Interview | Integrationsforscher Kaschuba - "Es ist ganz wichtig, dass Brücken gebaut werden"

Mo 15.08.16 | 18:39 Uhr
Audio: Radioeins | 15.08.2016 | Der schöne Morgen Download (mp3, 6 MB)

Die Integration von Flüchtlingen ist eines der großen Themen im Berliner Wahlkampf. Aber wie kann sie erfolgreich gelingen? Professor Wolfgang Kaschuba, Direktor des Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM), sagt, man dürfe vor allem nicht zulassen, dass Helfende von der Verwaltung zermürbt werden.

Die CDU will Unternehmen unterstützen, die geflüchtete Menschen beschäftigen. Was halten Sie von der Unternehmensinitiative der CDU?

Es ist ganz wichtig, dass Brücken gebaut werden und dass vor allem mit den Firmen auch darüber gesprochen wird, wie man in der Praxis Angebote organisieren kann. Da werden viele, die durchaus willig sind, oft noch allein gelassen. Und wenn ein kleiner Firmeninhaber, im Moment sind es vor allem die kleinen, sich dann durch den bürokratischen Dschungel kämpfen soll, nimmt er vielleicht doch lieber den einfachen Weg und entscheidet sich für einen anderen für den Job. Also das ist sicherlich eine ganz wichtige Initiative, es kommt aber darauf an, wie es gemacht wird. Die Firmen brauchen so etwas wie Lotsen, die über den sprachlichen Weg helfen, Gruppen von Flüchtlingen zu betreuen, die natürlich einfach noch ein paar Dinge lernen müssen.

Ein weiterer Punkt im Parteiprogramm der CDU sieht vor, Asylbewerbern Geldleistungen zu streichen und verstärkt auf Sachleistungen in Form eines Gutscheinsystems zu orientieren. Alle anderen Parteien sprechen sich dagegen aus. Wo liegen Vor- und Nachteile?

Es ist eine ganz schlechte Idee. Darin sind sich auch alle Sozialverbände einig. Der Umgang mit Geld ist wichtig, um Respekt und Selbstverantwortung zu bekommen -  wenn man sich das selbst einteilt. Der zentrale Punkt dabei ist natürlich, dass Sachleistungen bedeuten würden, dass die Menschen mehr oder weniger in den Heimen bleiben, weil sie gar nicht das Geld haben, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Das führt zur Ghettoisierung und deswegen ist es ganz wichtig, dass sie zumindest eine kleine Münze für einen Kaffee oder eine Konzertkarte haben. Wenn ich nicht den Euro oder die drei habe, um zu einem Fußballspiel, ins Kino oder ins Café zu gehen, dann bin ich draußen. Also ist das eine ganz schlechte Idee. Die Sozialverbände haben Sachleistungen aus guten Gründen abgelehnt.

SPD, Grüne, Linke und Piraten fordern, dass alle dauerhaft in Berlin wohnenden Ausländerinnen und Ausländer an den Wahlen zur Bezirksverordnetenversammlung teilnehmen dürfen sollen. Ist das aus ihrer Sicht eine sinnvolle Sache?

Wir haben da durchaus ermutigende Erfahrungen. Es gibt einige Länder, in denen solche Regelungen bereits da sind. Das heißt nicht, dass daraus gleich brave Staatsbürger hervorgehen. Symbolisch gesehen ist es aber natürlich ein Abbau von Segregation. Es wäre das Signal: Ihr gehört dazu. Und da wir in den letzten Jahren beobachten, gerade auch in den Städten, dass die lokale Politik immer wichtiger wird, wäre es ein Weg, auch mitbestimmen zu können und es wäre vor allem auch ein Weg, dass die, die neu angekommen sind, sich mit denen treffen, die schon länger da sind.

Herr Kaschuba, wenn Sie sich jetzt alle Parteiprogramme ansehen, gibt es dann irgendeine Forderung, die Sie ganz besonders hervorheben möchten? Egal ob positiv oder negativ?

Wir unterstützen ganz nachdrücklich all die Ideen, die helfen, die Verhältnisse zwischen den Geflüchteten, der Verwaltung und der Zivilgesellschaft zu verbessern. Und da haben wir - gerade in Berlin - noch sehr viel Luft nach oben. Die Verwaltung muss viel stärker lernen, vertrauensvoller mit der Zivilgesellschaft zusammen zu arbeiten und den Flüchtlingen auch Anstöße zur Selbstorganisation zu geben. Wir beobachten, was sich alles in den Netzen tut: Dort organisieren sich viele Flüchtlinge selber und die Verwaltung sieht oft staunend zu und manchmal auch misstrauisch. Integration wird nur von unten funktionieren. Das kann eine Verwaltung gar nicht leisten, das kann letztendlich nur eine Gesellschaft - und die Zivilgesellschaft übernimmt eine ganz wesentliche Rolle. Dass die, die helfen, nicht müde werden an der Verwaltung, das wäre eine ganz wichtige Aufgabe in Berlin.

 

Das Interview führten Christoph Azone und Stefan Rupp, Radioeins