Interview | Forschungsprojekt am Cottbuser CTK - Wenn Demenzkranke mit einer Künstlichen Intelligenz telefonieren

Do 15.06.23 | 15:51 Uhr
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Symbolbild: Eine Seniorin spielt am 28.09.2015 in einer Wohnung in Berlin ein Memory. (Quelle: dpa/Silvia Marks)
Audio: Antenne Brandenburg | 15.06.2023 | Mandy Haberland | Bild: dpa/Silvia Marks

Mit künstlicher Intelligenz kann man mittlerweile chatten, sie erstellt Bilder oder ganze Songs. Nun wollen Cottbuser Forscher die Technologie für Therapiezwecke einsetzen - und die KI mit Demenzkranken reden lassen.

Robert Freund und Julia Röglin arbeiten für die Forschungstochter des Cottbuser Carl Thiem-Klinikums, die "Thiem Research". Ihre Idee "Dementia VoiceBots" ist jüngst vom Bundessozialministerium ausgezeichnet worden. Das Projekt soll nun mit dem Preisgeld von 20.000 Euro weiterentwickelt werden.

rbb24: Frau Röglin, Herr Freund, Ihr Projekt dreht sich darum Künstliche Intelligenz bei der Behandlung und Betreuung von Demenzkranken einzusetzen. Was steckt hinter der Idee?

Julia Röglin: Demenzerkrankte Personen ziehen sich immer mehr aus ihrem sozialen Umfeld zurück. Dem wollten wir entgegensteuern. Wir wollten die Kommunikationsfähigkeit von demenzerkrankten Personen weiter anregen, trainieren. Dann haben wir uns überlegt, wie man das umsetzen kann. Wir haben aber festgestellt, dass reine Chatbots, wie sie jetzt in aller Munde sind (z.B. ChatGPT, Anm. d. Red.), nicht funktionieren in einem sehr ländlichen Raum und auch nicht für diese Altersstruktur. Deshalb sind wir auf Sprach-Chatbots gekommen, sogenannte Voicebots.

Wie funktionieren diese Voicebots?

Das kann man sich vorstellen wie ein ganz normales Telefongespräch, zwischen einer Künstlichen Intelligenz und dem Endnutzer. Dabei sollen ganz normale Gespräche stattfinden. Der Nutzer braucht nur ein Telefon. Wenn wir das Ganze umsetzen, wollen wir bekannte Sprach- und Rehabilitierungsübungen mit einbringen, um auch einen medizinischen Output zu haben, der sich positiv auf das Krankheitsbild auswirken kann. Man kann es sich aber als ganz normales Telefongespräch vorstellen.

Am Ende muss die KI doch aber auch trainiert werden, ihr muss also beigebracht werden, welche Antworten sie gibt, oder?

Wir haben bei dem Projekt einen guten Partner, der sich auf das Thema Voicebots, Chatbots spezialisiert hat. Für das Trainieren hat der schon gewisse Datenbanken. Wir müssen jetzt noch die medizinischen Aspekte einspielen. Aber durch unsere Verbindungen ins Klinikum haben wir die Möglichkeiten dazu. Gängige Sprach- und Rehabilitierungsübungen haben in Studien bereits bewiesen, dass sie Demenzerkrankten in ihrer Kommunuikationsfähigkeit helfen können.

Welche konkrete Hilfe können sich Erkrankte denn erhoffen?

Robert Freund: Eine Aussage der Alzheimer-Society beschreibt es eigentlich ganz gut. Die Gesellschaft hat dargestellt, dass eine gute Kommunikation ein wesentlicher Bestandteil für Personen mit der Diagnose Demenz ist, um ein gutes Leben zu gewährleisten und die Lebensqualität zu erhalten, soziale Kontakte zu pflegen und das Selbstbewusstsein aufrecht zu erhalten.

Wie kamen Sie auf die Idee?

Wir haben eine regelmäßige Brainstorming-Runde, in der wir über Themen reden, die uns gerade bewegen. Dabei kam auch das Thema Demenz zur Sprache. Man hat häufig Menschen im direkten und indirekten Umfeld, die an Demenz erkrankt sind. Das ist ein Thema, das sehr an Fahrt gewinnt.

Wir kann man sich so ein Telefongespräch vorstellen?

Julia Röglin: Der Endnutzer, der Betroffene, ruft eine Telefonnummer an und wird dann zu einem Gespräch angeregt. Die KI muss eigentlich gar nicht so viel sprechen, sondern den Nutzer mit gezielten Fragen zu einem Gespräch anregen. Der Nutzer soll mehr reden als die Künstliche Intelligenz. Das Ganze soll sich nicht davon unterscheiden, wie der Nutzer auch mit Bekannten spricht, nur eben mit einer medizinischen Sicht zusätzlich. Das wird der Nutzer aber gar nicht mitbekommen.

