiheit darin, für 50 Euro ins Berghain zu gehen? Nichts zu wissen, zum Beispiel, wie viele Flüchtlingslager es in Berlin gibt, das ist doch keine Freiheit! Und wenn ich mit ihnen diskutieren will, wehren sie ab: Ich will meine Ruhe haben, mein Bier trinken und ‚nen Joint, der jetzt legal ist, rauchen."

Gedenken an Nawalny

Die Schau "Riot Days" ist seit dessen Tod dem russischen Oppositionellen Alexej Nawalny gewidmet. Für die Mitglieder von Pussy Riot war er eine Leitfigur. Nicht nur hat er sich während Masha Aljochinas zweijähriger Haft für sie eingesetzt. Auch die Punkband hat in Russland immer wieder zu Demonstrationen für Nawalny aufgerufen und dafür Festnahmen und Hausarrest riskiert.

Für Olga Borisova, die früher einmal bei der russischen Polizei gearbeitet hat, diesen Job 2015 an den Nagel hängte und zu Pussy Riot stieß, macht nicht zuletzt der Tod Nawalnys Putins Gefährlichkeit deutlich. Borisova: "Nawalny war der Politische Gefangene Nummer 1. Er war der lauteste Opportunist und überall im Westen bekannt. Wir nahmen an, dass seine Bekanntheit ihn in gewisser Weise schützen würde. Aber Putins Signal ist sehr deutlich, nämlich: Wir schrecken nicht davor zurück, auch den mutigsten und lautesten zu eliminieren. Ihr seid machtlos."

Die Hoffnung nicht verlieren

Eine gewisse Ernüchterung sei dadurch eingetreten, gestehen die Bandmitglieder ein. Dennoch wollen Pussy Riot ihre Putin-kritischen Aktionen nicht aufgeben und auch nicht den Glauben an mögliche Opposition. Für Olga Borisova war in dieser Hinsicht die Anteilnahme auch in Russland an Nawalnys Tod ermutigend. Tausende Russen seien zu seinem Grab in Moskau gepilgert und hätten Blumen niedergelegt, wissend, dass das für sie Konsequenzen haben könnte. "Diese Leute setzen damit ein Zeichen der Hoffnung", sagt Borisova. "Und wenn sie in einer solchen Situation Hoffnung haben, dann, so denke ich, habe ich kein Recht, KEINE Hoffnung zu haben."

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Beitrag von Antje Bonhage

48 Kommentare

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  1. 48.

    Ach so, das sollte einen Anspielung auf das Böhmi Gedicht sein. Nu ja, der ist doch mehr so der deutsch-zugeknöpfte Satiriker, was man von Pussy Riot nun nicht gerade sagen kann. Die legen schon etwas anders los. Das mit der "Merde" nehme ich mal zurück, Heidekind. ;)

  2. 46.

    Ich finde die Mädels unschlagbar gut! Was die alles durchgemacht haben und dann diese Power! Bin auch dafür - Putin Muß Weg! Das mit dem Pippi machen ist doch harmlos. Die Leute (Spießer), die sich hier darüber aufregen, warn noch nie im Theater!?

  3. 45.

    Ach was Sie nicht sagen? Sind Ihre Argumente alle? Wir müssen mehrWaffen an unsere ukrainischen Freunde senden.

  4. 44.

    Erwartungsgemäß ist hier keine sachliche Diskussion möglich. Dazu müssten sich einige Eiferer hier erstmal mit den Fakten vertraut machen.
    Schönen Tag noch ....

  5. 42.

    Ach, jetzt erst angeekelt wegen diesem Pipifax aus der Kunstszene.
    Der Putin ekelt Sie nicht an?

    Die Ausdrucksweise des Künstlers, die entspricht jeweils der inneren Verfassung des Künslers, das nennt man künstlerische Freiheit. Ergo, so auch in diesem Fall..

  6. 41.

    Es ist mal wieder bezeichnend, dass von der eigentlichen politischen Botschaft bei manchen nur das urinieren auf Putins Foto hängen bleibt.
    Kann man finden wie man will, aber im Kern geht es doch darum, dass ein System um eine Person herum die Freiheit jedes Einzelnen einschränken kann. Es geht gegen diese Diktatur. Auf deutschem Boden hatten wir bereits zwei Diktaturen in den vergangenen 90 Jahren. Das sollte gerade der jungen Generation als Mahnung dienen.

  7. 40.

    Also Widerstand kommt i.d.R. ebenso wie Punk aus dem "Untergund". Wenn sich da ein durchgestyltes Etwas hinstellen würde und "Hemmungslos an der Macht" trällert wird das nix. Die Aktion 2012, also das "Punk Gebet" in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale, findet man heute noch im Netz.

  8. 39.

    Die Sache mit dem Griff ins Klo nehme ich ihnen nicht übel, aber das Gedicht über einen Herrn vom Boschporusch finden sie heute noch im Netz. Ob die Aktion diese dauerhafte Reichweite hat wage ich zu bezweifeln.

  9. 38.

    Sie waren noch nicht auf einem "Die Kassierer"-Konzert? Die treten in Chorin wahrscheinlich nicht auf.

  10. 37.

    Es ist ziemlich sinnvoll alle Menschen einzeln zu betrachten. Wenn dabei rauskommt, daß wir zwei nicht im selben Topf landen, sind wir doch beide dankbar :-) .

  11. 36.

    "Die über 40 Jahre lang eingeprügelte Deutsch-Sowjetische Freundschaft hät bei vielen sehr hässliche Spuren hinterlassen."
    Welche "hässlichen Spuren"?
    Meine Sie das monatliche Einkleben der Marken?
    Das war beileibe brutal.

  12. 35.

    Danke, daß Sie sich an den Aufruf der Gruppe halten "Verschließt Eure Augen nicht, nutzt Eure Meinungs- und Pressefreiheit!"

  13. 34.

    Danke, daß Sie sich an den Aufruf der Gruppe halten "Verschließt Eure Augen nicht, nutzt Eure Meinungs- und Pressefreiheit!"

  14. 33.

    Nun ja, Sie teilen hier aus in einer Form, wo man zu Cov19-Zeiten gnadenlos gesperrt worden wäre von der Administration. Dann stell ich einfache Fragen. Wissen Sie genau, daß eine Verhandlungslösung ausgeschlossen ist oder ist das eine Vermutung?(Quelle) Wie gut kennen Sie Rußland? Danke für Ihre Bemühungen.

  15. 32.

    "... daß ist nun wirklich deren Sache, nicht unsere, mit welchen, künstlerischen Mittel, sie protestieren."
    Die linkesintelektuelle Schickeria-Szene hat das bestimmt eu­pho­risch gefeiert, als man das Putin Bild bepisste.
    Na ja, musikalisch eher bedeutungslos, muss man eben so um Aufmerksamkeit buhlen.
    Ich erwarte von dieser Truppe Steigerungsformen. Vielleicht das nächste Mal das Abbild von Putin mit z.B. Kot beschmieren?

  16. 30.

    Hat man hier leider sehr oft. Die über 40 Jahre lang eingeprügelte Deutsch-Sowjetische Freundschaft hät bei vielen sehr hässliche Spuren hinterlassen. Viel zu viele Putin-Versteher sind hier unterwegs. Da hat man gute Chancen, sich unbeliebt zu machen. Wladimir, der Friedensengel..., ich kotz' im Strahl!

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