Wann soll denn das möglich sein?

Mit der Prämierung durch das Ministerium ist jetzt eigentlich der Startschuss gegeben. Wir sind jetzt in einer Phase, in der wir einen Projektantrag formulieren müssen, um weitere Fördergelder zu bekommen und das letztendlich umzusetzen. Dafür werden wir jetzt noch betreut, bekommen Hilfe, aber bewilligt werden kann alles erst im kommenden Jahr. Wir haben jetzt einen Fahrplan aufgestellt. Bis Ende des Jahres soll der Antrag fertig sein, einen ersten Piloten wollen wir testen. Sobald das Projekt bewilligt ist, können wir recht schnell starten. Wir sind guter Dinge, dass wir Ende des nächsten Jahres mit den klinischen Tests und auch in der Pflege starten können.

Was haben Sie aus ihrer Arbeit an dem Projekt mitgenommen?

Robert Freund: Ein wichtiger Punkt ist, dass wir in unserem Team sehr von Interdisziplinarität profitieren, dass wir viele Betrachtungsweisen einbringen können. Wir sind kein Team, das nur aus Informatikern besteht. Wir haben auch Ingenieure, Biotechnologen oder Projektmanager. Diese Betrachtungsweisen formen letztendlich eine Idee und bringen sie zur Reife.

Vielen Dank für das Gespräch!

5 Kommentare

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  1. 5.

    Vielen Dank für die ergänzende Antwort. Ich bin unter anderem darüber gestolpert, dass dem Team außer Informatikern Ingenieure, Biotechnologen und Projektmanager angehören, jedoch offenbar niemand, der mit der Betreuung und Pflege von Dementen in der Praxis befasst ist. Auch wenn es ja Kontakte zur Alzheimer-Gesellschaft gibt, meine ich, dass ein stärkerer Praxisbezug nötig ist. Generell finde ich das Projekt sehr interessant und sehe es mir gern einmal genauer an. Ich melde mich.

  2. 3.

    Hallo Su Vali, ich kann natürlich verstehen, dass dir tiefgreifende Informationen fehlen. Du musst uns allerdings zugestehen, dass in einem kurzen Interview am Ende nur wesentliche allgemeinverständliche Dinge adressiert werden können. In unserem Konzept haben wir uns natürlich auch tiefgreifender damit befasst, dass die Anwendung vor allem für das frühe Stadium der Demenz anwendbar ist. Ebenso, wie bspw. durch Input von Angehörigen oder die Etablierung geeigneter Sprachdatenbanken die besten Voraussetzungen für das Gespräch geschafft werden. Letztendlich zielt die Förderung auf die Unterstützung in der Konzeptionierungsphase dieser Idee ab, so dass auch viele Punkte hier noch tiefer eruiert werden. Wir sind aber jederzeit offen für jeden Beitrag und du kannst uns gerne auch mal besuchen, wenn du mehr über das Projekt erfahren möchtest. BG Robert

  3. 2.

    So wie das Projekt hier präsentiert wird, wirkt es auf mich leider nicht sehr überzeugend. Von welcher Art und welchem Stadium von Demenz ist denn hier die Rede?
    Viele demente Personen sind gar nicht mehr in der Lage, ein gewöhnliches Telefon zu bedienen. Und wie reagiert die KI, wenn Dinge falsch benannt werden oder wenn die Satzstruktur zwar korrekt ist, aber der Inhalt keinen Sinn ergibt?
    Ich habe häufig mit unterschiedlichen dementen Personen zu tun und weiß, wie hilfreich ein Gespräch sein kann, um Erinnerungen zu reaktivieren. Aber dazu ist es erforderlich, dass man die betreffende Person gut kennt und möglichst viel über ihr Leben weiß.
    Wer erhebt und wer füttert denn die KI mit den persönlichen Details aus dem Leben des dementen Nutzers? Wie individuell kann eine KI überhaupt im Gespräch auf eine demente Person eingehen?
    So wie es im Artikel dargestellt wird, hat man den Eindruck, das Projekt sei im Elfenbeinturm entstanden.

  4. 1.

    Spannend! Könnte ich mir bei einigen Bewohnern in unseren Wohngemeinschaften vorstellen. Man sollte KI nicht gänzlich verteufeln, auch wenn von allen Seiten davor gewarnt wird....

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